Bioschweinehaltung braucht Überzeugung

Durchschnittlich 3,70 Euro/kg für Bioschweine in Deutschland bringen manchen konventionellen Schweinehalter ins Grübeln. Das aktuell gute Preisniveau darf aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass der Betriebszweig auch etliche Herausforderun

Der Auslauf für Tiere aller Altersstufen ist in der Biohaltung verpflichtend vorzusehen. ©Wiedmann
Der Auslauf für Tiere aller Altersstufen ist in der Biohaltung verpflichtend vorzusehen. ©Wiedmann
Immer mehr Kunden wünschen sich regional und ökologisch hergestellte Lebensmittel. Bei Fleisch und Wurstwaren kommt hinzu, dass die Tiere ein gutes Leben gehabt haben sollen. Regional erzeugte Biofleischprodukte von Tieren aus einer artgerechten Haltung sind nachhaltig gefragt. Diesem Trend folgend suchen Lebensmittelhersteller und -vermarkter zunehmend ökologisch und regional erzeugte Rohstoffe. Um sich langfristig die Rohstoffe zu sichern, gehen sie teilweise langfristige Partnerschaften mit der Landwirtschaft ein. So spielt Edeka Südwest in Deutschland eine Vorreiterrolle, indem der Konzern vollkostendeckende Preise für eine Laufzeit von zehn Jahren bietet.

Vollkostendeckender Abnahmepreis

Freie Abferkelung und Säugen direkt am Nest. ©Wiedmann
Freie Abferkelung und Säugen direkt am Nest. ©Wiedmann
Während die Biosauen- und Bio-mastschweinebestände in Deutschland über einen längeren Zeitraum relativ konstant geblieben waren, ist seit geraumer Zeit die Nachfrage des Lebensmitteleinzelhandels stark angestiegen. Auch die Discounter, wie z. B. Aldi Süd, verlangen von ihren Lieferanten, das Sortiment spürbar um Bioprodukte zu erweitern. Durch diesen Nachfrageschub konnten sich die Bioschweinepreise von der konventionellen Marktsituation abkoppeln. So werden in Deutschland derzeit im Durchschnitt rund 3,60 Euro/kg für E-Schweine und 130 Euro für Bioferkel erzielt (Preisangaben exkl. MwSt.). Edeka Südwest bietet sogar zehnjährige Verträge mit 140 Euro je Ferkel sowie 3,75 Euro/kg Schlachtgewicht bei 55 % Magerfleischanteil.
Auf bisher einmalige Weise beruhen die Preise auf einer Vollkostenrechnung, die sich aus fünf Komponenten zusammesetzt:
1. Bei den zu erzielenden Produktionsleistungen sind die in Baden-Württemberg vorherrschenden klein- bis mittelbäuerlichen betrieblichen Strukturen unterstellt. Das sind bei zwei Würfen je Sau und Jahr mit 24,4 lebend geborenen Ferkeln 18,6 verkaufte Qualitätsferkel. Diese Leistungen sind in kleineren Sauenbeständen ambitioniert. In Bestandsgrößen ab ca. 70 Sauen sind sie jedoch in modernen Ställen und bei gutem Management erreichbar. In der Mast sind tägliche Zunahmen von 725 g und ein Futteraufwand von 1 : 3,35 zugrunde gelegt.
2. Den größten Anteil bei den variablen Kosten machen die Futterkosten aus. Beim Sauenfutter sind 46,60 Euro/dt, beim Ferkelfutter 59,00 Euro/dt und beim Mastfutter 48,00 Euro/dt unterstellt. In den Verträgen ist jedoch festgeschrieben, dass sich bei veränderten Produktionskosten auch die Auszahlungspreise entsprechend ändern.
3. Bei den Festkosten wird nicht wie in bisher üblichen Kalkulationen davon ausgegangen, dass sich nur Umbauten von Altgebäuden lohnen. Einschließlich der Ferkelaufzucht sind Bruttoinvestitionen von 6243 Euro/Sauenplatz zugrunde gelegt. Davon geht in aller Regel der Zuschuss aus der staatlichen Investitionsförderung z. B. in Baden-Württemberg von 40 Prozent weg. Da die angeführten Bruttoinvestitionen meist um ca. 2000 Euro/Sauenplatz höher liegen, sind noch erhebliche Eigenleistungen zu erbringen. In der Mast sind 1050 Euro/Mastplatz an Bruttoinvestition unterstellt. Das Strohlager ist in diesen Kosten nicht enthalten.
4. Als Arbeitsentlohnung sind 20 Euro/Stunde berücksichtigt. Bei 26 Arbeitsstunden je Sau und Jahr können demgemäß mit 2500 Arbeitsstunden 96 Sauen je Arbeitskraft versorgt werden. In der Mast sind 2,4 Arbeitsstunden je Platz und Jahr angesetzt. Daraus errechnen sich beim gleichen Aufkommen von 2500 Stunden 1042 Mastplätze je Arbeitskraft. Somit ergibt sich sowohl in der Ferkelerzeugung als auch in der Mast eine Arbeitsentlohnung von jährlich 50.000 Euro je eingesetzter Arbeitskraft.
5. Erstmalig stellt der Lebensmitteleinzelhandel für den Schweinehalter auch eine Gewinnmarge sicher. Diese ist wichtig für den Risiko- und den Inflationsausgleich sowie um Rücklagen für künftige Investitionen zu bilden. Die Gewinnmarge beläuft sich je Arbeitskraft auf 24.000 Euro in der Ferkelerzeugung sowie 22.000 Euro in der Mast. Je Vollarbeitskraft mit 2500 Jahresstunden können somit in der Ferkelerzeugung 74.000 Euro und in der Mast 72.000 Euro verdient werden. In Verbindung mit der zehnjährigen Preisgarantie steht die ökologische Schweinehaltung auf einem soliden Fundament.
Die starke Nachfrage birgt allerdings auch die Gefahr, dass der relativ kleine Bioschweinemarkt durch Überschüsse in ein ähnliches Fahrwasser geraten könnte wie die konventionelle Schweinehaltung. Die Biopreismisere vor zwei Jahren haben noch viele in Erinnerung.

Sorge um gängige Marktmechanismen

Ferkelnest mit Bodenheizung. ©Wiedmann
Ferkelnest mit Bodenheizung. ©Wiedmann
Nun sind die vollkostendeckenden Erlöse seit geraumer Zeit für Investoren sehr verlockend, in die Bioschweinehaltung einzusteigen. Es liegt in der Verantwortung der Marktbeteiligten, einschließlich der Ökoverbände, diese Entwicklung in geordneten Bahnen zu halten. Kleinere und mittlere Ökoschweinehalter sind in diesem Zusammenhang für die Einführung von Bestandsobergrenzen.
Darüber hinaus besteht die Gefahr, dass durch den mehrfachen Preisunterschied zwischen Bioprodukten und konventionellen Produkten der Verbraucher zurückhaltend reagieren könnte. Diese Sorgen gelten insbesondere für EU-Biobetriebe, die am freien Markt agieren und dem weltweiten Spiel von Angebot und Nachfrage ausgesetzt sind. Für die Erzeugerbetriebe von Edeka-Südwest besteht dagegen eine zehnjährige Preiszusage. Solche Sicherheiten sind in Anbetracht der meist sehr hohen Investitionen unverzichtbar. Es bleibt zu hoffen, dass dieses Novum in der Partnerschaft zwischen Landwirtschaft und Edeka Südwest nicht nur in Baden-Württemberg Schule macht.

Wann lohnt sich eine Umstellung?

Die schon lange andauernde Preismisere in der konventionellen Schweinehaltung veranlasst manche Landwirte, sich gedanklich mit der Ökoschweinehaltung zu beschäftigen. Eine Umstellung kommt jedoch nur infrage, wenn bereits vor der Umstellung überdurchschnittlich gewirtschaftet wurde. Insbesondere die Ökoferkelzeugung verlangt im Vergleich zur konventionellen Haltung ein weit höheres Maß an Management. Wer diesen Einsatz nicht bringen kann oder will, sollte die Finger vom Ökolandbau lassen. Darüber hinaus verlangt auch die Umstellung in der Außenwirtschaft entsprechend viel Aufmerksamkeit und Fingerspitzengefühl. Um die Umstellung zu erleichtern, bieten die Bundesländer Umstellungsprämien und für den Stallum- oder -neubau Zuschüsse an. Trotz dieser Startbeihilfen darf die Anlaufphase jedoch nicht unterschätzt werden.
Vorteilhaft für süddeutsche Ferkelerzeuger ist, dass bis jetzt ein großer Teil der in Süddeutschland gemästeten Tiere aus dem hohen Norden und dem Osten von Deutschland stammt. Aus Gründen der Regionalität will Edeka Südwest auf mittlere Sicht nur noch Ferkel aus der Region zulassen.

Geschlossenes System wäre vorteilhaft

Aus vielerlei Gründen ist in der Ökoschweinehaltung der geschlossene Betrieb vorteilhaft, jedoch scheitert dieser Wunsch meist an der Flächenknappheit in den Betrieben. Es wird deshalb empfohlen, sich auf Ferkelerzeugung oder Mast zu konzentrieren, bis die Stückkostendegression weitgehend ausgeschöpft ist. Für die Bio-Ferkelerzeugung ist das eine Größenordnung von möglichst nicht unter 100 Sauen, um die Vorteile der Spezialisierung wie Geburtsüberwachung, natürliche Brunstsynchronisation, Arbeitseffizienz, Vermarktung von größeren Partien, usw. nutzen zu können. Letztendlich kommt es darauf an, dass sich die Betriebsleiterfamilie mit der Ökoschweinehaltung identifiziert, einen Grundstein für die Zufriedenheit legt und Anerkennung sowie Wertschätzung aus der Gesellschaft erfährt.

Was Landwirte vor der Umstellung bedenken

Die Gesamtbetriebsumstellung erfordert eine völlige Neuausrichtung bisher konventionell geführter Betriebe. Da keine schrittweise Umstellung in der Innen- und Außenwirtschaft möglich ist, kommt dies einem “Sprung ins kalte Wasser” gleich. Erschwerend ist noch, dass umstellungswillige Landwirte aus nachvollziehbaren Gründen jegliches Vertrauen in den Markt verloren haben. Darüber hinaus sind für die hohen Stallbauinvestitionen wegen der seit Langem ruinösen Erlöse keine Finanzmittel vorhanden. Investitionen können deshalb im Wesentlichen nur auf Kreditbasis erfolgen, einschließlich der staatlichen Förderung. Diese setzt entsprechende Buchführungsabschlüsse in den letzten Jahren voraus.
Generell bestehen gebietsweise auch vor dem ökologischen Ackerbau Bedenken. Das liegt in den meisten Fällen daran, welches Bild von den in der Nähe wirtschaftenden Ökobetrieben ausgeht. Es gibt in vielen Regionen immer noch nicht genügend Öko-Leuchtturmbetriebe mit beispielhafter Tierhaltung und sehenswertem Ackerbau, die zum ökologischen Landbau ermutigen.

Rudolf Wiedmann, Tübingen

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