Warum die EU die biologische Vielfalt schützen will:
Laut EU-Kommission ist Biodiversität lebenswichtig sowohl für den Planeten als auch für die Wirtschaft. So heißt es in der Strategie: „Wenn es der Natur gut geht, kann sie uns schützen und versorgen.“ Die Natur liefere Nahrung, Arzneimittel oder Baustoffe. Biologische Vielfalt und intakte Ökosysteme böten außerdem Erholung und seien damit auch wichtig für Wohlbefinden und Gesundheit, sie sorgen für saubere Luft und sauberes Wasser und sind „Verbündete im Kampf gegen den Klimawandel“. Hinzu kommt die Verwandlung von Abfällen in neue Ressourcen wie auch die Bestäubung und Düngung von Nutzpflanzen.
So steht es aktuell um die Biodiversität in der EU:
Derzeit ist der Verlust an Artenvielfalt beispiellos. Schuld daran sei laut Kommission „die menschengemachte Zerstörung“. So sei in den vergangenen 40 Jahren der weltweite Bestand an Wildtieren um 60 % zurückgegangen. 1 Million Arten sei vom Aussterben bedroht. Dieser Rückgang und die Klimakrise hängen zusammen und verschärfen einander gegenseitig.
Wie man die Biodiversität schützen beziehungsweise aufrechterhalten will:
Die EU-Kommission will mindestens 30 % ihrer Land- und Meeresgebiete in wirksam bewirtschaftete Schutzgebiete umwandeln, aufbauend auf den bestehenden Natura 2000-Gebieten und ergänzt durch nationale Schutzgebiete. Dies entspricht einem Plus von mindestens 4 % der Land- und 19 % der Meeresgebiete im Vergleich zu heute. Besonderes Augenmerk soll auf Gebiete mit sehr hohem Biodiversitätswert oder -potenzial gelegt werden. Diese seien am anfälligsten für den Klimawandel und sollten besonders streng geschützt werden. Die Kommission will etwa künftig alle Primär- und Urwälder der EU bestimmen, erfassen und deren Schutz streng überwachen.
Als zentrale Verpflichtungen bis 2030 sind geplant:
• 2021 will die EU nach einer Folgenabschätzung rechtlich verbindliche Ziele für die Wiederherstellung der Natur vorschlagen. Bis 2030 sollen bedeutende Gebiete mit geschädigten und kohlenstoffreichen Ökosystemen wiederhergestellt werden, Lebensräume und Arten keine Verschlechterung der Erhaltungstendenzen und des Erhaltungszustands aufweisen und mindestens 30 % dieser Lebensräume und Arten einen günstigen Erhaltungszustand oder zumindest einen positiven Trend verzeichnen.
• Der Rückgang an nützlichen Bestäubern soll gestoppt und langfristig umgekehrt werden.
• Der Einsatz chemischer Pestizide soll um 50 % verringert, der Einsatz gefährlicherer Wirkstoffe ebenfalls halbiert werden.
• Mindestens 10 % der Agrarflächen sollen künftig Landschaftselemente mit großer biologischer Vielfalt aufweisen.
• Mindestens 25 % der Felder und Wiesen sollen biologisch bewirtschaftet und die Anwendung ökologischer Verfahren generell deutlich gesteigert werden.
• EU-weit sollen drei Milliarden neue Bäume unter uneingeschränkter Beachtung der ökologischen Grundsätze angepflanzt werden.
• Bei der Sanierung kontaminierter Böden plant die EU „erhebliche Fortschritte“.
• Mindestens 25.000 Flusskilometer sollen als frei fließende Flüsse wiederhergestellt werden.
• Die Zahl auf der Roten Liste befindlicher Arten, die von invasiven, also gebietsfremden Arten gefährdet werden, soll um 50 % verringert werden.
• Die Nährstoffverluste aus Dünger sollen um 50 % reduziert werden, was zu einer Verringerung des Düngemitteleinsatzes um mindestens 20 % führen soll.
• Städte ab 20.000 Einwohnern sollen „ehrgeizige“ Pläne für die Begrünung erarbeiten.
• In empfindlichen Gebieten, etwa auf städtischen Grünflächen, sollen künftig keine chemischen Pestizide mehr eingesetzt werden dürfen.
• Auch die negativen Auswirkungen auf empfindliche Arten und Lebensräume durch die Fischerei und Fördertätigkeiten am Meeresboden will die EU massiv eindämmen. Der Beifang von Arten soll unterbunden oder stark reduziert werden, um die Erholung und Erhaltung der Arten abzusichern.
Weniger Pflanzenschutz, mehr Bioflächen
Wo Landwirte von der Strategie betroffen sind:
Als „wichtigste Hüter des Boden“ spielen die landwirtschaftlichen Betriebe für die EU-Kommission eine entscheidende Rolle bei der Erhaltung der biologischen Vielfalt. Hier greift die Biodiversitätsstragie über in die Farm to Fork-Strategie. Beide Vorhaben werden in den nationalen Umsetzungsplänen der Mitgliedsstaaten für die Gemeinsame Agrarpolitik (GAP) Niederschlag finden und sollen zu nachhaltiger Präzisionslandwirtschaft, mehr Biolandbau und Agrarökologie, aber auch extensiverer Nutzung von Dauergrünland und strengeren Tierschutzvorschriften führen. Als Schlüsselindikatoren für die Gesundheit von Agrarökosystemen und von entscheidender Bedeutung gelten Feldvögel und Insekten, insbesondere Bestäuber. Ihr besorgniserregender Rückgang müsse laut Kommission umgekehrt werden, unter anderem mit mehr (Rotations-)Brachen, Hecken, Bäumen, Trockenmauern oder Teichen. Wobei diese Flächen der agrarischen Nutzung entzogen werden.
Vom vermehrten Biolandbau auf bis zu einem Viertel der EU-Agrarflächen verspricht sich die Kommission neben den Umwelteffekten auch bis zu 20 % mehr Arbeitsplätze pro Hektar sowie Agrarerzeugnisse mit höherer Wertschöpfung. Der bereits laut gewordenen Kritik daran, der Bio-Anteil ließe sich nur parallel mit steigendem Bio-Absatz erhöhen, hält die Kommission einen „Aktionsplan“ entgegen. Mit Werbekampagnen und einem umweltgerechten öffentlichen Beschaffungswesen will man das Vertrauen der Konsumenten gewinnen. Bei der Umsetzung ihrer Ziele will die EU-Kommission übrigens die unterschiedlichen Ausgangspunkte und Fortschritte in den Mitgliedstaaten berücksichtigt. Bekanntlich hat Österreich bereits einen flächenmäßigen Bio-Anteil von 26 % der Gesamtflächen und ist damit „Bio-Europameister“.
Welche Rolle Handelsabkommen mit Drittstaaten spielen:
Die Kommission verspricht, dass die neuen Bestimmungen über die biologische Vielfalt künftig auch in allen Handelsabkommen um- und durchgesetzt werden. Man werde die Auswirkungen von Handelsabkommen auf die biologische Vielfalt besser prüfen und Folgemaßnahmen ergreifen, um die in bestehenden oder gegebenenfalls neuen Abkommen enthaltenen Bestimmungen über die biologische Vielfalt zu stärken.
E.Z.