Konservative Markierungen

Kommentar von Conrad Seidl,
Redakteur “Der Standard”

Die ÖVP feiert Parteitag – und alles mediale Interesse konzentriert sich auf Parteiobmann Karl Nehammer und die Personalentscheidungen in seinem Team.
Kurzfristig wird das kein Nachteil sein: Der Bundeskanzler kann zum Parteitag zeigen, welchen Personen er vertraut, die zweite Halbzeit der Gesetzgebungsperiode mit ihm gemeinsam zu gestalten.
Eine gute Gelegenheit, Führungsstärke zu zeigen. Was von den Personalfragen allerdings leicht überdeckt wird, ist die Frage, wohin Nehammer die ÖVP führen will – und wohin er mit dieser ÖVP das Land führen will.
Schon wird am Beispiel der Windfall-Profit-Tax auf Gewinne der Energieunternehmen darüber diskutiert, dass der Kanzler jene Vorschläge macht, die eigentlich von der Sozialdemokratie kommen müssten. Und wenn man näher auf die Politik der österreichischen Mitte-Links-Regierung schaut, dann fällt auf, dass einige lange als unverrückbar geltende Grundsätze christlich-sozialer und konservativer Politik (Stichworte dazu sind Budgetdisziplin, Eigenverantwortung, Vermögensbildung in Arbeitnehmerhand, aber auch militärische und zivile Sicherheitsvorsorge, Vorrang für Ehe und Familie sowie uneingeschränktes Europa-Bekenntnis) in den Hintergrund getreten sind und allenfalls anlassbezogen wiederentdeckt werden.
Der Parteitag am Wochenende müsste nun genutzt werden, eine inhaltlich klare konservative Positionierung vorzunehmen – auch wenn das etwas spröder wirkt als die Präsentation von neuem politischem Personal.
Bei der nächsten Wahl werden die Wählerinnen und Wähler ja wissen wollen, warum sie ÖVP wählen sollten.
Derzeit ist das nicht so klar.

conrad.seidl@gmx.at

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