Die Konzentration von Wolfsrudeln sei „in einigen Regionen Europas eine reale Gefahr geworden – für Tierherden und potenziell auch für Menschen“, teilte EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen in einer Aussendung mit. In dieser werden lokale und nationale Behörden auch dazu aufgerufen, wo nötig Maßnahmen zu ergreifen. Die EU-Gesetzgebung ermögliche dies bereits. Indes überlegt die EU-Kommission Änderungen beim Schutzstatus von Wölfen im EU-Raum. 

Bevor über solche entschieden wird, sind „lokale Gemeinschaften, Wissenschafter und alle interessierten Parteien“ aufgerufen, bis 22. September mehr Informationen zum Thema Wolf nach Brüssel zu liefern. Damit werden die Konsultationen ausgeweitet. Schon im April hat die EU-Kommission damit begonnen, Daten bei Expertinnen und Experten sowie nationalen Behörden einzuholen.

Als Reaktion auf die Aussendung der Kommissionschefin erklärten die beiden EU-Abgeordneten des Bauernbundes, Simone Schmiedtbauer und Alexander Bernhuber: „Spät, aber doch erkennt die EU-Kommission an, dass die zunehmende Verbreitung von Wölfen und anderen Großraubtieren in Europa eine riesengroße, wachsende Gefahr für unsere Landwirtschaft ist. Wir begrüßen, dass die EU-Kommission jetzt endlich bereit scheint, hier zu handeln.“ Mehr Tempo bei der Bestandserhebung und der Neubewertung des Schutzstatus für Wölfe sei nun essenziell.

Auch Österreichs Landwirtschaftsminister Norbert Totschnig setzt sich massiv dafür ein, den Schutzstatus von Wölfen zu senken. Zusammen mit seinem schwedischen Amtskollegen und Parteifreund Peter Kullgren kündigte er vergangene Woche am Rande des Forum Alpbach an, einen entsprechenden Aktionsplan anstoßen zu wollen.

Ähnlich wie in der Alpenrepublik komme es auch in Schweden zu vermehrten Wolfsangriffen auf weidende Nutztiere. Angesichts der massiv steigenden Risszahlen fordern Totschnig und Kullgren einen politischen Schulterschluss und eine europäische Lösung zum Erhalt der Alm- und Weidewirtschaft. Der strenge Schutzstatus gemäß der Fauna-Flora-Habitat Richtlinie (FFH-RL) von Wölfen müsse überprüft werden, eine Plattform zum rascheren Erfahrungs- und Wissensaustausch zwischen den Mitgliedstaaten wie etwa über DNA-Analysen und Auswertungsmethoden geschaffen werden.

Laut Totschnig sei der Wolf mit rund 19.000 Exemplaren in Europa, davon etwa zwei Drittel in den EU-Staaten, nicht mehr vom Aussterben bedroht. Seine Bejagung ist ganzjährig untersagt, während sich seine Ausbreitung in nahezu alle EU-Mitgliedstaaten in rasant steigenden Risszahlen widerspiegle. „Früher hat der Wolf unseren Schutz gebraucht. Heute müssen wir unsere Almen und Weiden als Natur- und Lebensräume schützen.“ Mit dem ersten länderübergreifenden Aktionsplan wollen Totschnig und Kullgren den weiteren politischen Weg vorzeichnen, etwa durch den Wechsel des Wolfs von Annex 4 in Annex 5 der Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie. Für in Anhang V der FHH-Richtlinie gelistete Tierarten können für deren Entnahme besondere Regelungen getroffen werden. Ist ein günstiger Erhaltungszustand erreicht, können diese im Rahmen von Verwaltungsmaßnahmen entnommen werden, etwa die Gams in Österreich. Für Schweden sei das die Voraussetzung, „alle Instrumente des Werkzeugkastens zu nutzen“ und neue Möglichkeiten für ein flexibleres Wolfsmanagement zu schaffen.

Totschnig und Kullgren wollen dazu eine EU-Arbeitsgruppe unter Einbindung einer Vielzahl betroffener Einrichtungen, um den Austausch von DNA-Analysen und -Methoden untereinander zu fördern.Ebenso soll die Plattform der Erstellung von Factsheets zu Herdenschutzprojekten dienen, um eine evidenzbasierte Kosten-Nutzen-Bewertung zu ermöglichen und die Machbarkeit von Herdenschutzmaßnahmen zu eruieren sowie das Aufzeigen von deren Grenzen. Ziel ist auch, die Anzahl von EU-Vertragsverletzungsverfahren in Bezug auf Herdenschutzmaßnahmen im Zusammenhang mit Wolfsangriffen zu verringern. Alexander Bernhuber: „Eine wissenschaftliche Neubewertung des Schutzstatus und ein praxistaugliches Wolfsmanagement sind wichtige und längst überfällige Schritte für die heimischen Bauernfamilien und den gesamten ländlichen Raum.“

Der Aktionsplan

In diesem wird von Österreich und Schweden eine Neubewertung des strengen Schutzstatus bestimmter Großraubtiere gefordert. Es müsse evaluiert werden, ob die derzeitige Gesetzgebung geeignet und praktikabel sei, der zunehmenden Bedrohung durch diese zu begegnen und biodiversitätsreiche Agrarflächen zu erhalten. Für besonders betroffene Gebiete mit traditionell extensiver Landwirtschaft, wo Herdenschutzmaßnahmen nicht (wirtschaftlich) durchführbar sind, sollen Ausnahmen von den strengen Schutzbestimmungen und eine mögliche Regulierung der Besatzdichten in den Regionen gelten.

Risszahlen in der EUIn Österreich wurden nach Angaben des Landwirtschaftsministeriums 2022 beinahe 800 Schafe, Ziegen und Rinder nachweislich von Wölfen gerissen. 2021 waren es hierzulande mehr als 500 Tiere, im Jahr davor 330. Heuer zählte man bis zuletzt 165 nachweisliche Risse durch Wölfe. In Deutschland wurden 2022 insgesamt knapp 4.500 Risse registriert, in Frankreich knapp 13.000.

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  • Wolf: Elisabeth Cölfen - stock.adobe.com
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AUTORBernhard Weber
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