Umstrittenes Renaturierungsgesetz: Offener Brief eines Betroffenen

Zur EU-Verordnung zur Wiederherstellung der Natur und dem fragwürdigen Vorgehen der grünen Umweltministerin hat Wenzel Bubna aus der Sicht eines jungen Land- und Forstwirtes einen Brief an Leonore Gewessler geschrieben. Hier die etwas gekürzte Fassung.

Sehr geehrte Frau Bundesministerin!

Ich wende mich an Sie in einer für viele Österreicher und EU-Bürger äußerst dringlichen Thematik, in der Sie eine entscheidende Rolle spielen. Es geht um die EU-Verordnung zur Wiederherstellung der Natur, die für die europäische Land- und Forstwirtschaft und die ländlichen Regionen der EU erhebliche Nachteile bringt und von Ihnen als Umweltministerin unterstützt und gefordert wird. Ich möchte als einer, der täglich mit den negativen Herausforderungen des Klimawandels konfrontiert ist, darlegen, warum Ihre Vorhaben sich selbst widersprechen. 

Ich lebe und arbeite in unserem forstlich dominierten Familienbetrieb an der Donau, mitten in Niederösterreich. Seit Generationen bewirtschaftet meine Familie (wie noch 145.000 andere bäuerlich und ländlich geprägte Familien in Österreich; 82 Prozent des österreichischen Waldes sind größtenteils im privaten Kleinwaldbesitz) unsere Flächen. Und das im Einklang mit der Natur. Wir haben größtes Interesse daran, diese nachhaltig zu nutzen und nie mehr zu entnehmen, als der Boden hergibt und auch nachwächst. Wir Land- und Forstwirte sind so stark mit der Natur verbunden wie keine andere Berufssparte in Europa. 

Wenzel Bubna: „Der Name dieser Verordnung hält allerdings in seiner derzeitigen Form nicht ansatzweise das, was er verspricht.“

Nun steht das „Renaturierungsgesetz“ kurz vor einem EU-Beschluss, nachdem das EU-Parlament bereits mit knapper Mehrheit zugestimmt hat. Der Name dieser Verordnung hält allerdings in seiner derzeitigen Form nicht ansatzweise das, was er verspricht. Um nur zwei der vielen drastischen Maßnahmen der Verordnung zu nennen: In der EU soll bis 2030 ein Fünftel der bewirtschafteten Flächen außer Nutzung gestellt und in ihre Ursprungsform zurückversetzt werden. Weiters sollen Pflanzenschutzmittel und Handelsdünger in allen Natura-2000-Schutzgebieten zur Gänze verboten (und somit die Landwirtschaft in manchen Bereichen unmöglich gemacht) werden. 

Der Umweltrat, dem Sie neben 26 weiteren Umweltministern angehören, steht kurz vor der Abstimmung (am 17. Juni) zur besagten Verordnung. Noch ist nicht klar, ob das Renaturierungsgesetz im Umweltrat in seiner derzeitigen Form eine Mehrheit bekommt. Ihre Stimme könnte entscheidend sein. 

Obwohl Sie eine persönlich andere Meinung haben, war bisher aus österreichischer Sicht klar, dass man gegen die Gesetzesinitiative stimmen wird. So haben sich alle neun Bundesländer, die in letzter Konsequenz die Verordnung in die Praxis umsetzen müssten, dagegen ausgesprochen. 

Nun ist es Ihrem Ministerium und NGOs gelungen, das flächenmäßig kleinste Bundesland Wien (das für nicht einmal ein Prozent unserer land- und forstwirtschaftlichen Produktion verantwortlich ist) umzustimmen. Auch das SPÖ-geführte Kärnten überlegt, sich Wien anzuschließen. Sie als grüne Umweltministerin wollen sich nun gegen die Mehrheit der Bundesländer und den bis dato vorherrschenden Konsens in der Bundesregierung stellen. Sie haben angekündigt, Ihr Abstimmungsverhalten Ihrer persönlichen Meinung zu unterwerfen und im EU-Ministerrat Österreichs Stimme für (und nicht wie eigentlich vereinbart gegen) die Verordnung abzugeben. 

Wenzel Bubna: „Sie stellen sich bewusst gegen die bisher klare Linie in der Bundesregierung und klar gegen sieben der neun Bundesländer.“

Sie stellen sich damit bewusst gegen die bisher klare Linie in der Bundesregierung und klar gegen sieben der neun Bundesländer, die 87 Prozent der Landesfläche und über 90 Prozent der bewirtschafteten Fläche Österreichs darstellen. Vor allem aber stellen Sie sich als Ministerin gegen die ländliche Bevölkerung Österreichs. Sie bringen neben den genannten 145.000 Familienbetrieben auch eine große Zahl an von der Land- und Forstwirtschaft (in deren vor- und nachgelagerten Sektoren) abhängigen Personen in eine existenzielle Bedrohung. 

Ich will mit zwei Beispielen ganz konkret aufzeigen, wie sich Ihre Entscheidung direkt sehr negativ auswirkt: Von unserem Betrieb leben neben meiner Familie vier Mitarbeiter. Weiters machen auf unseren Waldflächen etwa 85 Familien aus der Region jährlich ihr Brennholz, heizen ihre Häuser somit klimaneutral. Dazu kommen holzverarbeitende Betriebe, denen wir und andere Forst- und Agrarbetriebe den nachhaltigen, kohlenstoffspeichernden Bau- und Rohstoff Holz liefern. 

Ungefähr die Hälfte unserer Flächen ist Auwald beiderseits der Donau. Über 80 Prozent all unserer Flächen liegen im Natura-2000-Schutzgebiet. Mit kleinen Projekten haben wir bereits mehr als 40 Hektar Grün- und Ackerland stillgelegt und neu aufgeforstet. Im Zuge einer neu gebauten (von uns nicht gewollten) Autobahnbrücke durch die Au haben wir eine kleine Fläche als Naturschutzgebiet stillgelegt und die Nutzung in einer besonders schützenswerten Waldfläche eingestellt und dort ein Trittsteinbiotop angelegt. Die Verordnung sieht nun aber vor, dass besonders schützenswerte Gebiete, zu denen der Auwald (auch aus unserer Sicht) jedenfalls zählt, zur Gänze außer Nutzung gestellt werden. 

Auwälder machen in Österreich nicht einmal fünf Prozent der Waldfläche aus. Es liegt also auf der Hand, dass unsere Flächen laut derzeitigem EU-Vorschlag bevorzugt und so schnell wie möglich aus der Nutzung genommen werden sollen. Ob wir Grundeigentümer dabei mitreden dürfen oder entsprechend entschädigt werden, wurde bis heute nicht kommuniziert. Das mag daran liegen, dass wohl noch nicht klar ist, wie man 20 Prozent der EU-Fläche finanziell entschädigen soll. Würden 20 Prozent der Flächen im kleinen Österreich mit ihrem derzeitigen Wert (2,3 Euro/m², ein angenommener Durchschnittswert) entschädigt werden, bräuchte man dafür 50 Milliarden Euro, was fast der Hälfte unseres Staatsbudgets entspricht. Da ist aber noch keine einzige Renaturierungsmaßnahme eingerechnet.

Neben dem Auwald könnten auch unsere restlichen Flächen betroffen sein, da diese großteils in Natura-2000-Schutzgebieten liegen. Unserem Betrieb würde von heute auf morgen seine Produktionsgrundlage entrissen werden. Auch andere Forstflächen und weitere landwirtschaftliche Betriebe in unserer Region, im restlichen Österreich wären davon genauso betroffen. Ist das wirklich, was Sie als grüne – ich darf Sie zitieren – „nachhaltig, regional und klimafreundlich denkende Ministerin“ anstreben? 

Wenzel Bubna: „Ist das wirklich, was Sie als grüne, nachhaltig, regional und klimafreundlich denkende Ministerin anstreben?“

Die Wachau, unweit unseres Betriebes gelegen, ist weltberühmt und hat wegen ihrer Wein- und Marillenflächen und der damit verbundenen Kultur zurecht den Weltkulturerbe-Status. Die gesamte Region ist ein Natura-2000-Schutzgebiet. Käme es zur von Ihnen angestrebten Verordnung, wären Pflanzenschutzmittel dort nicht mehr erlaubt. Wein- und Obstbau funktionieren ohne diese auch wegen des Klimawandels schon seit Jahrzehnten nicht mehr. Würde das Gesetz umgesetzt, wären der Wein- und der Obstbau in der Wachau schon in fünf Jahren Geschichte und die 3.000 Wein- und Marillenbauern in der Wachau wie auch eine von zwei Weltkulturerbe-Regionen Österreichs dem Untergang geweiht. 

Die „Verordnung zur Wiederherstellung der Natur” ist nicht das erste EU-Gesetz, das bei der Mehrheit der österreichischen (und wohl auch europäischen) ländlichen Bevölkerung für Entsetzen und Kopfschütteln sorgt. Man braucht sich nur näher Ihr Vorgehen bei der EU-Entwaldungsverordnung oder der Erneuerbaren Energierichtlinie III und die von Ihnen gewünschte Aberkennung von Biomasse als erneuerbarer Energieträger in Erinnerung rufen. Dass bewirtschafteter Wald mindestens genauso viel CO2 speichert wie nicht genutzter, wurde mittlerweile durch viele Studien belegt. Auch, dass verarbeitetes Holz langfristig Kohlenstoff speichert und absterbende Bäume durch Verrottung den meisten aufgenommenen Kohlenstoff als CO2 wieder freisetzen, wollen Sie nicht anerkennen. Sie stellen sich also bewusst gegen die gerade von den Grünen so oft beschworene wissenschaftliche Meinung. 

Somit arbeiten Sie auf Basis Ihres unwissenschaftlichen Vorgehens nicht für, sondern gegen das Klima. Sie bevormunden Familienbetriebe, die seit Generationen für und von ihrem eigenen Boden leben. Sie verhöhnen die Natur, das Klima und uns Betroffene, indem Sie diesem und ähnlichen Gesetzen zustimmen.

Wenzel Bubna: „Ich appelliere an Sie, der Verordnung zur Wiederherstellung der Natur in seiner derzeitigen Form nicht zuzustimmen.“

Die Konsequenz aus Ihrem praxisfernen Verhalten ist, dass immer mehr Menschen die EU ablehnen, was mich persönlich traurig macht. Wenn ich erzähle, dass ich ein längeres Praktikum in Brüssel gemacht habe, um die EU besser zu verstehen, ernte ich Misstrauen und Kopfschütteln. Es braucht viel Überzeugungsarbeit, um manche Maßnahmen der Union in ein positives Licht zu rücken. Mit jeder weiteren Maßnahme wie dieser schwindet aber auch meine Motivation, dies zu tun. 

Das kann es doch nicht sein, was Sie wollen! Ich appelliere also an Sie, der Verordnung zur Wiederherstellung der Natur in seiner derzeitigen Form nicht zuzustimmen.

Quelle: Privat

Das Thema beschäftigt mich persönlich sehr, weil es neben meiner Zukunft auch die Zukunft vieler anderer Österreicher und EU-Bürger gefährdet. Ich würde Sie auch gerne zu einem Besuch eines land- und forstwirtschaftlichen Familienbetriebes in unsere Region einladen. Um ihnen zu zeigen, dass wir mit und für die Natur und das Klima arbeiten und nicht dagegen. 

Mit vorerst enttäuschten Grüßen, 
Wenzel Bubna

Zur Person
Wenzel Bubna, 26, absolvierte die HBLA für Forstwirtschaft Bruck/Mur, studierte Staatswissenschaften, ist Förster am Gutsbetrieb der Familie in Donaudorf im Bezirk Krems und war 2021 und 2022 Praktikant im Bauernbund und im Büro des EU-Abgeordneten Alex Bernhuber.

- Bildquellen -

  • Wenzel Bubna: Privat
  • Auenlandschaft: bietau - stock.adobe.com
- Werbung -
AUTORRed. BW
Vorheriger ArtikelBraunviehzüchter aus Leidenschaft
Nächster ArtikelVollspalten-Aus: Ein Mehrstufenmodell liegt auf dem Tisch