Grünland in wachsender Bedrängnis

Engerlinge, Klimwandel und Dünger-Notstand bringen Grünland-Betriebe in Bedrängnis. Eine Delegation des Agrarjournalistenverbandes hat sich dazu im Ausseerland und im Ennstal umgesehen.

Braun statt grün: Bearbeitung der Schadflächen auf den sonnseitigen Grünlandflächen in Mosern, Grundlsee, durch den Maschinenring

Wir dachten, die Dürre hätte unsere Felder ausgetrocknet, derweil waren es die Engerlinge, die unsere Böden zerstört haben“, erklärt Elisabeth Zitz, vulgo Woferl, Biobäuerin in Grundlsee (Stmk.). Von den 10 ha Fläche sind gut vier Hektar vom Engerlingfraß betroffen und fallen damit für die Futterproduktion aus. Für den nächsten Sommer muss wohl Futter für die fünf Mutterkühe und Kälber zugekauft werden. Vorsichtshalber hat Familie Zitz schon für diesen Winter Siloballen gekauft – nur zur Sicherheit, denn die Winter im Ausseerland können sehr lang sein.

Böden wie Rollrasen

So wie es ihnen heuer erging, steht der Woferlhof exemplarisch für viele Betriebe im Umland. Insgesamt sind etwa 150 ha von Engerlingschäden betroffen, manche Landwirte traf es noch weitaus schlimmer, sie kämpfen mit Totalausfällen der Ernte. Die Dürre, die das gemeinhin niederschlagsreiche Ausseerland in den vergangenen zwei Sommern ereilte, trug ihr Übriges dazu bei und ließ die Maikäfer-Larven sich explosionsartig vermehren. Die Schadschwelle liegt bei etwa 40 Larven pro m2, weiß Reinhart Pehringer, benachbarter Grünland-Bauer. Auf den sonnenseitigen, flachgründigen Schotterböden wurden bis zu 70 Engerlinge pro m2 gefunden. Genug, um die komplette Grasnarbe zu zerstören. „Wie Rollrasen ließen sich die Böden abziehen“, schildert Pehringer. Die Folge: braune statt grüne Wiesen, schlechte Futtererträge bis zum Komplettausfall und Schäden, die sich nicht mehr mit einem Mal beheben lassen.

Langfristig sanieren

Die Bauern sind sich bewusst: Zu wenig Dünger und Bestandspflege haben die Ausbreitung des Schädlings begünstigt. Nun gilt es, die Flächen langfristig zu sanieren. Zu allererst brauchte es dafür fachkundige und technische Hilfe. Pehringer und betroffene Kollegen kümmerten sich um fachlichen Rat aus der nahegelegenen Versuchsanstalt Raumberg-Gumpenstein; die mechanische Hilfe kam vom Maschinenring Gmunden. Mit Kreisel- eggen wurden die Schädlinge aus dem Boden geholt, darauf folgte eine Pilzbehandlung und neue Einsaat. Nicht auf allen Wiesen war der Aufwuchs gleich gut, weshalb im Jahr darauf teilweise nachgearbeitet werden musste. Kostenpunkt pro Hektar: 1.000 Euro. Hilfe kommt zwar vom Land und den Gemeinden, der Schaden für die betroffenen Landwirte ist dennoch groß. Familie Zitz will sich zukünftig verstärkt um die Qualität ihres Grünlandes bemühen. Dass mit nur zehn Tieren, die zudem die Sommermonate auf der Alm im Toten Gebirge verbringen, zu wenig Wirtschaftsdünger für die zehn Hektar Fläche übrig bleibt, wollen die Woferls etwa mit Zukauf von Bio-Wirtschaftsdünger ausgleichen. Auf die Frage, ob sich der Aufwand lohne, antworten die Bauern: „Wir sind Idealisten. Wir wollen unsere Betriebe, auch wenn diese nur sehr klein sind, erhalten.“

Die Bürgermeister der beiden Ausseerland-Gemeinden Bad Aussee und Grundlsee, Franz Frosch und Franz Steinegger, ebenfalls beide Landwirte, bestätigen und schätzen den Idealismus der angestammten Bauern. Erst vergangene Woche erhielten das nahe Bad Ischl und die Region den Zuschlag als Kulturhaupstadt Europas 2024. Die Postkarten-Idylle in den Ausseerland-Gemeinden ist seit Langem ein magischer Anziehungspunkt für Touristen aus aller Welt, der Erhalt der Kulturlandschaft daher besonders wichtig. Ein Punkt im Planungskatalog für die Kulturregion 2024 ist auch die Landwirtschaft. Im Zuge der Erhaltung der extrem kleinstrukturierten Betriebe regt Steinegger etwa einen Fonds an, in den freiwillig eingezahlt werden kann, das Geld kommt dann den Landwirten zugute. Ähnliche Systeme gibt es bereits in der Schweiz.

Trockenheit setzt Beständen zu

In der Nachbargemeinde Bad Mitterndorf steigen die Viehdichte pro ha Grünland und die Betriebsgrößen noch einmal an. Am Bio-Betrieb von Franz Schretthauser und seiner Familie, im Ortsteil Krungl gibt es insgesamt 150 Rinder auf einer Fläche von 60 ha. Das Melken der 78 Kühe übernimmt ein Roboter; Engerling-Schäden gibt es hier nur vereinzelt, dank ausreichender Düngung und gezielter Nachsaat. Trotzdem musste auch Schretthauser Futter zukaufen, weil die Trockenheit die Ernte um etwa ein Drittel schmälerte.

Bauern müssen Idealisten sein

Auf die Frage, ob kleinstrukturierte Grünland-Betriebe noch eine Zukunft haben, antwortet Hermann Schachner, Obmann der Landgenossenschaft Enns- tal: „Die Größe ist relativ.“ Große Strukturen wie in den USA mit Tausenden Stück Vieh pro Farm strebe man hier jedenfalls nicht an, so Schachner. Auch er ist überzeugt: „Bauern müssen Idealisten sein.“ Urprodukte zu veredeln, mit viel Kreativität zu vermarkten und innovativ zu sein, seien die Stärken der heimischen Bauern, ist Franz Höllinger vom Institut für Soziologie in Graz überzeugt. Er beschäftigte sich in einer Studie damit, wie es den Bauern aktuell geht. Sein Fazit: Die Mehrheit der befragten Bauern würde wieder Bauer werden, wenn sie die Wahl hätten.

Innovative Zugänge

„In der Größe wird nicht die Lösung liegen“, betont auch LK Steiermark-Präsident Franz Titschenbacher. Er und Ehefrau Ulli setzen auf Diversifikation: Nach einem sehr aufwendigen Umbau des alten Stallgebäudes in Altirdning werden dort, wo früher die Kühe untergebracht waren, nun Gäste beherbergt. Das Milchvieh wurden in einen Neubau übersiedelt.
Einen ebenfalls sehr innovativen Zugang zur Aufwertung seines eigenen Grünland-Besitzes von 20 ha hat Thomas Pötsch im Wörschachwald bei Stainach vor Jahren gewählt. Er hat seine acht Milchkühe samt Lieferkontingenten verkauft und mit dem Erlös seine ersten Alpaka-Stuten erworben. Heute, zwölf Jahre später, ist die Herde auf 100 Tiere angewachsen. Pötsch ist Präsident des Österreichischen Alpaka Zuchtverbandes. Der bringt 2021 sogar den Welt-Alpaka-Kongress nach Österreich. Seine Grünland-Flächen sind derzeit in gutem Zustand, doch auch Pötsch räumt ein, dass er zu wenig eigenen Wirtschaftsdünger zur Verfügung hat.

Standortgerecht wirtschaften

An der Versuchsanstalt Raumberg-Gumpenstein ist man sich der Probleme in der hiesigen Grünland-Region bewusst. Hitze, Wetterextreme und Schädlinge setzen den Beständen zu. In Versuchen wird hier die Zukunft des Grünlands simuliert, es werden klimafitte Sorten gezüchtet und etwa die optimale Begrünung von Skipisten erforscht. Der Leiter des Instituts für Nutztierforschung in Gumpenstein, Thomas Guggenberger, prognostiziert dem heimischen Grünland trotz Problemen eine gute Zukunft, da Grünland generell „sehr chancenreich und krisenfest ist“. Guggenbergers Ziel in seinen Versuchen: „Eine standortgerechte Landwirtschaft zu etablieren. Also einerseits das zu produzieren, was der Konsument will und andererseits auf eine Weise zu produzieren, die der Standort zulässt.“

- Bildquellen -

  • JVAOE Ausflug 2019: Jürgen Pistracher, pistipixel.at
  • Bearbeitung Flächen Mosern Grundlsee Kopie: Reinhart Pehringer
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