Russland erklärt das Getreideabkommen für "de facto" beendet. Die Zukunft der Ausfuhren ist ungewiss.

Russland seine Beteiligung am Getreideabkommen – nach bisher dreimaliger Verlängerung – nun ausgesetzt, wie die Nachrichtenagentur Reuters meldet. Schon seit 27. Juni wurden von russischer Seite keine Neuregistrierungen von Schiffen mehr zugelassen, nun sei das Abkommen „de facto beendet“, heißt es aus Moskau. Begründet wird die Einstellung der von den Vereinten Nationen (UN) überwachten Transporte damit, dass es nach wie vor keine Erleichterungen für die russischen Getreide- und Düngemittelausfuhren gäbe. Konkret habe Moskau – bedingt durch westliche Sanktionen gegen die staatliche Landwirtschaftsbank – Probleme die Frachten im gewünschten Ausmaß zu versichern. Man habe dem Westen für eine Lösung der Problematik ein Jahr Zeit gegeben, doch diese fehle noch immer, monierte ein Kremlsprecher schon vergangene Woche.

Internationale Bemühungen

Keine Beachtung scheint Präsident Wladimir Putin unterdessen einem Schreiben zu schenken, welches UN-Generalsekretär António Guterres bereits vergangenen Dienstag an ihn richtete. Darin wandte sich Guterres mit konkreten Vorschlägen zur Fortführung des „für die globale Ernährungssicherheit unverzichtbaren“ Getreideabkommens an den russischen Staatschef. So sollte etwa die unter Sanktionen stehende Rosselkhozbank wieder an das internationale SWIFT-System angeschlossen werden, welches den Nachrichtenverkehr der Geldinstitute untereinander vereinheitlicht. „Ziel ist es, die Hindernisse für Finanztransaktionen über die Rosselkhozbank zu beseitigen, was ein ernsthaftes Anliegen der Russischen Föderation ist, und gleichzeitig die Fortsetzung des ukrainischen Getreidestroms durch das Schwarze Meer zu gewährleisten“, erklärte der UN-Sprecher Stephane Dujarric vor Brüsseler Journalisten. Auf eine Rückmeldung des Kreml warten die Vereinten Nationen aber bisher vergebens, teilt Reuters unter Berufung auf einen UN-Sprecher mit.

Auch der türkische Staatspräsident Recep Tayyip Erdoğan war vergangenen Freitag bemüht den Fortbestand des Getreideabkommens abzusichern. Er habe persönlich mit Putin gesprochen und eine Zusage zur Verlängerung der Ausfuhren erhalten teilte Erdoğan in Ankara mit. Wenig später folgte jedoch die ernüchternde Meldung aus Moskau: „Russland hat keinerlei Aussagen zur Verlängerung des Getreideabkommens gemacht“, dementierte Kreml-Sprecher Dmitri Peskow.

Alternativen vorhanden?

Die ukrainische Regierung zweifelte schon länger an einem erneuten Einlenken Russlands: „Dieses Mal sind wir nicht optimistisch“, warnte Oleksandr Kubrakow, der für Infrastruktur verantwortlich zeichnende Vizepremierminister, bereits Ende Juni. Man plane aber auch ohne russische Zustimmung weiterhin Getreide über die Schwarzmeerhäfen zu verschiffen, zitiert das Nachrichtenportal Agrarheute den ukrainischen Landwirtschaftsminister Mykola Solsky. In einem sogenannten „Plan B“ schlug Solsky vor, dass seine Regierung Versicherungsgarantien für Unternehmen anbieten könnte, damit diese weiterhin Waren ausführen können. „Plan B schließt die vierte Partei (Russland) in dieser Beziehung aus“, teilt der Ukrainer mit. Ein spezieller Versicherungsfonds in Höhe von rund 547 Mio. US-Dollar sei zu diesem Zweck für Frachtunternehmen bereits eingerichtet.

Und auch Russlands Außenminister Sergej Lawrow nannte schon vergangenen Donnerstag Alternativen zum auslaufenden Abkommen. Die Russische Föderation habe bereits Gespräche mit der Türkei über einen Plan aufgenommen, der sicherstellen soll, dass russischer Weizen – möglicherweise von der Türkei verarbeitet – die bedürftigen Länder erreicht, so Lawrow.

Unterdessen hat gestern Früh das wohl letzte Schiff unter Obhut des „Grain Deal“ den Hafen von Odessa verlassen. Insgesamt wurden seit Juli letzten Jahres nahezu 33 Mio. Tonnen Getreide und Ölsaaten verschifft. Laut UN-Angaben seien durch die Initiative die globalen Lebensmittelpreise um mehr als ein Fünftel gesunken.

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  • Hafen Odessa: Stanislaw - stock.adobe.com
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AUTORClemens Wieltsch
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