Zeitverzug bei der Umsetzung der EU-Richtlinie zum Verbot unlauterer Handelspraktiken im Agrar- und Lebensmittelsektor. Das gab die EU-Kommission als Begründung an für ein Ende Juli gegen zwölf Mitgliedstaaten eingeleitetes Vertragsverletzungsverfahren. Laut Kommission betrifft dies neben Österreich auch Belgien, Estland, Frankreich, Italien, Polen, Portugal, Rumänien, Slowenien, Spanien, Tschechien und Zypern. All diese Länder haben bis zum 1. Mai dieses Jahres die bereits 2019 verabschiedete Richtlinie noch nicht umgesetzt. Daher, so die Aussendung, “richtete die Kommission förmliche Aufforderungsschreiben” an diese Länder, “die einschlägigen Maßnahmen anzunehmen und mitzuteilen. Die Mitgliedstaaten müssen nun binnen zwei Monaten darauf reagieren”.
Verbot von 16 unlauteren Handelspraktiken
Ziel der Richtlinie ist, die Position der Landwirte in der Lebensmittelversorgungskette zu stärken. Im Besonderen zählt die Kommission 16 unlautere Handelspraktiken auf, die verboten werden sollen. Dazu gehören unter anderem:
• verspätete Zahlungen und kurzfristige Stornierungen von Bestellungen für verderbliche Lebensmittelerzeugnisse,
• einseitige oder rückwirkende Vertragsänderungen,
• erzwungene Zahlungen des Lieferanten für die Verschwendung von Lebensmitteln und
• die Ablehnung schriftlicher Verträge.
Im Einklang mit der Richtlinie sollten Landwirte und kleine und mittlere Lieferanten sowie die sie vertretenden Organisationen die Möglichkeit haben, Beschwerden gegen solche Praktiken einzureichen.
Wirtschaftsministerium ist zuständig
Aus dem Bundesministerium für Landwirtschaft, Regionen und Tourismus (BMLRT) hieß es laut einer Meldung des AIZ, dass die für die Umsetzung der Richtlinie das Bundesministerium für Digitalisierung und Wirtschaftsstandort (BMDW) zuständig sei. Dieses habe die notwendigen Gesetzestexte bereits vorgelegt. Derzeit befinden sich die Texte regierungsintern in Abstimmung. Sie sollen in den nächsten Wochen in Begutachtung gehen und zeitgerecht mit Jahresbeginn 2022 in Kraft treten.
Auch im Regierungsprogramm der Koalition aus ÖVP und Grünen vom Jänner 2020 ist die “rasche Umsetzung der EU-Richtlinie über unlautere Geschäftspraktiken“ vereinbart.
Anonyme Beschwerde-Webseite
Bundesministerin Elisabeth Köstinger hat den Einsatz gegen unfaire Geschäftspraktiken wiederholt betont. Köstinger: “Wir sehen uns hier als Anwälte unserer Bäuerinnen und Bauern und kämpfen für eine Partnerschaft auf Augenhöhe mit dem Handel.” Beispiele für erste Schritte seien die Einrichtung einer anonymen Beschwerde-Website für Bäuerinnen und Bauern im Kartellrecht (“Whistleblower werden“).
Zudem haben man gemeinsam mit der Bundeswettbewerbsbehörde einen Fairnesskatalog gegen unfaire Geschäftspraktiken erstellt und gemeinsam mit dem Lebensmittelhandel eine Selbstverpflichtungserklärung zum Fairnesskatalog präsentiert, so die Ministerin. Die im Regierungsprogramm festgelegte und ins Wirtschaftsministerium ressortierende Umsetzung der EU-Richtlinie sowie die Etablierung einer Mediations- und Schlichtungsstelle zur Absicherung des fairen Wettbewerbs seien die nächsten Schritte.
- Bildquellen -
- Ww210802 Ulauterer Wettbewerb: Bundeswettbewerbsbehörde