Haben Ihre Wiesen im Frühjahr hellgrün-gelbliche Grasflecken? Wenn ja, dann sollten Sie keine Zeit verlieren, um gegen den derzeit gefährlichsten Ertragsschädling in Futterwiesen, die Gemeine Rispe, Maßnahmen zu ergreifen. Denn eine Massenausbreitung dieses Ungrases mindert die Erträge und führt zu Erdverschmutzung des Futters. Die Futterqualität kann so stark leiden, dass die Tiere die Aufnahme verweigern.
Früher wertvoll, heute unerwünscht
Die Gemeine Rispe, auch Gewöhnliches Rispengras (Poa trivialis) genant, galt in Österreichs Grünland bislang als unauffälliges, allgemein verbreitetes Gras. Aufgrund seiner Klappschen Wertzahl (7 von 8 möglichen Punkten) galt es früher sogar als wertvolles Futtergras. Jüngere Quellen sprechen dem Gras jedoch nur einen “sehr mäßigen” Futterwert zu (Sobotik, 2016)
Seit etwa zehn Jahren breitet sich die Gemeine Rispe vor allem in produktiven Vielschnittwiesen jedoch wie ein Lauffeuer immer mehr aus. In jüngerer Vergangenheit konnte der Autor auf feuchteren Äckern in der Buckligen Welt (NÖ) anlässlich der Feldanerkennung von Knaulgrasbeständen auch Vorkommen der Gemeinen Rispe in den Vermehrungen feststellen.
Startvorteil im Frühjahr
Um die Gemeine Rispe wirksam Bekämpfen zu können, muss man um die ökologischen Besonderheiten dieses Grases wissen.
Die Gemeine Rispe ist ein ausdauerndes Gras, das mit flach wachsenden Stolonen (1) und an den unteren Stängelknoten (2) entspringenden Wurzeln in lückige Grasbestände hineinkriecht. Leicht erkennbar ist die Gemeine Rispe weiters im Schoßstadium, in dem sie ein extrem langes Blatthäutchen zeigt. Ihre relativ dünnen Halme sind glatt. Die Blätter sind unbehaart, während der Halm unterhalb der Rispe meist rau ist.
Als Flachwurzler nutzt das Gras die oberste Bodenkrume als ökologische Nische. Bereits Ausgang des Winters bei noch starker Bodenfeuchte kann die Gemeine Rispe ihr Wachstum starten. Sie kommt mit den Wuchsbedingungen im Frühjahr viel besser zurecht als die guten Futtergräser, die auf Wasser und Nährstoffe in tieferen Bodenschichten angewiesen sind. Ihr früh einsetzendes Wachstum im Frühjahr verschafft der Gemeinen Rispe einen Konkurrenzvorteil.
Zudem kann sie dank ihrer oberirdischen Kriechtriebe (Stolonen) lückige Wiesenstellen rascher als andere Gräser besiedeln. Die vielen, oberflächennahen und daher gut mit Sauerstoff versorgten Feinwurzeln befähigen die Gemeine Rispe auch, auf zeitweilig stark durchnässten Böden, Quellaustritten und auf völlig zertretenen oder zerfahrenen, morastigen Gatschböden und verdichteten Böden zu wachsen.
Ausläuferbildung und frühe Samenreife garantieren der Gemeinen Rispe auch bei frühem Futterschnitt eine hohe Konkurrenzkraft.
Im Frühjahr ist die Gemeine Rispe ein sehr zart und dicht sprossendes Gras, das bei oberflächlicher Betrachtung eine saftige Grasnarbe vortäuscht. Noch üppiger wächst sie an Feldrainen und am Rand von Getreidefeldern. Beispielsweise erreicht sie in der Region zwischen Steyr und Amstetten beachtliche Wuchshöhen von bis zu über einen Meter.
Sitzenbleiber nach dem ersten Schnitt
Bis zur ersten Mahd zeigt sich die Gemeine Rispe als ein kräftiges, früh schoßendes, sehr hochwüchsiges und ertragreiches Mittelgras. Nach dem ersten Schnitt und auch nach den Folgeschnitten bleibt dieses Ungras jedoch ohne weiteren Nachtrieb als unscheinbares Untergras rasenartig sitzen. Mangels Nachtrieb ist der erste Aufwuchs somit der einzig nutzbare Jahresaufwuchs. Wo immer Gemeine Rispe in Futterwiesen wächst, liegt der Ertragsausfall somit weit über 50 Prozent. Der Nachtrieb im Sommer und Herbst besteht nur mehr aus glänzenden, zwirndünnen, flaumartigen, meist unter zehn Zentimeter hohen Grastrieben mit ganz lockerem Wurzelsitz.
Allerdings vermögen die oft üppig verzweigten, knapp an der Oberfläche kriechenden Ausläufer (Stolonen) der Gemeinen Rispe in dieser Zeit beachtliche Flächen zu erobern. Mit zunehmender Bodenverdichtung wird die Durchwurzelungstiefe immer geringer. Aufgrund des lockeren Wurzelsitzes können beim Striegeln ganze Platten der Grasnarbe abgezogen werden. Dies ist ein typisches Zeichen des Befalls mit Gemeiner Rispe.
Bei Trockenheit stellt dieses auf viel Bodenfeuchte angewiesene, sonst saftig grüne Gras das Wachstum ein und die oberirdische Masse verkümmert. In Wiesen mit hohen Anteilen an Gemeiner Rispe verschärfen Trocken- oder Dürreperioden den Futterausfall.
Wurzeln machen Futter muffig
Vor allem bei tiefem Mähen und Schwaden kann die Gemeine Rispe aufgrund ihres lockeren Sitzes im Boden leicht mitsamt Wurzelstöcken und Erdanhang in das Futter gelangen. Dies beeinträchtigt Futterwert und Schmackhaftigkeit und kann bis zu vollständigem Verderb mit allen schädlichen Folgewirkungen bis hin zum Tierverlust führen.
“Rasierschnitt” vermeiden
Die Erstmaßnahme, um die Gemeine Rispe zurückzudrängen und Futterverschmutzung zu vermeiden, ist eine ausreichende Schnitthöhe. Mehrere Untersuchungen (Beckhoff & Thielmann, 1982; Elsässer, 2004) haben bestätigt, dass das Anheben der Schnitthöhe von drei auf sieben bis neun Zentimeter hochwertiger Gräserarten fördert. In den Versuchen stieg der Anteil der guten Futtergräser allein durch das Vermeiden des “Rasierschnitts” von 32 auf 69 Prozent.
Johann Humer, Futterwiesenexperte
Frühe Mahd fördert die Ausbreitung
Das sind die Ursachen für die massive, landesweite Ausbreitung der Gemeinen Rispe:
• Zunahme der Bodenvernässung durch Bodenverdichtung.
• Zunahme der Vielschnittwiesen mit Zunahme der Befahrungshäufigkeit mit schwerem Gerät.
• Häufigeres Befahren bei zu feuchtem Boden bei Vielschnittwiesen.
• Zunahme der Lückigkeit von Wiesen durch Rückgang wertvoller Futterarten mit tieferer Bodendurchwurzelung bei intensiverer Nutzung ohne Ausgleich durch Nachsaat.
• Zunahme der Gülleausbringung mit Samenverschleppung
• Verfrühung des Frühjahres mit Begünstigung frühreifer Arten, die die Winterbodenfeuchte besser nutzen.
• Rückgang der Heuwiesen mit wenigen Nutzungen.
• Immer seltenerer Wiesenumbruch und Wiesenneuanlage
• Zu frühe Mahd über mehrere Jahre hinweg.
Johann Humer