Anlässlich der erstmals abgehaltenen Frühjahrstagung des Österreichischen Tiergesundheitsdienstes (TGD), am 7. April 2016 in der vetmeduni Wien, haben Vertreter von Tierärzteschaft, Behörde und Landwirtschaft Bilanz gezogen über die seit der Gründung des TGD im Jahr 2002 erzielten Arbeitsergebnisse.
Laut Ulrich Herzog, Leiter des Bereichs Verbrauchergesundheit und Veterinärwesen im Bundesministerium für Gesundheit (BMG), Vorsitzender des Beirats “Tiergesundheitsdienst Österreich” bildet das Tierarzneimittelkontrollgesetz den rechtlichen Rahmen für die Organisation des Tiergesundheitsdienstes. Der TGD ist bundesländerweise organisiert; zur österreichweiten Koordination wurde im BMG der Beirat “Österreichischer Tiergesundheitsdienst” eingerichtet. Zur fachlichen Unterstützung des Beirats tagen zudem tierartenspezifische Arbeitsgruppen.
Herzog: “Das Österreichische TGD-System ist auf Grund der Gestaltung als Öffentlich-private Partnerschaft (Privat-public-Partnership-Modell) in Europa einzigartig. Der TGD ersetzt dabei nicht die amtliche Kontrolle, sondern dient den Tierhaltern bei der Erfüllung ihrer Eigenkontrollverpflichtung. Diese Verpflichtung zur Eigenkontrolle ergibt sich aus dem seit dem Jahr 2004 in Kraft befindlichen Lebensmittelrecht auch für die Primärproduzenten.
Ohne Diagnose kein Medikament
Ein wichtiger Baustein des TGD ist laut Herzog die Zusammenarbeit von Tierärzten und Tierhaltern. Dabei ermöglicht das Tierarzneimittelkontrollgesetz die Einbindung des Tierhalters in die Anwendung von Tierarzneimitteln. Es gelte jedoch in diesem Zusammenhang der Grundsatz, dass ein Medikament ausschließlich aufgrund einer tierärztlichen Diagnose verabreicht werden darf. Herzog: “Ohne Diagnose kein Medikament.”
Zum Themenkreis Antibiotikaeinsatz in der Tierhaltung stellte Herzog fest, dass aufgrund der Zuständigkeit des BMG “eine sinnvolle Gesprächskultur” zwischen Human- und Veterinärmedizin gegeben sei. Ein Antibiotikaeinsatz bei Tieren sei immer dann gerechtfertigt, wenn es gelte, Krankheit, Leid und Schmerz zu verhindern. Es gebe keine Tierhaltung ohne Antibiotika, so Herzog, aber es sei unzulässig, schlechte Haltungsbedingungen mit Antibiotika zu kaschieren. Derzeit laufen auf Ebene der landwirtschaftlichen Produzenten Projekte zur Erfassung des Antibiotikaeinsatzes in der Tierhaltung (z. B. elektronisches Stallbuch im Rinderbereich oder die Antibiotika-Erfassung in der Schweinehaltung). Im BMG werden ab Jahresmitte dieses Jahres erstmals Auswertungen vorliegen, in welchen Mengen Antibiotika von den Herstellern an die tierärztlichen Hausapotheken abgegeben werden.
Überblicksweise stellte Herzog fest, dass derzeit in Österreich jährlich etwa 53 Tonnen Antibiotika an Tiere verabreicht werden. Damit sei der Antibiotikaeinsatz binnen der zurückliegenden fünf bis sechs Jahre in Summe um etwa neun Tonnen jährlich reduziert worden.
Frühwirt: Positivliste evaluieren
Seitens der Österreichischen Tierärztekammer bekundete Präsident Kurt Frühwirt das Interesse der Tierärzteschaft an einer Weiterentwicklung des TGD. Vorschläge gebe es bereits in den Bereichen Tierwohl, Tierschutz und Antibiotikaeinsatz-Minimierung. Eine Herausforderung für die Tierärzteschaft sei der hohe Dokumentationsaufwand. Nachholbedarf sah Frühwirt bei den Methoden der Schmerzlinderung etwa bei der Ferkelkastration, beim Schwanzkupieren und beim Enthornen von Kälbern. Einen eher kritischen Standpunkt nahm der oberste Interessenvertreter der Veterinäre bezüglich der sog. “Positivliste” ein; diese sei zu evaluieren, meinte Frühwirt.
Reisecker: Qualität geht vor Masse
Franz Reisecker, Präsident der LK OÖ und Vizepräsident der LK Österreich stellte seitens der Landwirtschaft fest, dass der TGD “ein wichtiger Partner” sei, um in der Lebensmittelproduktion Qualität und Sicherheit bieten zu können. Dies sei für Österreichs Bauern besonders wichtig, denn mit reiner Massenproduktion könne die hierzulande kleinstrukturierte Tierhaltung dem Wettbewerbsdruck auf den offenen Märkten nicht standhalten.
In der Einbindung der Landwirte in die Behandlung der Tiere sieht Reisecker einen Vorteil. Denn der Tierhalter sehe bei den täglichen Stallrundgängen als erster, ob Krankheiten im Anmarsch sind. Es sei sinnvoll, in solchen Situationen rasch handeln zu können. Dies sei ein wichtiger Baustein auf dem Weg zu einem reduzierten Medikamenteneinsatz und zu gesünderen Tieren.
Rund 40.000 Betriebe werden von 712 Tierärzten betreut
Im Rahmen des Österreichischen Tiergesundheitsdienstes wurden zum Stichtag 1. Jänner 2016 rund 40.000 Betriebe von 712 Betreuungstierärzten betreut. Nach Tierkategorien betrachtet unterliegen bei Geflügel etwa 85 Prozent der rund 11 Millionen Tiere der TGD-Betreuung. Von den 2,8 Millionen gehaltenen Schweinen sind mehr als 91 Prozent im TGD erfasst. Und bei den rund 2 Millionen Rindern beträgt der Betreuungsanteil durch den TGD etwa 66 Prozent. ?Dass die Betreuungsanteile im Rahmen des TGD nicht noch höher sind, liegt an Kleinsttierbeständen (einige Rinder, ein paar Schweine, …) die nicht vom TGD erfasst sind; weiters sind auch die Tierärzte nicht vollständig im Rahmen des TGD organisiert. Grundsätzlich ist die Mitgliedschaft beim TGD für Tierärzte und Landwirte auf freiwilliger Basis vorgesehen. Allerdings schreiben verschiede Produktionsprogramme (z.B. AMA-Gütesiegel) einen Betreuungsvertrag im Rahmen des TGD vor.