Unter anderem bei der Mindestbodenbedeckung fordern die EU-Agrarminister Erleichterungen.

Als Antwort auf den Reigen an europaweiten Bauernprotesten arbeitet die EU-Exekutive derzeit an einem Maßnahmenbündel zur Verringerung des Verwaltungsaufwandes für Landwirte. ‚‚Es geht darum, die Polarisierung der Debatte zu überwinden‘‘, so Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen. Ein erstes Dokument mit Handlungsoptionen wurde dem belgischen Ratsvorsitz am 22. Februar übermittelt. Darin ist etwa von deutlich verringerten Kontrollintervallen der nationalen Behörden oder verringerten Umweltauflagen für Betriebe unter 10 Hektar die Rede.

„Mehr Ehrgeiz“ gefordert

Europas Landwirtschaftsministern gehen diese Ansätze jedoch nicht weit genug, wie der belgische Agrarminister und amtierende Agrarratspräsident David Clarinval beim Ministerrat vergangene Woche mitteilte: „Es braucht deutlich mehr Ehrgeiz.“ Das Treffen der Agrarressortchefs der Mitgliedstaaten habe – flankiert von massiven Protesten belgischer Bauern – mehr als 500 weitere Vorschläge zutage gebracht. Eine Mehrheit der Minister sei demnach für mehr Flexibilität bei der Konditionalität. Insbesondere bei den GLÖZ-Standards 6, 7 und 8 – also bei Mindestbodenbedeckung, Stilllegung und Fruchtfolgeauflagen – wünscht man sich Erleichterungen. Einige Mitgliedstaaten, etwa Polen und Rumänien, sprachen sich gar für die gänzliche Aussetzung der Konditionalität aus, wie Agra-Europe schreibt. Während eine flexiblere Gestaltung von der Kommission einfach und rasch mittels sogenannten delegierten Rechtsakten abgeändert werden könnte, bräuchte es für ein vollständiges Außerkraftsetzen hingegen eine Änderung des gesamten Basisrechtsaktes. Konkrete Gesetzesvorschläge habe die EU-Exekutive aber ohnehin noch nicht erarbeitet, wie Insider berichten.

Marktmacht und Mindestpreise

„Mittel- bis langfristig“ brauche es außerdem eine Stärkung der bäuerlichen Position in der Wertschöpfungskette Lebensmittel, erklärte Minister Clarinval. Spanien und Italien forderten im Rat deshalb eine Verschärfung der Richtlinie über unlautere Geschäftspraktiken. Frankreichs Staatspräsident Emmanuel Macron ging auf der Eröffnung der Pariser Agrarmesse SIA noch einen Schritt weiter. Er plädiert auf EU-Ebene für Mindestpreise, die dem Handel auferlegt werden sollen, um die Kosten der Erzeuger jedenfalls abzudecken, wie Euractiv berichtete. Die Kommission hat diesbezüglich die Einrichtung einer Preisbeobachtungsstelle angekündigt.

Getreide als Waffe

Eine weitere Forderung der Landwirtschaftsminister betrifft die De-minimis-Förderungen. Deren Obergrenze soll, nach der jüngsten Anpassung im Dezember, nun erneut angehoben werden. Agrarkommissar Janusz Wojciechowski reagierte prompt und kündigte an, einen entsprechenden Vorschlag vorlegen zu wollen. Die Hauptschuld an der gegenwärtigen Krise im EU-Agrarsektor trägt aus Sicht des Polen übrigens Russland, das ukrainische Getreideeinfuhren „gezielt als Waffe“ verwende, um die Europäische Union zu destabilisieren. Der Green Deal spielt aus Wojciechowskis Sicht nur eine untergeordnete Rolle an der gegenwärtigen Misere.

Anreize statt Verbotspolitik

Landwirtschaftsminister Norbert Totschnig, der wegen einer Dienstreise nicht vor Ort sein konnte, wandte sich bereits im Vorfeld per Brief an den Green-Deal-Kommissar Maros Sefcovic und seinen Kommissionskollegen Wojciechowski. „Die Bäuerinnen und Bauern brauchen Wertschätzung, Stabilität und faire Rahmenbedingungen. Ich appelliere an die Kommission, die GAP als zentrales landwirtschaftspolitisches Instrument nicht durch herausfordernde Regelungen des Green Deals zu gefährden“, schrieb der Minister und führte beispielhaft die gescheiterte SUR-Verordnung oder die umstrittene Red-III-Richtlinie an. Nun brauche es effektive Maßnahmen, „die auch rasch bei den Bäuerinnen und Bauern ankommen“, so Totschnig. Statt Verbotspolitik müsse man Anreize schaffen und regionale Gegebenheiten wie auch die Praxistauglichkeit stärker berücksichtigen.

Dialog-Runde für März geplant

Unterstützung erhält der Minister von den Land&Forst Betrieben Österreich. „Wir appellieren an die Verantwortungsträger, dass es nicht bei Lippenbekenntnissen bleibt, sondern den Worten auch Taten folgen mögen“, so Verbandspräsident Felix Montecuccoli. Der von der Kommission für dieses Monat angekündigte Dialog mit Europas Bauern soll laut Montecuccoli auf Augenhöhe erfolgen, kann aber „nur der erste Schritt einer notwendigen Kurskorrektur” sein.

Noch hat die Kommission nicht auf die zahlreichen Vorschläge reagiert, bereits beim nächsten Agrarministerrat im März könnte sie jedoch erste Maßnahmen präsentieren. Dass „die Landwirte oft das schwächste Glied in der Lebensmittelwertschöpfungskette“ sind, hat sich die EU-Exekutive in ihrem Schreiben vom Februar zumindest eingestanden und gelobt „besonderes Augenmerk“. Eine Zeitenwende am Brüsseler Parkett ortete Agra-Europe zuletzt aufgrund einer präsentierten Broschüre, welche die Leistungen der scheidenden Kommission hervorhebt. Sowohl das jüngst vom EU-Parlament abgesegnete Renaturierungsgesetz als auch die Farm to Fork- und die Biodiversitätsstrategie zählen offenbar nicht mehr zu den rühmlichen Errungenschaften des Kabinetts von der Leyen. Auf eine Erwähnung wurde gänzlich verzichtet.

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  • Acker im Frühling: agrarfoto.com
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AUTORClemens Wieltsch
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