Der Wolf hat wieder zugeschlagen – und diesmal im ganz großen Stil. Von 196 auf die Lavanter Alm aufgetriebenen Schafen und fünf Eseln konnten am Samstag nur mehr 100 Tiere ins Tal getrieben werden. 20 bis 30 Schafe wurden tot aufgefunden, rund 65 Stück der Herde werden noch gesucht. (Stand zum Redaktionsschluss am Dienstag, 12 Uhr)
Almen mit Wolf nicht vereinbar
„Es werden jährlich circa 200 Schafe auf die Almen getrieben, um die Kulturlandschaft zu pflegen. Die Schafhalter, die ihre Tiere bisher aufgetrieben haben, überlegen, ihre Tiere nächstes Jahr nicht mehr auf die Alm zu bringen. Klar, dass sie nicht das ganze Jahr arbeiten wollen, um ihre Schafe dann an den Wolf zu verfüttern“, so der Lavanter Ortsbauernobmann und Bezirksbauernobmann-Stv. Konrad Kreuzer. „Wir haben dieselbe Problematik wie ganz Tirol – unsere Art von Almwirtschaft ist mit dem Wolf nicht vereinbar.“
Dieselbe Meinung vertritt auch der Osttiroler Landtagsabgeordnete Hermann Kuenz. „Die Alm in Lavant liegt extrem abgelegen und ist nicht erschlossen. Es gibt keine Zufahrt, der Weg auf die Alm ist bloß ein Steig und benötigt rund eine Stunde – wie soll bei solchen Bedingungen ein Herdenschutzzaun ermöglicht werden?“, fragt sich Kuenz. Zudem verteilen sich die Schafe gerne im gesamten weitläufigen Gebiet.
Herdenschutzesel verletzt
Als Ergänzung zu seiner Schafherde trieb der Bauer Johann Hanser heuer auch fünf Esel mit auf die Alm. „Ich verfolge seit einiger Zeit Berichte von Eseln als Herdenschutztiere aus Neuseeland, der Schweiz und anderen Ländern“, so Hanser. Seine eigenen Esel konnten gegen den Beutegreifer Wolf jedoch nichts ausrichten – einer der Esel wurde am Hinterbein gebissen, die anderen Tiere sind verschreckt. „Der Esel bot keinerlei Schutz für die Schafherde.“ In einem offenen Brief schreibt Hanser: „Wir fordern Unterstützung für die Wahrung der Kulturlandschaften auf unseren Almen, für die Aufrechterhaltung der sonst schon geringen Überlebensfähigkeit von Schafzüchtern und Bauern und vor allem für die längst schon überfällig gewordene Umsetzung von Tierschutz. Das grausame Leid, das unseren heimischen Nutztieren wiederfährt, darf nicht mehr diskutiert werden, es muss unverzüglich gehandelt werden.“ Der Beitrag fand großen Anklang in der bäuerlichen Gemeinschaft, er wurde über 460 Mal auf Facebook geteilt.
Mehr Verständnis für Bauern
Der Osttiroler Bezirksbauernobmann Martin Mayerl sieht in der raschen und unbürokratischen Entnahme des Raubtieres Wolf die einzige Chance für den Erhalt der traditionellen Almwirtschaft. „Herdenschutz ist im Großteil Tirols nicht möglich und nicht finanzierbar. Der Bauernbund setzt sich bereits auf EU,- Bundes- und Landesebene ein, um den Schutzstatus des Raubtieres Wolf zu senken. Leider stemmen sich die Wolfsbefürworter gegen dieses Vorhaben. Wir brauchen mehr Verständnis und Unterstützung für die Situation der Almbauern vonseiten der Bevölkerung, des Tourismus und auch der Jagd“, meint Martin Mayerl. „Die Lavanter Alm wurde vor wenigen Jahren noch mit Rindern bestoßen und behirtet. Durch den Rückgang der Rinderzahlen und fehlende Erschließung werden jetzt nur mehr Schafe aufgetrieben. Wie lang wohl noch? Im Sommer nutzt jeder gerne Tirols Almwelt, im Winter sind wir froh um den Schutz vor Lawinen, den eine beständige Almwirtschaft mit sich bringt. Schützen wir also diesen hochwertigen Lebens- und Wirtschaftsraum, von dem wir alle profitieren.“
„Zwar werden die eindeutig vom Wolf gerissenen Schafe durch das Land Tirol entschädigt, für die verschwundenen Schafe und jene ohne DNA-Nachweis gerissenen Tiere erhält der geschädigte Bauer jedoch keine Entschädigungszahlung. An diesem System muss noch gefeilt werden, sonst stehen die Ställe bald leer“, fordert Ortsbauernobmann Kreuzer.
Kuenz meint dazu: „Der Schaden, den der Wolf anrichtet, ist viel weitreichender als nur Tierleid und -tod. Verloren geht der Zuchtwert der Tiere, die Motivation der Bauern und zu guter Letzt auch die Tiroler Almwirtschaft.“
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