BauernZeitung: Sie waren in den vergangenen Wochen landauf landab unterwegs. Nach vielen Gesprächen mit den Bäuerinnen und Bauern: Was fordert der Bauernbund konkret von Österreichs künftiger Regierung?
Strasser: Eine klare Kennzeichnung der Lebensmittel. Damit würde die Nachfrage nach heimischen Produktionen steigen. Da müssen wir konsequent dran bleiben. Auch darf Österreich nicht zulassen, dass in Brüssel die Gelder für die Ländliche Entwicklung gekürzt werden und gleichzeitig unsere Familienbetriebe durch Billig- importe aus Südamerika der Agrarindustrie zum Opfer fallen. Das ist eine Farce – für uns Bauern und das Klima. Wir müssen und werden daher alles dafür tun, dass der Mercosur-Pakt so nicht kommt und wir beim Agrarbudget das Bestmögliche herausholen.
Ein beherrschendes Wahlkampf-Thema ist der Klimaschutz. Geht denn Österreichs Engagement aus Sicht der Bauern weit genug?
Köstinger: In Österreich verursacht der Agrarsektor gerade einmal 10 Prozent der CO2-Emissionen, weltweit sind es rund 25 Prozent. Unsere klein strukturierte Landwirtschaft ist viel klimafreundlicher als die großen Agrarkonzerne anderswo. Daher ist es auch zutiefst ungerecht, dass sie in der öffentlichen Debatte manchmal am Pranger steht. Der beste Klimaschutz ist der regionale Einkauf. Kurze Transportwege bedeuten weniger Emissionen, hier sind die Konsumenten gefragt. Und wir müssen über die Verantwortung des Handels reden, wenn etwa im Supermarkt trotz bei uns angelaufener Apfelernte Ware aus Südamerika im Regal liegt.
Ab November stellt Österreich in der EU aller Voraussicht nach mit Johannes Hahn den künftigen Budgetkommissar. Welche Erwartungshaltung haben Sie an ihn, vor allem im Hinblick auf die angekündigten Kürzungen des Agrarhaushaltes?
Strasser: Er kennt die heimischen Strukturen und wird seinen Job gut machen. Budget-Kürzungen bei den Direktzahlungen oder bis zu 15 Prozent bei der Ländlichen Entwicklung können wir aber nicht akzeptieren. Daher verlassen wir uns auf das Versprechen von Sebastian Kurz, das befürchtete Minus aus nationalen Töpfen auszugleichen.
Als Bundeskanzler und auch nach seiner Abwahl hat ÖVP-Chef Sebastian Kurz ja wiederholt erklärt, er werde Streichungen der EU-Agrargelder national ausgleichen. Auch beim EU-Mercosur-Abkommen steht Kurz voll zur ablehnenden Haltung der Landwirtschaft. Klingt eigentlich nach „alles in Ordnung“ – oder?
Köstinger: Nein! Wenn die EU-Agrargelder gekürzt werden, geht das voll zulasten von Ländern wie Österreich, die höchste Qualität unter strengen Umweltstandards produzieren. Wir werden auf EU-Ebene mit allen Mitteln gegen diese Kürzungen ankämpfen, allfällige Verluste müssen den Landwirten ausgeglichen werden. Und zu Mercosur ist alles gesagt: Mit uns wird es kein Abkommen am Rücken der Bauern geben.
„Die FPÖ hat uns vor Augen geführt, wie schnell sie auf Bauernanliegen pfeift.“
Georg Strasser
Gestolpert ist die letzte Regierung über das „Ibiza-Video“, Mitauslöser waren auch die „Einzelfälle“ freiheitlicher Politiker vom äußerst rechten Rand, erklärte Kurz im Mai. Als Kanzler abgewählt wurde er letztlich von einer rot-blauen Mehrheit im Parlament. Auch bei so manchem Agrarthema haben die Bauern seither „blaue Wunder“ erlebt. Wäre für Sie daher eine erneute Koalition mit der FPÖ noch eine Option?
Strasser: Die Koalitionsfrage ist völlig offen. Die Arbeit der Türkis-Blau-Regierung war inhaltlich sehr gut, wir haben so viel erreicht wie schon lange nicht. Die jüngsten Beschlüsse im Nationalrat haben uns aber vor Augen geführt, wie schnell die FPÖ auf die bäuerlichen Interessen pfeift, sobald es um heikle Themen wie Pflanzenschutz oder Tierhaltung geht. Sie hat damit die Bauern im Regen stehen lassen. Ich verurteile ich das aufs Schärfste und hoffe, dass sich im Parlament bald wieder Hausverstand und Fachexpertise durchsetzen.
Bei der FPÖ besetzt Tierschutzsprecherin Philippa Strache zunehmend Agrarthemen. So manchem Landwirt graut davor. Ihnen auch?
Strasser: Das zeigt doch nur, wie dünn die Personaldecke der FPÖ eigentlich ist.
Köstinger: Ich frage mich ja, wie das mit der bisherigen Arbeit der freiheitlichen Bauernvertreter zusammengeht. Die reden draußen bei den Bauern völlig anders, als sie dann im Parlament abstimmen.
„Es darf kein Ergebnis geben, das eine Koalition an uns vorbei ermöglicht.“
Elisabeth Köstinger
Laut Umfragen liegt die ÖVP derzeit klar voran. Indes warnt Kurz: „Nur Erster zu werden, wird nicht reichen.“ Es geht also in den nächsten Tagen darum, um jede Stimme zu Laufen…
Köstinger: Stimmt. Es darf kein Ergebnis geben, das eine Koalition an uns vorbei ermöglicht. Man hat ja gesehen, was dann passiert. SPÖ und FPÖ haben, ohne mit der Wimper zu zucken, gemeinsame Sache im Parlament gemacht. Nur bei der Volkspartei sind die Anliegen der Landwirtschaft gut aufgehoben. Erster zu werden, reicht diesmal nicht, wir müssen Erster mit einem möglichst hohen Ergebnis werden. Wir wollen mit unseren Ideen überzeugen und haben für jede große Aufgabe in diesem Land ein Konzept: die „100 Projekte für Österreich“. Das bietet außer uns sonst niemand an.
Womit würden Sie beide am Abend des 29. September gerne zitiert werden?
Strasser: „Der Bauernbund und die neue Volkspartei haben das ganze Land mobilisiert. Mit klaren Ansagen ist es uns gelungen, eine linke Mehrheit abzuwehren und Sebastian Kurz wieder zum Kanzler zu machen.“
Köstinger: „Danke für die enorm große Zustimmung! Hausverstand, Arbeitseifer und der Wille, etwas zu verändern, haben sich durchgesetzt. Wir haben noch viel zu tun.“
Interview: Eva Zitz, Bernhard Weber
- Bildquellen -
- Strasser Koestinger: Paul Gruber