Die Corona-Pandemie hat die Sichtweise der Österreicher betreffend den Stellenwert der Landwirtschaft offenbar verändert. Für neun von zehn der Befragten – mehr als 500 repräsentativ ausgewählte Haushalte wurden für die Studie des Boku-Institutes für Marketing und Innovation kontaktiert – ist die Landwirtschaft systemrelevant für das Land (91 %). Fast ebenso viele (90 %) sind der Auffassung, dass die Bauern gerade in der Krisenzeit eine stabile Versorgung mit Lebensmitteln sicherstellen konnten.
Für 86 % der Befragten ist das Fortbestehen von landwirtschaftlichen Betrieben in Österreich durch die Covid 19-Pandemie wichtiger geworden. 85 % der Befragten sagen, dass heimische Lebensmittel in Krisenzeiten besser verfügbar sind und generell strenger kontrolliert werden. 83 % der Befragten sehen zudem eine Notwendigkeit, auch in Zukunft eine ausreichende Versorgung an Grundnahrungsmitteln aus Österreich sicherzustellen und die bestehende Abhängigkeit aus dem Ausland zu verringern.
Acht von zehn der Befragten im Alter von 18 bis 75 Jahren ziehen generell heimische Lebensmittel beim Einkauf importierten Produkten vor. Dabei sei die Standortsicherung ein wesentlicher Aspekt. Ebenfalls für gut 80 % ist die Schonung ein wichtiger Aspekt, was den eigenen Lebensmittelkonsum betrifft.
Österreicher können sich auf die Bauern verlassen
Landwirtschaftsministerin Elisabeth Köstinger kommentierte das Studienergebnis im Beisein der Autorin, Petra Riefler, sichtlich mit Genugtuung. „Unsere Bäuerinnen und Bauern produzieren Lebensmittel in exzellenter Qualität unter Einhaltung höchster Standards, und das auch in Krisenzeiten. Gerade die Corona-Krise hat gezeigt, dass sich die Österreicher auf unsere bäuerlichen Familienbetriebe verlassen können.“
Laut Köstinger werden regionale Lebensmittel heute geschätzt wie nie zuvor. Das verdeutliche auch die nun vorliegende Boku-Studie. „Dass 91 Prozent die Landwirtschaft zur systemrelevanten Infrastruktur zählen, spricht für eine neue Wertschätzung von Produkten und der harten Arbeit, die dahintersteht. Die Menschen haben ein immer stärkeres Bedürfnis zu wissen, woher ihre Lebensmittel kommen“, erklärte Köstinger.
Als Finanzier der Studie betonte Kurt Weinberger, Chef der Hagelversierung: „Unser Land braucht rot-weiß-rote Einkaufskörbe, auch nach Corona.“ Im Zusammenhang mit dem Virus, sei die Frage, ob die Österreicher im Krisenfall ausreichend zu essen bekommen, im wahrsten Sinne „virulent“ geworden. „Wenn Schiffe in den Häfen festliegen, Flugzeuge nicht abheben können, und die Grenzen geschlossen sind, versiegen die globalen Lieferketten in einem atemberaubenden Tempo. Ernährungssicherheit kann man nicht importieren.“ Daher müsse wieder mehr national produziert werden – nicht nur Gesichtsmasken, auch Medikamente und Lebensmittel, so Weinberger. Der Finanzmanager gibt zu bedenken: „Gerade in der Landwirtschaft haben wir trotz unserer kleinen Strukturen – noch – einen Vorteil. Oder gerade deswegen. Aber Faktum ist: Ohne unsere Landwirtschaft hätten wir alle nichts zu essen. Lokale Produktionsketten geben Sicherheit, stärken die Wirtschaft und sind besser für Klima und Umwelt.“ So ergab die Studie auch, 79 % sehen den Klimawandel mit seinen zunehmenden Wetterextremen als weitere Bedrohung. „Daher benötigt die Landwirtschaft aufgrund der Systemrelevanz weiterhin bestmöglichen Schutz“, so der Finanzmanager.
Ergebnis der Studie zeigt ein selten eindeutiges Bild
Interessant wäre in weiterer Folge die Erhebung, ob nicht nur Österreichs Konsumentinnen und Konsumenten, sondern auch Vertreter etwa der Gastronomie oder des öffentlichen Beschaffungswesens etwa für Kantinen des Heeres oder Spitälern und Pflegeeinrichtungen die Systemrelevanz der Landwirtschaft samt Versorgungssicherheit ähnlich beurteilen. Eine solche Studie sei aber laut Boku-Professorin Riefler vorerst nicht geplant. Welche Schlüsse generell aus der Studie zu ziehen sind? Riefler: „Das Ergebnis ergibt aus wissenschaftlicher Sicht ein selten eindeutiges Bild.“ Köstinger: „Für möglichst regionalen Einkauf haben wir die Rahmenbedingungen in der öffentlichen Beschaffung mit dem ‚Best- statt Billigstbieterprinzip’ bereits geschaffen. Und die Qualitätsgastronomie kommt ohne genaue Herkunftskennzeichnung nicht mehr aus. Hier bringen Initiativen, wie das Netzwerk Kulinarik oder die Genuss Regionen, Synergien zwischen der Landwirtschaft und dem Tourismus und damit längst zusätzlich Wertschöpfung für beide.“
Die durch die Studie erfragte 91 %-Beurteilung der Systemrelevanz der Landwirtschaft ist zugleich Wasser auf die Mühlen speziell des NÖ. Bauernbundes. Dieser verweist seit Mitte Juni mit einer breit angelegten Kampagne in Niederösterreich und Wien mit Anzeigen, auf 5.000 Großplakaten sowie im Internet auf die täglichen Leistungen der Bäuerinnen und Bauern („Für Dich, für alle, für Österreich!“) und fordert damit, die Eigenversorgung mit Lebensmitteln als Staatsziel in der Verfassung zu verankern. Im Regierungsprogramm von Türkis-Grün wurde diese Forderung eines hohen Selbstversorgungsgrades mit hochwertigen Lebensmitteln bereits am Beginn dieses Jahres als „übergeordnetes Ziel“ aufgenommen.
Als Mitglied dieser Regierung hält auch Elisabeth Köstinger diese Forderung für „ein absolut wichtiges Ziel“, für das sie sich einsetzen werde. Es laufen dazu auch schon Gespräche mit EU- und Verfassungsministerin Karoline Edtstadler. Ob das noch in dieser Legislaturperiode passieren wird? „Das wäre auch mein Wunsch“, betonte Köstinger gegenüber der BauernZeitung.
Bernhard Weber