Droht unserem Stickstoff nun das Aus?

Mit dem geplanten Verkauf der Düngemittel- und Melaminsparte der Borealis an den tschechischen Agrarkonzern Agrofert rückt die heimische Mineraldüngerversorgung in den Fokus.

Nitrathaltige Düngemittel werden nur noch in Linz produziert. Foto: kyrychukvitaliy - Stock.adobe.com

Der Bedarf an Düngemitteln ist in den vergangenen Jahren kontinuierlich und zuletzt massiv zurückgegangen. Laut Agrarmarkt Austria wurden 2021 lediglich 94.319 Tonnen Stickstoff, 22.347 Tonnen Phosphor sowie 32.231 Tonnen Kali erstmalig in Österreich in Verkehr gebracht. Dies entspricht einem Rückgang bei Stickstoff und Phosphor von 20 Prozent gegenüber dem Jahr zuvor. Zum Vergleich: 2016 lag die abgesetzte Menge bei Stickstoff noch über 132.000 Tonnen.

Produktion in Linz und Pischelsdorf
In Österreich befassen sich derzeit rund 400 Lagerhäuser und Agrarhändler an über 1000 Standorten mit der Vermarktung von Düngemitteln. Produziert wird allerdings nur in zwei Fabriken, nämlich Linz und Pischelsdorf, wobei insgesamt 1,55 Mio. Tonnen Mineraldünger hergestellt werden.

Produktion Timac Agro in Pischelsdorf (NÖ):

  • Hyperphosphat
  • PK-Düngemittel
  • Granulierte Spezialdünger

Laut eigenen Angaben der Tochtergesellschaft der französischen Groupe Roullier,  verlassen jährlich 250.000 Tonnen Dünger das Werk an der Donau. 80 Prozent davon sind für den Export bestimmt, vor allem nach Ost- bzw. Zentraleuropa.

Produktion Borealis L.A.T. in Linz:

  • Kalkammonsalpeter
  • NPK-Düngemittel

An allen Borealis Standorten werden über 4 Mio. Tonnen Dünger pro Jahr erzeugt.

Was auf dem Spiel steht
Mit dem Verkauf von Borealis L.A.T. steht nun Österreichs einzige Produktionsstätte für nitrathaltige Düngemittel zusammen mit drei Fabriken in Frankreich und einer im deutschen Wittenberg zum Verkauf. Während die russisch-schweizerische EuroChem im Februar noch 455 Mio. Euro bot und keine Zusage erhielt, sind mittlerweile 810 Mio. Euro auf dem Tisch, also satte 355 Mio. Euro mehr als zuletzt.
Potenzieller Käufer ist der tschechische Konzern Agrofert, Eigentum des Milliardärs und Ex-Ministerpräsidenten Andrej Babis, welcher in Mitteleuropa in den Bereichen Landwirtschaft, Lebensmittelproduktion und Chemie bereits Milliardenumsätze erwirtschaftet. Begründet wird der Verkauf durch die OMV, als Muttergesellschaft der Borealis, mit einer Rückbesinnung auf das Kerngeschäft. „Wir haben bereits 2020 gesagt, dass wir für dieses Geschäft aus strategischen Gründen einen Käufer suchen“, sagt der Vorstandsvorsitzende der OMV, Alfred Stern.

Lautstarke Kritik der Bauernvertreter
Von bäuerlicher Seite wird die Auslagerung der Düngemittelsparte mit Besorgnis betrachtet. Allen voran üben der Obmann Stephan Pernkopf und Direktor Paul Nemecek vom NÖ Bauernbund Kritik: „Alle reden von Versorgungssicherheit, und dann verkauft ein teilstaatliches Unternehmen – ohne jedwede Not – die strategisch für die Eigenversorgung so wichtige Düngemittelsparte.“ und geben zu bedenken: „Bei allem Verständnis für wirtschaftliche Überlegungen: Krisensicherheit sollte gerade angesichts der aktuellen Lage in Europa vor Profitmaximierung gehen.“ Andreas Pfaller, Referatsleiter für pflanzliche Erzeugnis in der LK Österreich, weist vor allem auf die potenzielle Kräfteverschiebung hin: „Wenn zwei Düngemittelhersteller dieser Größe fusionieren, hat das natürlich Auswirkungen. Die Marktmacht der Anbieter wird weiter zunehmen.“
Mit Versorgungsengpässen sei wegen eines Verkaufs jedoch nicht zu rechnen, war sich der Agrarhandel schon beim möglichen Deal mit der EuroChem im Frühjahr einig, da das Linzer Werk technisch auf dem neuesten Stand sei. Zum aktuellen Kaufangebot zeigt man sich, mit Verweis auf die anlaufenden Prüfungen der möglichen Verschiebungen am Wettbewerb, abwartend.

Weder Infos noch Garantien
Ob der Verkauf der Düngemittelsparte auch unmittelbare Auswirkungen auf die Produktion am Standort Linz hat, ist bisher nicht bekannt. Auf Nachfrage gibt man sich in der Borealis Group bedeckt. Zum aktuellen Verkaufsprozess könne man keine weiteren Informationen oder Garantien geben, heißt es.
Fakt ist, mit dem Verkauf der Borealis Düngemittelsparte wird der letzte heimische Hersteller nitrathaltiger Düngemittel abgestoßen. Der Kreis der Anbieter wird kleiner. Damit wird sich auch das (Un-)Gleichgewicht am ohnehin angespannten Düngermarkt weiter verschärfen. Die Abwicklung des Deals wird noch in der zweiten Jahreshälfte erwartet.
www.borealisgroup.com
www.agrofert.cz/en

Clemens Wieltsch

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AUTORRed. SN
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