Im Interview: Anton Hafellner, Obmann des Almwirtschaftsvereins, nach der Kuh-Attacke über Existenzbedrohung, fehlendes Verständnis und klare Regeln.
NEUES LAND: Es ist ein tragischer Fall. Nach einer tödlichen Kuh-Attacke im Sommer 2014 auf einer Alm in Tirol, wo eine deutsche Touristin mit Hund von Kühen angegriffen wurde, wurde der Bauer zivilrechtlich in erster Instanz zu einer Schadensersatz-Forderungen von 490.000 Euro verurteilt. Was bedeutet das nun?
Anton Hafellner: Wir haben hier eine besonders makabere Situation. Der betroffene Landwirt wurde vor dem obersten Gerichtshof bereits strafrechtlich freigesprochen. Zivilrechtlich wurde er nun in erster Instanz verurteilt. Wir können also nur hoffen, dass es für ihn positiv ausgeht. Die Signalwirkung ist in diesem Fall enorm.
NL: Was sollen die verunsicherten Bauern, die Tiere auf die Alm treiben, nun machen?
Hafellner: Wir brauchen Planungssicherheit. Deshalb hoffen wir, dass es schnell zu einem endgültigen Urteil kommt. Denn diese Rechtsunsicherheit wäre für die betroffenen Landwirte ein enormer Einschnitt. Denn wenn man die Almwirtschaft aufgeben müsste, würde das auch wirtschaftlich existenzbedrohend sein.
NL: In der Urteilsbegründung wurde ja auch von der Möglichkeit gesprochen, dass man den betroffenen Weg einzäunen hätte können. Was halten Sie von dieser Aussage?
Hafellner: In Ausnahmefällen ist ein Zaun sicher eine Lösung. Das wäre gerade bei kurzen Distanzen, zum Beispiel vom Parkplatz zu einer Versorgerhütte, möglich. Doch auf den meisten Almen kann man einen Wanderweg einfach nicht auszäunen. Das hat mehrere Gründe: das Gelände ist meist weitläufig, auf dem felsigen Untergrund kann man keine Stecken stellen und der Arbeits- und Betreuungsaufwand wäre enorm. Abgesehen davon entspricht dies nicht der almwirtschaftlichen Tradition.
NL: Wie viele steirische Bauern sind von diesem weisenden Urteil überhaupt betroffen?
Hafellner: Wir haben in der Steiermark rund 3700 Almen, auf denen über 5.400 Bauern ihre Tiere auftreiben. Eine Aufgabe dieser so wichtigen Tätigkeit hätte dramatische Folgen.
NL: Was meinen Sie damit?
Hafellner: Die Gesellschaft ist sich der Leistungen unserer Almbauern nicht bewusst. Nicht nur gesunde Lebensmittel werden produziert, gepflegte Almen tragen auch wesentlich zum Katastrophenschutz bei. Durch die Beweidung wird das Wasserhaltevermögen der Almböden enorm gesteigert, Siedlungsräume vor Überschwemmungen besser geschützt. Außerdem ist die Artenvielfalt auf diesen Flächen enorm.
NL: Rechtlich dürfen Almen ja gar nicht betreten werden, da dieses Recht ja nur auf Forstflächen besteht. Wie geht man damit um?
Hafellner: Das Betreten und somit das Bewandern wird von den Grundeigentümern geduldet, da Freizeitnutzer ja grundsätzlich auf den Almen willkommen sind. Uns ist dabei wichtig, dass sie sich an Regeln halten, die Almen nicht verschmutzen und Tieren mit Respekt begegnen. Es kann ja nicht sein, dass Mountainbiker durch eine Herde liegender Rinder düsen. Die Almwirtschaft hat immer Vorrang.
NL: Wie sieht nun die Zukunft aus? Eine funktionierende Almwirtschaft ist ja Grundlage für den Tourismus.
Hafellner: Wir müssen uns gemeinsam Gedanken machen, wie man Naturnutzer über das richtige Verhalten auf Almflächen mit Tieren aufklären kann. Auch die Haftungsfrage muss geklärt werden. Geeignete Versicherungsmodelle könnten Abhilfe schaffen.
Zur Person
Anton Hafellner ist seit 2007 Obmann des steirischen Almwirtschaftsvereins. Er führt mit seiner Familie einen Bergbauernbetrieb mit Almochsenproduktion in Proleb. Als Raumberg-Absolvent engagiert er sich für die heimischen Almbauern. Der sogenannte „Tag der Almen“ liegt ihm besonders am Herzen. Dabei helfen Freiwillige bei der Almpflege.
Text: Karlheinz Lind