Agrarökonom fürchtet um Zukunft vieler Bauern

Michael Schmitz sieht große Teile der Landwirtschaft in ihrer Existenz bedroht. Dabei brauche die Gesellschaft die Bauern nicht nur zur Ernährungssicherung, sondern gerade auch für die Belange des Umwelt-, Klima- und Tierschutzes, so der Agrarwissenschaftler.

Michal Schmitz meint: Aus Sicht der Landwirte werde im Namen des Umwelt-, Klima- und Tierschutzes zu viel auf einmal verlangt. Auch würden zu schnelle Anpassungen erwartet. Foto: F3.de

Der emeritierte Professor der Universität Gießen hat laut Agra Europe in einem Papier die aktuelle Situation des Agrarsektors in Deutschland beleuchtet. Und kommt dabei zu dem Schluss: Aus Sicht der Landwirte werde im Namen des Umwelt-, Klima- und Tierschutzes zu viel auf einmal verlangt. Auch würden zu schnelle Anpassungen erwartet. Außerdem werde von der Politik oft zu einseitig im nationalen Alleingang gehandelt, wobei „zu marktferne Instrumente“ zum Einsatz kämen, kritisiert Schmitz.
Nach Ansicht des Agrarökonomen kommt es im Sinn der Nachhaltigkeit maßgeblich darauf an, die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit der Landwirtschaft zu erhalten. Dann seien die Landwirte auch in der Lage und bereit dazu, mehr für den Umwelt-, Klima- und Tierschutz zu tun. Am Willen dazu mangele es den Bauern jedenfalls nicht. Die Politik für diese Schutzgüter sollte allerdings mit sehr viel mehr Augenmaß betrieben werden; eine Überreaktion dürfe es nicht geben, warnt Schmitz.
Allzu drastische Eingriffe und Wendemanöver in der Agrar- und Ernährungspolitik seien zu vermeiden, auch um „die Chancen einer Korrektur wahren zu können“, ist der Wissenschaftler überzeugt. Es brauche besser „weiche, marktnahe Eingriffe“ sowie ausreichende Übergangsfristen und gegebenenfalls angemessene Kompensationszahlungen. Eine „Reformpolitik der kleinen lernenden Schritte“ sei abrupten Änderungen vorzuziehen.

Folgenabschätzung durchführen
Eine sorgfältige quantitative Folgenabschätzung im Sinn einer Nutzen-Kosten-Analyse sollte letztlich die Basis aller Standardsetzungen, Verbote und Lenkungsmaßnahmen in der Landwirtschaft sein, heißt es in dem Papier. Dies gelte insbesondere auch für die geplante Reform der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) und des Green Deal der EU-Kommission. Nicht nur sektorinterne Effekte sollten dafür in Betracht gezogen werden, sondern alle sektor- und länderübergreifenden Rückkopplungen und Anpassungsvorgänge in Produktion, Konsum und Handel.
Auch dürfe man nicht mit „sektoralem Klein-Klein“ in der Agrar- und Ernährungspolitik Klimaschutz betreiben, sondern vielmehr „das erfolgreich erprobte Konzept des EU-Emissionshandels auf möglichst viele weitere Sektoren übertragen“ und dabei auf Ad-hoc-Preiseingriffe verzichten, schlägt der Agrarexperte vor. So reiche es etwa aus, die höchstzulässige CO2-Emissionsmenge festzulegen: „Der Preis bilde sich dann von allein und lenke die CO2-Einsparaktivitäten an Stellen mit den geringsten Vermeidungskosten.“ In der Agrarbranche gebe es bereits erste Überlegungen für einen solchen Richtungswechsel.

Mehr Verständnis für Landwirte
Generell hält Schmitz es für notwendig, dass einer immer stärker urban geprägten Gesellschaft für die Belange und Existenzsorgen der Landwirte und ihrer Familien für notwendig.“ Und dazu wieder etwas mehr Vertrauen in marktwirtschaftliche Steuerungsmechanismen und Kooperationsformen statt staatlicher Lenkung durch Auflagen, Verbote und direkte Markteingriffe. Des Weiteren mahnt der Agrarökonom eine Rückbesinnung auf die unbestreitbaren Vorteile auch von offenen Märkten für Einkommen und Beschäftigung im gesamten Agribusiness an, statt auf Abschottung und reine Selbstversorgung zu setzen.
Auch sollte die Gesellschaft ihre Abneigung gegenüber technologischen Fortschritten und Innovationen im Agrar- und Ernährungsbereich überwinden und auch die moderne, konventionelle Landbewirtschaftung als effizienten und effektiven Weg zur Umsetzung von Nachhaltigkeit akzeptieren, schreibt Schmitz. Der Biolandbau habe trotz seiner Verdienste dabei keinen Alleinvertretungsanspruch. Nehme man die Landwirte auf diese Weise mit in eine „grünere Zukunft“, ohne ihre wirtschaftlichen Grundlagen zu zerstören, bleibe die Ernährungssicherung als zentrale Schlüsselfunktion des Agrarsektors erhalten. Und das nicht nur für die heimische Bevölkerung, betont der Emeritus.

Zur Person

Dr. Dr. h.c. Michael Schmitz (71) war Professor an der Justus-Liebig-Universität Gießen. 2019 berechnete er die Auswirkungen von Konsumverzicht und Ausstieg aus der Nutztierhaltung und kam zu dem Ergebnis: „Kein Fleisch ist auch keine Lösung.“ Der ökologische Gewinn wäre gering, der EU-Landwirtschaft drohe damit aber ein Verlust bis zu 35 Mrd. Euro, weil es andere Länder dazu animieren würde, die Produktion ihrerseits zu steigern. Wenige Monate später, veröffentlichte Schmitz über sein privates „Institut für Agribusiness“ Studien über den Nutzen und Wert von Glyphosat. Und sorgte damit vor allem deshalb für Aufregung, als sich herausstellte, dass er dafür von Monsanto bezahlt wurde.

Bernard Weber

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