Bio genügt sich selbst als Nische. Schade

Kommentar von Thomas Weber,
Herausgeber von Biorama und Buchautor.

Wenn es um Bio geht, bin ich begeistert und auch gnadenlos unromantisch. Denn natürlich ist Bio als Betriebsweise zuallererst ein Regelwerk und mit dem wachsenden Erfolg von der reinen Produktionsweise zum Industriestandard geworden. Als solcher ist Bio Lobbying und Einflussnahme ausgesetzt. Schließlich haben Bäuerinnen und Bauern nicht immer die gleichen Interessen wie Verarbeitungsbetriebe oder Handelskonzerne, und Konsumenten haben mitunter sowieso andere Erwartungen. Manches unterliegt auch dem Wandel. 

Aktuelles Beispiel: die strengere Auslegung der Weidepflicht für Biohöfe. Österreich hat das bereits hinter sich. Deutschlands Biotierhalter jammern gerade über die als solche empfundene Zumutung. Aus österreichischer Sicht muss man da sagen: Sorry, da müsst ihr durch.

Bio ist trotzdem mehr als ein Vermarktungskonzept. Zuletzt rief das ein Podcast-Interview („Bauer to the people“) mit dem heute 86-jährigen Josef Riegler in Erinnerung, Ex-Vizekanzler und Begründer der Ökosozialen Marktwirtschaft. Er legitimierte einst den Biolandbau und leitete so die unglaubliche Erfolgsgeschichte von Bio in Österreich ein. Dass heute die Bioabsätze trotz Krise stabil bleiben, ja teils sogar Zuwächse haben, ändert freilich nichts am Eindruck, dass der Bio-Bewegung die einstige Dynamik abhanden kam. Vielleicht auch, weil man sich selbst als Nische für bewusster Lebende und Besserverdiener genügt. Wann hat man zuletzt Forderungen nach „mehr Bio!“ gehört? Wer 70, gar 100 Prozent Bio als Ziel fordern würde, wäre als Spinner verschrien. Schade. Als gäbe es eine gottgegebene Obergrenze für Bioprodukte.

weber@biorama.eu

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  • Weber Thomas: Michael Mickl
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