„Gegen nicht praxistaugliche Regeln muss man sich wehren“

Über ein agrarpolitisch turbulentes Jahr und seine Agenda für 2024 sprach die BauernZeitung mit Landeshauptmann-Stellvertreter und Agrarlandesrat Martin Gruber.

BauernZeitung: Das Jahr 2023 neigt sich dem Ende zu. Wie lautet Ihre Bilanz für das Agrar-Jahr in Kärnten?

GRUBER: 2023 war leider erneut geprägt von massiven Unwettern, die enorme Schäden in der Kärntner Land- und Forstwirtschaft verursacht haben. Und das vor dem Hintergrund einer sehr herausfordernden Marktsituation für die heimische Agrarbranche.

Für Weidetierhalter gibt es im Land wohl nach wie vor nur ein Thema, den Wolf. Vor Kurzem wurde der achte Wolf gemäß Verordnung geschossen. Ist mit der novellierten Verordnung nun der Sicherheit Genüge getan?

Die Kärntner Wolfsverordnung funktioniert, das zeigen nicht zuletzt auch über 300 Vergrämungsschritte gegen Risikowölfe, die seit Inkrafttreten ohne langwieriges Bescheidverfahren gesetzt werden konnten. Für 2024 möchte ich durch ein eigenes Gesetz die Eingriffsmöglichkeiten beim Schadwolf nochmals beschleunigen.

Trotzdem sparen Tierschützer nicht mit Kritik an Ihrer Regelung. Sie halten diese für rechtswidrig. Mittlerweile ermittelt die Staatsanwaltschaft gegen Ihre Person. Wie ist hier der aktuelle Stand?

Ich gehe natürlich von der Rechtskonformität unserer Verordnung aus. Den aktuellen Stand der Ermittlungen kenne ich nicht. Aber das Ganze geht auf eine Anzeige des VGT zurück und davon lasse ich mich sicher nicht einschüchtern.

Gruber: “Es war immer mein Zugang, den rechtlichen Spielraum, den uns die Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie gibt, voll auszunutzen.”

Hält die Verordnung auch vor dem Unionsrecht? Davon gehe ich aus. Die Bauern können sich also darauf verlassen, dass auch weiterhin Schadund Risikotiere entnommen werden? Ja, und ich werde diesen Weg auch weitergehen. Es war immer mein Zugang, den rechtlichen Spielraum, den uns die Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie gibt, voll auszunutzen. Zum Schutz der Bevölkerung und der Almwirtschaft.

Wie stellen Sie sich eine langfristige Lösung für den Schutz vor großen Beutegreifern vor? Einige Wissenschaftler empfehlen beispielsweise länderübergreifende Monitorings.

Es braucht bei diesem Thema sicher eine enge Abstimmung und gemeinsame Vorgehensweise der Bundesländer. Langfristig wird es in der EU zu einer Senkung des Schutzstatus des Wolfs kommen müssen, um dieses Raubtier managen zu können.

Für Unmut sorgte heuer auch das „Siloballen-Urteil“. Seit wenigen Wochen herrscht hier durch einen Erlass auch in Kärnten Rechtssicherheit. Müssen die Landwirte trotzdem noch mit Klagen rechnen?

Ziel war es, für die bäuerlichen Betriebe rasch eine praxisorientierte Regelung zu finden. Das ist durch diese Zwischenlösung gelungen.

Wann wird der Erlass durch eine gesetzliche Verankerung abgelöst?

Wir haben uns in Gesprächen mit Naturschutzreferentin Schaar und mit LK-Präsident und Bauernbund-Obmann Huber darauf verständigt, dass das bei der nächsten Novelle des Naturschutzgesetzes jedenfalls berücksichtigt wird.

Der Grüne Bericht des Landwirtschaftsministeriums attestierte den hiesigen Bauern mit 70 Prozent Einkommensplus im vergangenen Jahr das zweithöchste unter Österreichs Landwirten. 2023 dürfte die Situation wohl wieder ganz anders aussehen. Erleben Sie im politischen Alltag auch Angriffe auf die bäuerliche Berufsgruppe – Stichwort Fördermittel?

Keine Angriffe, aber ich erlebe immer wieder die Notwendigkeit, möglichst vielen Landsleuten ins Bewusstsein rücken zu müssen, was unsere Bauern leisten. Zu den Berichtsdaten muss man auch erwähnen, dass den höheren Einkünften – mit Ausreißern in einzelnen Sparten – teils enorm gestiegene Kosten gegenüberstehen. Deshalb gilt es, diese Zahlen sehr vorsichtig zu verwenden.

2023 war für Ackerbauern und Forstwirte alles andere als einfach. Riesige Schadholzmengen durch Borkenkäfer, extreme Nässe und Unwetterschäden in Millionenhöhe, dazu dürftige Erzeugerpreise. Dürfen die Bauern mit zusätzlichen Geldern aus Wien und Klagenfurt rechnen?

Hier wurden bereits alle Hebel in Bewegung gesetzt. Zum einen gibt es das Impulsprogramm für die Landwirtschaft, das die Länder gemeinsam mit Landwirtschaftsminister Norbert Totschnig vereinbart haben und das über den GAP-Strategieplan abgewickelt wird. Für Kärntens Bauern bringt das zusätzlich rund 8,5 Mio. Euro jährlich. Wichtig war zum anderen aber auch die Aufstockung des Waldfonds durch den Bund. Und wir haben in Kärnten zusätzlich eine Unterstützung für die Schadholzaufarbeitung in steilem Gelände aufgestellt.

Knapp schienen die Mittel heuer jedenfalls bei De-minimis-Beihilfen zu werden. Wie ist es Ihnen trotzdem gelungen, den Transportkostenzuschuss Milch bereitzustellen? Und dürfen die Bauern auch 2024 darauf hoffen?

Die nationalen Obergrenzen sind rollierend. Die Milchwirtschaft ist einer der dominierenden Produktionsbereiche in Kärnten und daher war es mir wichtig, diese Unterstützung auch heuer wieder aufzustellen. Ob es diese auch 2024 gibt, werden wir abgestimmt auf die Marktsituation entscheiden.

Der Grüne Bericht wies für das Vorjahr auch eine durchschnittliche Verschuldung der Kärntner Höfe von rund 89.800 Euro aus. Das ist Platz drei nach den Vorarlbergern und Tirolern. Geht den Kärntner Bauern langsam die Luft aus?

Die Verschuldungsgrade der Höfe unterscheiden sich in den Bundesländern nicht signifikant. Aus meiner Sicht ist das kein Kärntner Spezifikum. Und man kann es auch so sehen, dass damit etwa Investitionen der landwirtschaftlichen Betriebe verbunden sind. Umso wichtiger ist es, dass wir auch 2024 die Investitionsförderungen verstärken und die Betriebe dabei unterstützen.

Welche agrarischen Themen stehen bei Ihnen schon jetzt für 2024 auf der Agenda?

Ein großes Anliegen ist mir, dass das neue Kärntner Alm- und Weideschutzgesetz rechtzeitig zur Almsaison in Kraft tritt. Grundsätzlich ist auch der Bürokratieabbau auf allen Ebenen ein wichtiges Thema. Viele Landwirte blicken außerdem mit Sorge nach Brüssel und welche weiteren Auflagen von der EU zu erwarten sind. Wir müssen uns also auch als Bundesländer weiterhin gegen nicht praxistaugliche Regelungen wehren. In Kärnten arbeiten wir daran, überbordende Verordnungen abzuschaffen, wie die Maiswurzelbohrer-Verordnung, und gehen damit mit gutem Beispiel voran.

- Bildquellen -

  • Martin Gruber: Maschinenring Kärnten
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AUTORClemens Wieltsch
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