Die EU-Kommission will das Zulassungsverfahren für Wirkstoffe in Pflanzenschutzmitteln ändern. Nicht mehr das eventuelle Risiko einer Gefährdung der Gesundheit von Mensch, Tier und Umwelt soll für die Zulassung eines Wirkstoffes maßgeblich sein, sondern bereits die Gefahr, die von einem Wirkstoff ausgeht. Das heißt, es bleibe bei der Zulassung künftig unberücksichtigt, wie viel von einer Substanz tatsächlich ein Mensch aufnehmen könnte bzw. in der Umwelt wirksam würde. Stattdessen würden Substanzen mit bestimmten gefährlichen Eigenschaften pauschal verboten. Laut Auswertungen der Industriegruppe Pflanzenschutz (IGP) würde ein solches Reglement etwa 75 von derzeit insgesamt 400 verfügbaren Wirkstoffen die Zulassung entziehen.
Pflanzenschutz sichert über ein Drittel der Erträge
Laut IGP Obmann Christian Stockmar wären einzelne wichtige Wirkstoffklassen besonders betroffen. Beispielsweise würden bei den Getreidefungiziden die Triazole gänzlich entfallen – und damit die derzeit zehn wichtigsten Fungizide in Europa. Bei den verbleibenden Wirkstoffen aus den Gruppen der Strobilurine und Carboxamide würde das Resistenzrisiko deutlich zunehmen. Stockmar: “Dieser Wirkstoffkahlschlag gefährdet die Sicherheit der Nahrungsmittel.” Ohne wirksame Fungizide könnten Pilzgifte (Mykotoxine) mit schwerwiegenden gesundheitlichen Folgen erneut auftreten.
Zu den Auswirkungen des gefahrenbasierten Ansatzes haben Landwir- teverbände und Industrie eine europaweit angelegte Studie erstellen lassen. Deren Ergebnisse sind eindeutig:
• Der Ertrag bei landwirtschaftlichen Hauptkulturen würde stark fallen (z. B. um 35 % bei Zuckerrüben, je 25 % bei Kartoffeln und Raps und zwischen 10 und 20 % bei Mais, Weizen, Wein und Gerste).
• Der finanzielle Ertrag könnte um jährlich 412 Mio. Euro bzw. 27 % sinken.
• Der Importbedarf bei den genannten Kulturen würde deutlich steigen – im Mittel um etwa 20 %.
• Durch eine deutlich verringerte Wirtschaftlichkeit wären Hunderttausende Arbeitsplätze in der Landwirtschaft betroffen (in Österreich 30.000 von aktuell 61.000).
Auch die LK Österreich will diesen Kahlschlag bei Pflanzenschutzmitteln so nicht hinnehmen und steht hinter der Studie. Generalsekretär Josef Plank: “Nach der Logik des gefahrenbasierten Ansatzes müsste man auch das Autofahren verbieten. Was hier geplant ist, widerspricht der menschlichen Erfahrung und schafft mehr Probleme, als es löst.”
Noch bis Mitte November wollen Pflanzenschutzindustrie und Landwirteverbände ihre Argumente in Brüssel präsentieren und damit der für im Jahr 2017 vorgesehenen Beschlussfassung der neuen Bestimmungen entgegenwirken.
Hans Maad