
In Sachen Mineraldünger ist die Europäische Union nach wie vor von Importen aus Russland, einem der größten Exporteure am Weltmarkt, abhängig. So gelangten 2023 3,6 Mio. Tonnen Dünger im Wert von 1,28 Mrd. Euro auf den EU-Markt, immerhin ein Viertel der Gesamteinfuhren. 2024 soll der Anteil nochmals gestiegen sein, schreibt Euractiv.
Aus europäischer Sicht sei dies insofern problematisch, da Russland mittlerweile Exportsteuern einhebt. Jede importierte Tonne Dünger spült somit auch Geld in den russischen Staatshaushalt und die Kriegskasse des Kreml. Im Mai 2024 wurden aus diesem Grund Zölle auf russisches Getreide und Ölsaaten durchgesetzt. Bei Dünger waren sich die Staats- und Regierungschefs lange Zeit uneins, man wolle die Ernährungssicherheit nicht gefährden, hieß es mehrfach.
100 Prozent Zollaufschlag
Dennoch hat die EU-Kommission diese Woche einen Vorschlag zur Einführung von Zöllen auf eine Reihe von Agrarerzeugnissen aus Russland und Belarus sowie auf bestimmte Düngemittel vorgelegt. „Wir wollen Russlands Kriegswirtschaft weiter schwächen und gleichzeitig die Abhängigkeiten der EU verringern“, schildert Handelskommissar Maroš Šefčovič die Hintergründe. Die im Vorschlag enthaltenen Zölle seien „sorgfältig kalibriert, um diese Ziele zu erreichen“.
Šefčovič: „Wir wollen Russlands Kriegswirtschaft weiter schwächen und gleichzeitig die Abhängigkeiten der EU verringern.“
Im Detail sollen die Zölle auf alle aus Russland und Belarus importierten Lebensmittel und Agrarprodukte mit Juli um 50 Prozent ihres Wertes erhöht werden. Über einen Zeitraum von drei Jahren sollen jene für Dünger von derzeit 6,5 auf 100 Prozent steigen. Bei aktuellen Weltmarktpreisen entspräche das bei Stickstoffdünger laut Euractiv einem Betrag von etwa 315 Euro je Tonne.
Copa-Cogeca erwartet Preisanstieg
Strikt gegen den Vorschlag von Handelskommissar Šefčovič positioniert sich übrigens Copa-Cogeca, der Dachverband der Bauern und ländlichen Genossenschaften. Die Bauern der EU würden bald „mit dem Rücken zur Wand“ stehen, teilt man per Aussendung mit. Die Düngemittelproduktion am Kontinent sei nicht ausreichend und „Importe unvermeidlich“. Zwar seien die geopolitischen Beweggründe der Kommission legitim, die Umsetzung aber fragwürdig, schreibt der Verband: „Die europäischen Landwirte haben derzeit keine Garantien dafür, dass der Mangel an Düngemitteln durch eine erhöhte inländische Produktion zu einem wettbewerbsfähigen Preis ausgeglichen wird.“ Sollten die Handelshemmnisse wie vorgeschlagen umgesetzt werden, rechnet Copa-Cogeca in der kommenden Saison mit einem Anstieg der Düngerpreise von zumindest 40 bis 45 Euro je Tonne.
Kommission kontert mit Schutzmaßnahmen
Šefčovič hält dagegen: „Wir werden alle notwendigen Schritte unternehmen, um unsere Düngemittelindustrie und unsere Landwirte zu schützen.“ Konkret sind für vier Jahre Schutzmaßnahmen vorgesehen, die bei einem Preisanstieg über das Niveau von 2024 hinaus ein Aussetzen der Zölle ermöglichen sollen. Weiters erwartet die Kommission, dass der Importstopp aus Russland die Düngemittelproduktion in der EU ankurbeln und neue Bezugsquellen eröffnen wird. Sollte dies nicht passieren und Dünger tatsächlich knapp und teuer werden, plant Brüssel außerdem „Ausgleichsmaßnahmen für Landwirte“, welche man vorerst nicht näher erörtert.
Drittländer nicht betroffen
Unberührt von den Zolleinschränkungen sollen übrigens Transitfuhren in Drittstaaten sein. Die Durchfuhr sämtlicher landwirtschaftlicher Erzeugnisse und Düngemittel aus Russland und Belarus in Entwicklungsländer werde jedenfalls gewährleistet. Weder der An- und Verkauf russischer Agrarerzeugnisse noch die Lagerung in EU-Zolllagern oder der Transport auf EU-Schiffen werde eingeschränkt.
Der Vorschlag der Kommission bedarf nun noch der Zustimmung von EU-Parlament und Rat. Sollten diese mit qualifizierter Mehrheit zustimmen, würden alle Agrareinfuhren aus Russland erhöhten EU-Zöllen unterliegen.
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