Was sichere Kartoffel- und Rübenvollerntemaschinen ausmacht

Auch bei Kartoffel- und Rübenvollerntemaschinen gilt: Leistung und Effizienz sind nicht alles. Mindestens genauso wichtig sind ordnungsgemäße und gut funktionierende Sicherheitseinrichtungen. Leider weisen hier manche im Einsatz befindliche

Moderne Kartoffelroder sind relativ sicher, dennoch passieren immer wieder Unfälle. ©agrarfoto.com
Moderne Kartoffelroder sind relativ sicher, dennoch passieren immer wieder Unfälle. ©agrarfoto.com
Mit Kartoffel- und Rübenvollerntemaschinen können größere Mengen an Kartoffeln und Rüben in kürzerer Zeit und meist kostengünstiger geerntet werden. Im Rahmen des Forschungsprojekts IKA hat das Institut für Landtechnik an der Universität für Bodenkultur häufige Unfälle mit den Geräten unter die Lupe genommen und mögliche Maßnahmen zur Vermeidung dieser Unfälle abgeleitet.
Die gesetzlichen Vorgaben zur sicherheitstechnischen Konstruktion sind nationale, EU-basierte und internationale Richtlinien und Normen (Maschinenrichtlinie 2006/42/EG, ÖNORM EN ISO 4254-1 und ÖNORM EN 13140). Für Kartoffel- und Rübenvollernter sind Kennzeichnung und Aufkleber zu folgenden Bereichen von Herstellern vorzusehen:

Vielfältige Unfallhergänge und -ursachen

Standfeste Positionshalteeinrichtungen von Maschinenteilen dürfen nicht fehlen. ©IKA
Standfeste Positionshalteeinrichtungen von Maschinenteilen dürfen nicht fehlen. ©IKA
Mit Vollerntemaschinen verunglücken vorwiegend die Betriebsführer selbst, gefolgt von Elternteilen und Kindern der Betriebsführer. Die Unfälle ereignen sich zum Großteil auf Grundstücken, im Hofbereich, in Hofgebäuden und bei Ernte- und Reinigungsarbeiten, Reparatur- und Wartungsarbeiten sowie im Straßenverkehr.
Die häufigsten Folgen dieser Unfälle sind Amputationen, Quetschungen, Wunden, Mehrfachverletzungen und Frakturen. Auch kommt es zu tödlichen Vorfällen. Die Verletzungen treten überwiegend an den oberen Extremitäten, am Kopf, Oberkörper und an den unteren Extremitäten auf.
Die typischen Unfallhergänge stellen das Erfasstwerden von der Maschine, der Zusammenstoß mit der Maschine und der Sturz von der Maschine dar.
Die Unfallursachen sind überwiegend menschen- und maschinenbedingt (z. B. Abrutschen, Zug/Bahnüberführung, angehobene Maschinenteile, laufende Maschine, Entleerungskette). Unfallverschärfende Faktoren bestehen in verschmutzten Maschinenteilen und der reflexartigen Bewegung aufgrund des Schocks. Abschwächende Faktoren sind das Tragen von Arbeitskleidung und Arbeitshandschuhen.

Schutz vor dem Erfasstwerden

Personen werden bei Ernte- und Wartungsarbeiten von der Maschine durch laufende Maschinenteile erfasst, aber auch durch Abrutschen kommt es zum Erfasstwerden. Zu den involvierten Maschinenteilen zählen die Antriebskette und -riemen, der Blattentferner, die Fördereinrichtung und die Antriebskette mit Zahnrad der Fördereinrichtung. Eine nachteilige Ausführung der Maschinenteile liegt nicht vor.
Nur die Hälfte der evaluierten Unfallmaschinen hat allerdings adäquate Schutzabdeckungen gegen das Erfasstwerden von laufenden Maschinenteilen. Spezialwerkzeuge zum Lösen von Blockierungen sind an diesen nur teilweise vorzufinden.
Schutzabdeckungen am Blattentferner im oberen Teil gegen unbeabsichtigten Kontakt mit beweglichen Teilen fehlen teils. Im Zugangsbereich gibt es nicht immer eine Schutzabdeckung.
Bei neuen Vollerntemaschinen kommen trennende Schutzeinrichtungen an allen Arbeitselementen in unterschiedlichen Formen (Abweisbügel, Vollschutz, Kombinationen) zum Einsatz.
Zur besseren Vermeidung von Unfällen führen die Maschinenrichtlinie 2006/42/EG (Punkte 1.4.2 und 1.6) sowie die Normen DIN EN 4254-1 (Punkte 4.9, 5.1, 6.4) und DIN EN 4254-7 (Punkte 4.4 – 4.9) an, dass Einrichtungen (Abweisbügel, vollflächige Schutzeinrichtungen sowie Kombinationen) gegen das Erfasstwerden von Blattentfernern, -förderern, -verteilern und Rode-, Reinigungs-, Förder- sowie Entladeeinrichtungen nach vorne, hinten, oben und seitlich vorzusehen sind. Blattauswurföffnungen müssen mit einem vollflächigen Schutz, der mindestens 150 Millimeter über den äußeren Teil der Fördereinrichtung reicht, und mit feststehendem Schutz an der Schnecke, dessen Unterkante mindestens 50 Millimeter unter die Schneckenachse langt, abgedeckt sein.
Seitliche Teile von Förderbändern müssen gegen unbeabsichtigten Kontakt einen beweglichen Schutz, der die Auswurföffnung vollständig abdeckt und selbstständig in die geschlossene Stellung zurückkehrt, wenn kein Fördergut mehr ausgeworfen wird, haben.
Schutzeinrichtungen am Blattverteiler gegen unbeabsichtigtes Berühren der Maschinen bestehen aus einer Kombination aus Abweisbügel und vollflächigem Schutz. Schutzabdeckungen liegen in waagrechter Achse durch Abweisbügel im vorderen Teil und an den Seiten durch vielflächigen Schutz vor. Gewisse Bereiche (Förderbänder), bei denen händisch eingegriffen werden muss, können nicht vollständig abgedeckt werden. Es sollen Not-Stopp-Einrichtungen für Gefahrensituationen eingesetzt werden.
Bei gebrauchten Maschinen sind trennende Schutzeinrichtungen in Form von Abweisbügeln fachmännisch nachzurüsten. Der Bediener ist zu einer vorsichtigen Arbeitsweise (z. B. Stillsetzen der Maschine vor dem Eingriff, Einhalten von Sicherheitsabständen, Zuhilfenahme von Arbeitshilfsmitteln etc.) anzuleiten.
Die wiederkehrende §57a-Überprüfung könnte künftig mit einer sicherheitstechnischen Überprüfung kombiniert werden, um die Unfälle durch das Erfasstwerden von laufenden Maschinenteilen bei gebrauchten selbstfahrenden Erntemaschinen besser zu vermeiden.

Zusammenstoß mit der Maschine

Zum Zusammenstoß mit der Maschine kommt es durch hervorstehende Entleerungsketten bei Reparaturarbeiten sowie durch angehobene Maschinenteile bei Reinigungsarbeiten.
Zur Vermeidung dieser Gefahr bestehen rechtliche Vorgaben. Gemäß Maschinenrichtlinie 2006/42/EG (Punkt 1.5.4) sowie den Normen DIN EN 4254-1 (Punkt 4.9 und 6.0) und DIN EN 13140 (Punkt 4.9) müssen mechanische Stützen für angehobene Maschinenteile vorhanden sein, um die Bediener bei Service- und Wartungsarbeiten zu schützen.
Je nach Ausführung der Schutzabdeckungen sind der Austausch sowie das Nachrüsten von positionshaltenden Elementen zur Vermeidung von Zusammenstößen nötig.

Sturzgefahr von der Maschine minimieren

Zum Sturz von der Maschine kommt es durch Abrutschen bei Erntearbeiten. Um das Risiko bei normalem Betrieb und Service zu minimieren, sind normgerechte Aufstiege bzw. Leitern, Handgriffe, Handläufe zur Ermöglichung eines Dreipunktkontakts, Schutzgeländer und Abweisbügel erforderlich (eine Ausnahme ist gegeben, wenn andere Maschinenteile gleiches Schutzniveau bieten).
Die Aufstiegshilfen sind für Führungs-, Service- und Wartungsarbeiten nötig und können Teile der Maschine sein, die Neigung hat zwischen 70° und 90° zur Waagerechten zu betragen, Stufen müssen eine rutschfeste Oberfläche aufweisen und so gestaltet sein, dass Schmutz- und Schneeablagerungen unter normalen Arbeitsbedingungen vermieden werden.
Freiräume von 50 Millimetern sind zwischen dem Handlauf oder Handgriff und benachbarten Teilen erforderlich. Die Querschnitte der Handläufe haben zwischen 25 und 38 Millimeter zu betragen. Das untere Ende liegt dabei nicht höher als 1500 Millimeter über der Aufstandsfläche sowie in einer Position von 850 bis 1100 Millimetern über der obersten Stufe. Bedienerplattformen müssen eine rutschhemmende Oberfläche und, falls notwendig, eine Einrichtung zur Entwässerung haben. Plattformen sind ab einer Höhe von 1000 Millimetern mit einem Fußschutz, Handlauf und Zwischenstreben auszurüsten. Bei gebrauchten und im Handel neu erwerbbaren Maschinen besteht begrenzt die Möglichkeit (je nach Hersteller und Fabrikat), Trittelemente an den Aufstiegshilfen auszutauschen sowie nachzurüsten.
Handläufe im Nachbau (Anschrauben, Anschweißen) dürfen nur von Landmaschinenwerkstätten oder Schlossereien an den Maschinen angebracht werden. Fehlende Zugänge sind durch Trittleitern und Klapptritte in unterschiedlicher Ausführung an den Maschinen zu verwirklichen. Glatte Maschinenteile, welche zu betreten sind, sind mit Anti-Rutsch-Oberflächen auszustatten, um ein Ausrutschen zu vermeiden.
Bei neuen Maschinen werden Aufstiegshilfen zu Bediener- und Wartungsplätzen unterschiedlich ausgeführt. Es sind klappbare Aufstiegsleitern inklusive Dreipunktkontakt­­- möglichkeit, welche den Sturzunfällen beim Auf- und Abstieg entgegenwirken, serienmäßig vorzusehen.

Assoc. Prof. Dr. Elisabeth Quendler, Dipl.-Ing. Katharina Trieb und Dr. Robert Kogler
Universität für Bodenkultur

Schutzabdeckungen bei beweglichen Maschinenteilen: mangelhafte/fehlende Ausführungen

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Normgerechte Schutzabdeckungen bei beweglichen Maschinenteilen:

 ©www.ropa-maschinenbau.de
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Mangelhafte Konstruktionen von Aufstiegshilfen

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