Der Klimawandel ist Realität, die sich unter anderem in der steigenden Anzahl von Wetterextremen widerspiegelt. Eine gesteigerte Bewusstseinsbildung sowie rasche Gegenmaßnahmen sind erforderlich, um die Erderwärmung, wie im Pariser Klimaabkommen festgeschrieben, bis 2030 möglichst unter 1,5 °C zu begrenzen, erklärten heute in einer Pressekonferenz Kurt Weinberger, Vorstandsvorsitzender der Österreichischen Hagelversicherung, Doris Höpke, Vorstandsmitglied der Münchner Rückversicherung (Munich Re) und Helga Kromp-Kolb, Klimaforscherin und Meteorologin an der Universität für Bodenkultur Wien. Die Hagelversicherung beziffert den Schaden in der heimischen Landwirtschaft durch Extremwetterereignisse im heurigen Jahr auf bisher 220 Mio. Euro, Schäden bei Landwirten ohne Versicherung sind hier noch nicht mit eingerechnet.
“Während wir in den 70er, 80er Jahren noch zirka zehn Hitzetage, also Tage mit mehr als 30 °C hatten, sind es jetzt knapp 30 Hitzetage, also das Dreifache. Das Hauptproblem des mangelnden Klimaschutzes in Österreich kommt aus den CO2-Emissionen des Verkehrs. So sind im Zeitraum 1990 bis 2020 die CO2-Emissionen beim Verkehr um 49,4% gestiegen. Der einzige Sektor, der auf Klima- und Kyotokurs liegt, ist die Landwirtschaft. Im Zeitraum 1990 bis 2020 konnten hier die CO2-Emissionen um 14,3% reduziert werden. Man muss die Angst nehmen, dass Klima- und Bodenschutz Arbeitsplätze kosten, im Gegenteil: Sie bieten die Chance zu einer nachhaltigen regionalen Wirtschaft, die Arbeitsplätze schafft beziehungsweise sichert und auch die Umwelt zum Wohle unserer zukünftigen Generationen schont”, erklärte Weinberger, der einen deutlichen Ausbau des öffentlichen Verkehrs, Anreizsysteme für Fahrgemeinschaften, Kostenwahrheit bei Billigflügen und die Reduktion des Bodenverbrauchs als Teile eines nötigen Maßnahmenbündels sieht.
“In den letzten 25 Jahren wurden 150.000 ha Äcker und Wiesen durch Verbauung aus der Produktion genommen. Das entspricht der gesamten Agrarfläche des Burgenlands. Mit immer mehr verbauter Fläche gefährden wir aber weiter die Lebensmittelversorgungssicherheit Österreichs. Zudem nehmen die Schäden durch Überschwemmung und Dürre mangels Wasser- und CO2-Speicher zu. Das Verkehrsproblem braucht die Bekämpfung der Ursachen, die unter anderem darin liegen, dass heute Lebensmittel zu Weltreisenden geworden sind. So muss jeder sein eigenes Mobilitäts- und Konsumverhalten hinterfragen”, stellte der Vorstandsvorsitzende klar.
Höpke: Gute Lösungen für Naturgefahren
Wie Höpke betonte, seien Ernteausfälle kein Phänomen der Neuzeit, aber der Klimawandel verstärke derartige Ereignisse. “Gerade in der Landwirtschaft gibt es aber gute Lösungen für diese Gefahren. Speziell Hagel, der üblicherweise als lokales Ereignis auftritt, ist als landwirtschaftliches Risiko sehr gut versicherbar. Bei Dürre etwa können weite Teile in Europa gleichzeitig davon betroffen sein, das heißt das Risiko wird hier systemisch”, führte Höpke von der Munich Re aus, die Partner der Österreichischen Hagelversicherung ist und sich mit Spitzenrisiken befasst. Auch das Risiko für Frost steige. Betroffen seien hier vor allem Sonderkulturen, die durch wärmere Temperaturen früher in die Vegetation starten und somit in viel sensibleren Phasen von den tiefen Temperaturen betroffen seien.
“Wir sind verletzlich in jeder Hinsicht unseres Daseins gegenüber Wetterphänomenen, wie etwa auch durch wirtschaftliche Wechselwirkungen, sodass wir die Folgen in anderen Teilen der Welt spüren. Der Klimawandel ist nicht schicksalshaft und wir haben es selbst in der Hand, entschlossen zu handeln. Dabei kommt den Pariser Klimazielen allerhöchste Priorität kommt zu. Unternehmen, Regierungen und die Gesellschaft sind in der Pflicht. CO2-Politik darf aber nicht nur eine Negativliste sein, sondern soll zeigen was man tun kann. Dazu müssen klimafreundliche Technologien besser gefördert und der Marktzugang erleichtert werden. Es braucht ein vorausschauendes Risikomanagement. In dieser Hinsicht ist Österreich bereits weit fortgeschritten: Die Hagelversicherung bietet in Partnerschaft mit Staat und Landwirten eine umfassende Produktpalette, kombiniert mit moderner und rascher Schadenserhebung. Dieses vorausschauende Modell der Risikovorsorge ist im europäischen Umfeld beispielhaft”, lobte Höpke.
Als Maßnahmen zur Begrenzung der Erderwärmung und des Klimawandels schlägt die Expertin etwa eine geänderte Bauweise von Gebäuden an nicht gefährdeten Stellen beziehungsweise in passender Ausrichtung vor. In der Landwirtschaft könnten unter anderem die Entwicklung krankheits- und schädlingsresistenter Sorten sowie geänderte Anbausysteme einen Beitrag leisten.
Kromp-Kolb: Herausforderung der Stunde
Kromp-Kolb erläuterte die Verlässlichkeit von Klimamodellen. “Seit dem ersten Klimasachstandsbericht des IPCC 1990 stimmen die realen Entwicklungen mit den auf wissenschaftlichen Berechnungen basierenden Prognosen erstaunlich gut überein. Die Schwäche von Klimamodellen ist, dass sie eher unterschätzen als überschätzen und das sollte uns zu denken geben”, machte die Wissenschaftlerin aufmerksam. “Wir sollten die Warnungen ernst nehmen. Das im Pariser Klimaabkommen festgelegte Ziel, die Erderwärmung bis 2030 auf möglichst unter 1,5 °C zu begrenzen, rückt rasch näher. Zehn Jahre sind für Maßnahmen eine extrem kurze Zeit, denn in diesem Zeitraum müssen diese schon Wirkung zeigen und das nicht wahrzunehmen, ist grob fahrlässig”, erläuterte Kromp-Kolb.
Wissenschaftliche Untersuchungen zeigten, dass nicht wenige Zivilisationen am Klimawandel gescheitert seien. “Es gibt keinen Grund anzunehmen, dass wir das nicht auch tun. Es kann aber auch etwas wesentlich Besseres passieren, wie mit Maßnahmen zum Klimaschutz, die Fehlentwicklungen unserer Zivilisation zu korrigieren. Das kann insgesamt zu mehr Lebensqualität führen, vorausgesetzt wir stellen uns auf ein geändertes Klima ein. Denn was wir nicht können ist, sich auf ständig ändernde klimatische Verhältnisse anzupassen. Es geht darum die Entwicklung zu bremsen, sodass wir ein konstantes Klima auf höherem Temperaturniveau und nicht höher als plus 1,5 °C bekommen. Das ist die Herausforderung der Stunde und die uns alle trifft”, erläuterte Kromp-Kolb. In der internationalen Wirtschaft und Politik seien bereits Veränderungen zu sehen. Allerdings greife hier das Bewusstsein und nicht das Handeln. Laut Ökonomen sei eine sozialökologische Steuer das Lenkungsinstrument schlechthin.
“Beim Thema Klimaschutz geht es darum, Schäden und Strafzahlungen zu verhindern, um Emotionen, Leben und darum, dass wir die Chance einer wirklichen Verbesserung der Lebensqualität verspielen. Das sollten wir uns nicht leisten”, betonte Kromp-Kolb mit Nachdurch.