BZ: Herr Forstdirektor, im Juni hat die Bundesregierung ein 350 Mio. Euro starkes Investitionspaket für die Forstwirtschaft auf den Weg gebracht. Was kann Tirol davon erwarten?

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Landesforstdirektor Josef Fuchs

FUCHS: Um die aktuelle Krise mit extremen Schadholzmengen und Verwerfungen am Holzmarkt zu überstehen sowie unsere heimischen Wälder langfristig an den Klimawandel anzupassen, können die Waldbesitzer und Waldbesitzerinnen dieses frische Geld sehr gut brauchen. Die Bundesregierung hat die schwierige Lage für die Forstwirtschaft erkannt und mit dem Waldfonds ein beachtliches Paket geschnürt. Aktuell sind wir in Abstimmungsgesprächen, sodass wir planmäßig 2021 mit der Umsetzung über einen Zeitraum von vier Jahren starten können. Für Tirol sind Mittel vor allem in den Bereichen Klimawandelanpassung der Wälder und Wiederaufforstung nach Schadereignissen vorgesehen, aber auch Forschungsprojekte und das Thema Waldbrandbekämpfung werden berücksichtigt. 

An wen können sich die Bauern wenden, wenn sie wissen möchten, ob und gegebenenfalls wie auch sie in den Fördergenuss kommen?

FUCHS: Der Tiroler Forstdienst wird das Maßnahmenpaket entsprechend aufbereiten und in die laufenden Förderprogramme einbauen. Zusammen mit der Landwirtschaftskammer Tirol werden wir zeitgerecht informieren. Zur Anpassung der heimischen Wälder an den Klimawandel haben wir bereits heuer mit der Programminitiative „Klimafitter Bergwald Tirol“ gestartet, wurden jedoch durch das Coronavirus etwas eingebremst. Hier hoffen wir auf eine Entspannung der Situation bis zum Frühjahr. Die Mitarbeiter der Bezirksforstinspektionen und Waldaufseher werden wie gewohnt vor Ort zur Verfügung stehen.    

Der Wildeinfluss auf den Zustand des Waldes ist nach wie vor ein bestimmendes Thema. Laut Waldbericht besteht bei 40 Prozent der Tiroler Waldflächen mittlerer bzw. hoher Handlungsbedarf. Wie passen die hohen Investitionen und dieser Wildeinfluss zusammen?

FUCHS: Wir dürfen die unbefriedigende Lage in unseren Wäldern nicht ausschließlich auf das Wild zurückführen. Mit dieser eindimensionalen Betrachtung werden wir den komplexen Zusammenhängen nicht gerecht. Eine schrittweise Bestandesüberführung hin zu standortgerechten, stabileren Mischwäldern kann aber nur funktionieren, wenn der Wildstand dem Lebensraum im Wald angepasst ist. Derzeit sehe ich viele Wälder in dieser Hinsicht überlastet, was durch die Zahlen des Monitoringssystems auch belegt wird. Für Tirol mit mehr als zwei Drittel Schutzwald ist es schlicht und ergreifend eine Schicksalsfrage, ob wir die Bestandsumwandlung hin zu Mischwäldern als Antwort auf den Klimawandel rechtzeitig hinbekommen. 

Was hat die Schutzwaldsicherung mit Haushaltsdisziplin zu tun?

FUCHS: Tirol wäre ohne Schutzwald nicht bewohnbar. Er sichert unseren Lebensraum und ist für unser Land das günstigste und wirksamste Schutzsystem vor den Naturgefahren. Ein Vergleich der Kosten für Erhaltungsmaßnahmen des Schutzwaldes mit jenen von Sanierungsmaßnahmen (Verjüngung) und mit technischen Maßnahmen ergibt eine Relation von 1:15:150. Das heißt, dass der Einsatz von 1.000 Euro für die Erhaltung eines Schutzwalds rund 150.000 Euro an technischen Maßnahmen ersetzt, die notwendig sind, wenn der Schutzwald seine Funktion nicht mehr erfüllen kann.  

Was kann der Forstdienst beitragen?

FUCHS: Der Tiroler Forstdienst sieht sich auch in der Verantwortung, für einen effizienten und zielgerichteten Einsatz der öffentlichen Mittel Sorge zu tragen. Wir haben beispielsweise mit unseren Partnern erfolgreiche Kontrollparameter zur Beurteilung der Waldverjüngung entwickelt, die auf objektiver Basis Schlussfolgerungen zulassen. Die Verjüngungsdynamik wurde erstmals 2016 in Anwendung gebracht, sie bildet nun eine gute Grundlage für Jagdjahrvorbesprechungen. Noch weit entfernt sind wir von der im Jahr 2009 vereinbarten Reduktion des Rotwildes auf den Zielbestand von 20.000 Stück. Im Jahr 2020 wurden rund 37.000 Stück Rotwild gemeldet.

 Wird sich der Forstdienst in dieser Frage also auf das Aufzeigen von Wildschäden beschränken?

FUCHS: Das Aufzeigen von Wildschäden ist zu kurz gegriffen. Wir werden uns seitens des Forstdienstes um eine gemeinsame Weiterentwicklung bemühen. Es wäre doch sinnvoll, wenn nicht nur die Abschussplanung, sondern sämtliche jagdwirtschaftliche Maßnahmen – von der Fütterung bis hin zur Jagdstrategie – über die Reviergrenzen hinaus und in Absprache mit den Reviernachbarn erfolgen würden. Das sieht auch der Tiroler Jägerverband so. Auch über Jagdruhezonen und Wildruhezonen kann man diskutieren. Denn das Schalenwild reagiert auf die Biotopveränderungen sehr flexibel und verlagert sich in andere Einstände. Dadurch entstehen Konzentrationseffekte in den relativ ruhigen, steilen und schwierig bejagbaren Lagen, vor allem hin zum Schutzwald, was die Wildschadensproblematik hier verschärft. Bei diesem Thema zeigt sich die Vielschichtigkeit der wald- und wildökologischen Zusammenhänge. Das bekommen wir nur in den Griff, wenn der Wildbestand an die Tragfähigkeit des Lebensraums Wald angepasst wird. 

BZ: Herr Forstdirektor, vielen Dank für das Gespräch.

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