Wir sind vielleicht etwas zu rasch gewachsen“, sagt Milchviehhalter Steven Devos (41) rückblickend auf die Entwicklung seines Milchviehbetriebs. Nicht dass er sich finanziell übernommen hätte, aber manche Umwege, Kosten und Teile der Arbeitsbelastung wären vermutlich zu vermeiden gewesen.
Ein Milchviehbetrieb – vom Traum zur Realität
Erstaunlich ist der landwirtschaftliche Lebenslauf Devos’ allemal. Steven stammt aus einem Milchvieh- und Geflügelmastbetrieb in Waregem in Flandern. Weil der Vater noch recht jung war, und der väterliche Betrieb zwei Familien nicht ernähren konnte, machte sich Steven mit seiner Freundin Verlee auf die Suche nach einem Bauernhof. Sogar Amerika, Ungarn oder Ostdeutschland wären infrage gekommen. Fündig wurden die beiden aber bereits in der Gegend von Libramont, in der wallonischen Provinz Luxemburg, etwa 30 km von der Grenze zu Frankreich entfernt. Steven: „Das war im Dezember 1998, gerade vor Weihnachten, ich war damals erst 22, und Verlee war 19. Wir hatten nur zwei Wochen Zeit für die Entscheidung, den Betrieb zu kaufen. Alles war von Schnee bedeckt.“ Stevens und Verlees Traum von einem eigenen Milchviehbetrieb war letztlich stärker als alle Bedenken.
Die weitere Entwicklung verlief ebenso stürmisch. Ausgehend von Anfangs 60 Kühen mit etwa 400.000 kg Quote setzte Steven – neben Wohnhausrenovierung und Familiengründung – auf hohe Milchleistung und betriebliches Wachstum. Es gelang, bis 2015 auf 220 produktive Kühe samt Nachzucht zu wachsen. Die Quote konnte auf 1,4 Mio. kg aufgestockt werden. Da der bestehende Stall mit einem Doppel-Zehner-Fischgrätmelkstand mit der Zeit aus allen Nähten platzte, investierte Familie Devos in einen neuen Boxenlaufstall für 140 Kühe (4-Reiher, beidseitig Futtertische).
Im Stall enthalten ist das Melkzentrum mit zwei automatischen Melksystemen. Als Draufgabe investierte Devos zudem in eine Biogas-Kleinanlage (System Bioelectric), um zumindest einen Teil des jährlichen Strombedarfs aus eigener Produktion zu decken. Der neue Stall ging 2012 in Betrieb. Zu dieser Zeit hatten Devos somit praktisch zwei Kuhställe in Betrieb – den alten mit etwa 90 Bestandskühen, die nicht laufstallgeeignet waren und den neuen, mit den „Roboterkühen“. Gegenüber dem Schnitt von über 10.000 Litern im neuen Stall blieben die Altkühe deutlich zurück, was den Herdendurchschnit auf etwa 8000 kg pro Kuh und Jahr gedrückt hat. Allerdings ist Steven bis auf den heutigen Tag ein Verfechter des Prinzips „Ich behalte alle Kühe“. Tierzukauf sieht er aufgrund von Ausfällen und Problemen mit Fundamenten und Fruchtbarkeit generell kritisch.
Die im Jahr 2015 sich immer stärker abzeichnende Marktkrise und auch Betriebsbesichtigungen in den neuen Bundesländern in Deutschland stimmten Steven nachdenklich. Steven: „Im Rahmen der European Dairy Farmers, wo ich die Mitgliedschaft für sehr wertvoll halte, kamen wir nach Ostdeutschland. Die Betriebe dort waren doppelt so groß und können intensiv Mais anbauen. Mir wurde klar, dass ich da in unserer Mais-Grenzlage auf über 400 Metern Seehöhe langfristig nicht mit kann.“ Dass sein Weg Richtung Bio geht, war Steven damals rasch klar. Allerdings war die Abnahme der Milch nicht gesichert. Stevens Molkerei, die genossenschaftliche „Laiterie des Ardennes“ (1200 Mitglieder, ca. eine Milliarde Kilogramm Jahresverarbeitung), wollte zwar Bio forcieren, hatte damals aber die geplante Menge mehrfach überzeichnet. Erst knapp vor Torschluss, Ende 2015, wurde klar, dass Devos als Biolieferant durchstarten kann.
Ab 1. Jänner 50 Cent Milchgeld
Die Bioumstellung hatte auch für das Herdenmanagement weitreichende Folgen. Steven entschied sich, die reine Holsteinherde auf eine Kreuzung mit Montbeliard und Scandinavian Red umzustellen (siehe Kasten). Zudem wurden die Futterkosten ein wesentlicher Bestimmungsfaktor für das angestrebte Leistungsniveau. Weil die Produktion von Biomais in der Region kaum infrage kommt, konzentriert sich Steven rein auf die Grassilage als Grundfutter. Biomais kauft er aus den nächstgelegenen Anbauregionen in Frankreich zu. Die Kostenrelationen von Biofutter zum in der Umstellungszeit weiterhin konventionellen Milchpreis (derzeit 32 Cent/kg) ließen Steven das Leistungsniveau auf etwa 6000 kg pro Kuh und Jahr zurücknehmen. Längerfristig sieht er seine Bioherde auf einem Jahresschnitt von etwa 7500 kg. Am 1. Jänner 2018 wird für Steven Devos die Durststrecke der Umstellungszeit zu Ende sein. Sein Milchgeld steigt dann auf 50 Cent/kg.
Dreirassen-Kreuzung: Steven Devos: „Ich liebe diese Tiere“
Mit der Umstellung auf Bio hat Steven Devos auch den reinen Holsteins Adieu gesagt. Im August 2015 hat er begonnen, einen Montbeliard-Stier einzusetzen. Dafür wurde sogar ein eigener Stier eingestallt. Das Kreuzungsprodukt wird in weiterer Folge mit Scandinavian Red bzw. Viking Red belegt. Diese in Schweden, Finnland und Dänemark heimische, mittelrahmige Milchlinie hat nur einen geringen Holstein-Blutanteil. Die Tiere gelten bei guter Milchleistung als robust und gesund und zeichnen sich durch gute Fruchtbarkeit und vor allem Leichtkalbigkeit aus. Im dritten Schritt wird wieder mit Holstein zurückgekreuzt. Laut Steven haben sich seine Erwartungen bisher erfüllt. Vor allem aufgrund der Leichtkalbigkeit sagt er: „Ich liebe diese Tiere.“ Den Leistungseffekt der Kreuzung vermag er nicht zu beziffern, da sich die Kreuzungszucht mit der Bioumstellung überlagert.
Hans Maad