Um die Verbreitung von gefälschten und illegal verkauften Pflanzenschutzmitteln (“Counterfeits”) zu verhindern, ist ein intensiveres internationales Vorgehen gegen zunehmend komplexere kriminelle Netzwerke nötig – dies forderten die IndustrieGruppe Pflanzenschutz (IGP) sowie Experten aus Deutschland und Österreich im Rahmen einer Pressekonferenz am 19. Jänner 2016 in Wien. Laut Gerwin Bouillon, ehemaliger Mitarbeiter des Pflanzenschutzkonzerns Bayer und Experte für illegale Produkte, nimmt das Problem illegal hergestellter Mittel in den letzten Jahren zu.
Nur die Spitze des Eisbergs
Boullion schätzt die Menge der in Europas Agrarsektor platzierten Produktfälschungen auf 6000 bis 8000 Tonnen jährlich. Zielmärkte seien vor allem Länder wie Russland und die Ukraine, wo die illegalen Produkte im Einzelfall Marktanteile von bis zu 30 Prozent erreichen könnten. Sichtbar werde von dieser enormen Menge jedoch nur die sprichwörtliche “Spitze des Eisbergs”.
Zu 97 Prozent aus China
Hergestellt und Vertrieben würden die gefälschten Produkte über “professionell organisierte, kriminelle Netzwerke”. Dies könne so funktionieren, dass die Fälschungen nicht einmal auf der Großhandelsstufe erkannt würden. Beispielsweise würden die Grundchemikalien in die EU importiert und hier in verschiedenen Stationen arbeitsteilig formuliert, verpackt und vertrieben. Einen gemeinsamen Nenner finden die Produktfälschungen jedoch schon – die Chemikalien würden “zu 97 Prozent aus China” stammen, so Boullion.Die europäische Pflanzenschutzindustrie setzt bei ihren Gegenmaßnahmen deshalb bei europäischen Zielhäfen der Chemikalien an. So gebe es bereits mit den Häfen Hamburg und Rotterdam eine gute Zusammenarbeit bei der Entdeckung illegaler Chemikalienlieferungen für Pflanzenschutzzwecke.
Strenge Kontrollen in Österreich
Laut Johann Kohl, Pflanzenschutzmittel-Experte der Österreichischen Agentur für Gesundheit und Ernährungssicherheit (Ages), sei der österreichische Markt durch strenge Zulassungsbestimmungen insbesondere bei Parallelimporten und auch durch weitgehende Kontrollbefugnisse in der heimischen Pflanzenschutzmittelindustrie und im heimischen Handel sehr sicher, was Produktfälschungen betreffe. Ein Problem sei jedoch, dass unterschiedliche rechtliche Rahmenbedingungen in den einzelnen EU-Ländern Maönahmensetzungen und die Zusammenarbeit erschweren. Kohl: “Daher müssen Bewusstseinsbildung und internationale Zusammenarbeit forciert werden.”
Maßnahmenplan der Industriegruppe Pflanzenschutz
Nils Bauer, stellvertretender Obmann der IGP, drängt auf intensivere Bemühungen im Kampf gegen illegale Produkte und nannte folgende Maßnahmen als wichtige nächste Schritte:
• Landwirte kontinuierlich auf die möglichen Risiken durch illegale Produkte hinweisen – dazu wird u.a. ein Poster an Fachmärkte verteilt (siehe Abbildung),
• Produzenten, die für sich und auch andere produzieren und abfüllen, sensibilisieren,
• Standards zur behördlichen Kontrolle von illegalen Produkten am Markt sowie beim Import vereinheitlichen und einhalten,
• Weiteres Vorantreiben der internationalen Kooperation über Grenzen und Länder hinweg.