Bauernzeitung: Schon wieder ein Landwirtschaftsminister aus dem Bauernbund. Erbpacht oder nicht?
Totschnig: Das klingt, als wäre es unanständig, aus dem Bauernbund zu kommen. Das ist es nicht. Bei Leonore Gewessler kritisiert kein Mensch, dass sie aus einer Umwelt-NGO kommt. Bei „Wer wird Landwirtschaftsminister“ geht es doch darum: Wer kennt die Bauern? Wer die Branche? Und diese Kenntnis bringe ich in das Amt mit. Ich beschäftige mich seit mehr als 20 Jahren mit agrarpolitischen Themen, und ich kenne die wichtigsten Beteiligten der Agrarbranche sehr gut. Das sollte das ausschlaggebende Kriterium sein, als Voraussetzung für gute Sachpolitik in diesem Land.
Wie sehr ficht es Sie an, der nunmehr 13. Bauernbündler in diesem Amt zu sein?
Ich bin katholisch, aber nicht abergläubisch und konzentriere mich lieber auf meine Arbeit. Dass ich der 13. Bauernbündler in diesem Amt bin, habe ich erst in der BauernZeitung gelesen (schmunzelt). Mir geht es jetzt darum, unsere Bäuerinnen und Bauern bestmöglich bei der Bewältigung aktueller Herausforderungen zu unterstützen, die Lebensmittelversorgung im Land zu sichern und die Gemeinsame Agrarpolitik ab 2023 auf Schiene zu bringen.
Sie sind auf einem Milchbetrieb aufgewachsen, haben Wirtschaft studiert und sind landwirtschaftlicher Facharbeiter, waren Sekretär der Jungbauern, in mehreren Ministerien, im Parlament, seit 2017 Direktor im Bauernbund, leben in Wien Neubau und sind dort Bezirksrat. Sind Sie nun mehr Bauer oder eher ein „Bobo“, also „bourgeoise Bohemien“?
Ich bin ein Bauernsohn und sicher kein Bobo. Meine Herkunft, meine Werthaltung, meine Wurzeln sind in Tirol. Ich lebe und arbeite in Wien, ich schätze die Stadt, mag aber auch das Stadtleben.
Ihr Vorgänger Franz Fischler hatte die Physiognomie eines Tiroler Freiheitskämpfers, Andrä Rupprechter kannte man für die „Herz Jesu“-Gelöbnisformel. Woran erkennt man neben der Sprachfärbung Ihre Tiroler Herkunft?
An meiner Bodenständigkeit und sicherlich auch an meiner Liebe zur Natur. Ich muss am Wochenende raus aus der Stadt, in den Wald, in die Berge gehen, ich brauche die Natur. Ich habe auch einen ganz starken Bezug zu Tieren.
Was dürfen sich Österreichs Bäuerinnen und Bauern von Ihnen in der neuen Rolle erwarten?
Dass ich an ihrer Seite stehe! Ich weiß um ihre Herausforderungen: Ukrainekrise, steigende Betriebsmittelkosten, Umsetzung der EU-Agrarpolitik. Umso wichtiger ist unser angekündigtes Entlastungspaket für die Bäuerinnen und Bauern. Ziel ist eine wirksame Liquiditätshilfe, damit sie weiter produzieren und die Bevölkerung mit regionalen Lebensmitteln versorgen können.
Haben Sie auch eine Botschaft an die Jungbauern? Schließlich waren Sie ja einmal deren Generalsekretär.
Dass alle, die Freude an der Landwirtschaft haben, Bäuerin oder Bauer werden sollen. Wir tun alles, um sie dabei zu unterstützen. Vor allem mit der GAP ab 2023 und dem Hofübernehmerpaket. Landwirtschaft erfordert auch eine gewisse Lebenseinstellung, eine bestimmte Art zu leben und zu wirtschaften. Dann hat man auch Freude am Anpacken.
Angesichts der zunehmend angespannten Lage, was den Krieg und die Folgen der massiven Teuerung, der explodierenden Energie- und auch Düngerkosten betrifft, soll ein Entlastungspaket speziell für die Landwirtschaft kommen. Die Rede ist von 110 Millionen Euro. Wann gehen Sie mit konkreten Details an die Öffentlichkeit?
Die dafür notwendige Sonderrichtlinie ist in Ausarbeitung. Einen genauen Zeitpunkt kann ich noch nicht sagen, aber es wird zeitnah geschehen, ich rechne sehr mit Ende Mai.
Als Regierungsmitglied sollen Sie sich künftig wieder rein um die Kernthemen Land- und Forstwirtwirtschaft, Wasser und den ländlichen Raum kümmern. Ein politischer Aderlass oder ein Entschluss mit Weitblick?
Dass ich mich als künftiger Bundesminister für Land-, Forst-, Wasserwirtschaft und unsere Regionen einbringen darf, ist ein großes Privileg. Es geht dabei ja um unsere Lebensgrundlagen, um eine gesicherte Versorgung der Menschen und eine Zukunft für die Landwirtschaft. Die neue Strukturierung der Ministerien, wie sie der Bundeskanzler vorgeschlagen hat, entspricht genau den Notwendigkeiten der Zeit. Wir haben eine Krise, weiterhin die Folgen der Pandemie und müssen den Wirtschaftsstandort absichern. Die Zusammenarbeit mit Tourismus wird auch in Zukunft partnerschaftlich erfolgen.
Welche drei agrarischen Themen sehen Sie als größte Herausforderung in den kommenden Monaten?
Es sind vier Themen: Die Umsetzung der GAP, das Tierwohlpaket, die Rückkehr des Wolfes, und dass wir bei den erneuerbaren Energien vorwärtskommen. Stichwort: Grünes Gas. Da ist schon viel und sehr lange geredet worden.
Im Berggebiet beginnt in den kommenden Tagen und Wochen der Almauftrieb. Viele Tierhalter fürchten um ihre Schafe, Ziegen, Kälber. Ab wann ist für Sie ein Wolf oder auch ein Bär ein Problemtier? Und für wie realistisch halten Sie wolfsfreie Zonen?
Ein Wolf ist dann ein Problemwolf, wenn er wiederkehrend Nutztiere reißt, wiederkehrend in Siedlungen eindringt, offensichtlich die Scheu vor Menschen verloren hat und seine Beute bei den Nutztieren sucht, zum Schaden der Bauern. Der Wolf wird weiter da sein. Daher brauchen wir Spielregeln, wie wir mit ihm umgehen. Und da bin ich für Naturschutz mit Hausverstand. Wolfsfreie Zonen sind laut EU-Kommission rechtlich nicht möglich. Allerdings, sieht die derzeitige Rechtslage auch Ausnahmen vor, bei denen Problemwölfe entnommen werden können.
Stichwort Tierwohl. Tierschützer haben mit Ihrer Vorgängerin ein Katz- und Maus-Spiel betrieben, um ihr Statements zu einem Vollspaltenbodenverbot abzuringen. Der Chef der Schweinebörse rechnet mit einem Verbot in sechs Jahren. Wie werden Sie mit dieser heißen Kartoffel umgehen, ohne sich die Finger zu verbrennen?
Es liegt ein guter Reformvorschlag am Tisch, der mit der Branche erarbeitet worden ist. Tierwohl ist uns allen sehr wichtig – genauso wie die sichere Versorgung mit Lebensmitteln. Jede Bäuerin, jeder Bauer will, dass es den Tieren gut geht. Wir müssen hier immer bedenken: Wenn die Haltung zu teuer wird, können unsere Bauern nicht mehr produzieren, und das wirkt sich unmittelbar auf unsere Versorgungssicherheit aus. Wer die regionale Produktion zerstört, importiert Tierleid. Für mich ist Tierwohl ein gesellschaftspolitisches Thema und nicht allein ein landwirtschaftspolitisches Thema. Dafür braucht es neben Partnern wie dem Lebensmitteleinzelhandel auch das Bewusstsein und Verständnis der Konsumenten. Es wird schon jetzt mehr Bio in Österreich produziert als gekauft wird.
Welche Farbe passt besser zu Grün: Türkis oder Schwarz?
Es geht nicht um Farben, sondern um Werte. Meine Werte sind christlich sozial und mein Kompass ist die ökosoziale Marktwirtschaft. Das Koalitionsklima ist gut, und ich sehe das als Chance, gemeinsam Projekte umzusetzen.
Mit welchen Personen des Koalitionspartners, der Opposition oder auch von Nicht-Regierungsorganisationen werden Sie sich jetzt rasch treffen?
Natürlich mit den Kolleginnen und Kollegen der Grünen, aber ich werde auch mit Vertretern der Opposition reden und mit den Sozialpartnern. Viele kenne ich noch aus der Zeit der rot-schwarzen Regierung. Solche Kontakte sind mir wichtig, ebenso der Austausch mit der Opposition.
Werden Sie weiterhin mit dem E-Scooter an Ihren Arbeitsplatz gelangen, wie bisher ins Bauernbund-Büro?
Das wird sich wohl seltener ergeben, Wege zu offiziellen Terminen sind so einfach nicht mehr möglich. Dabei ist der Roller einfach die schnellste Möglichkeit, durch die Wiener Innenstadt zu kommen.
Wie sehr wollen Sie sich weiter treu bleiben und auch im Ministerbüro am Stubenring das Hauspersonal entlasten, also Nägel einschlagen, Papier zerkleinern, Grünpflanzen gießen und vergessene Lichter abdrehen?
Meine Devise lautete stets: Wo Arbeit anfällt, packe ich an. Man hat mich aber bereits informiert, dass es hier diesbezüglich keinen Personalmangel gibt (schmunzelt erneut). Im Bauernbund habe ich halt, wenn notwendig, vieles selber gemacht, einfach alltäglich Handgriffe erledigt. Das hilft beim Erden.
Gilt das auch privat zu Hause, also fifty-fifty?
Dort ist es mehr als fifty-fifty. Das behaupte ich jetzt mal (lacht). Aber ja, ich erledige auch die anfallende Arbeit im Haushalt. Das ist doch selbstverständlich.
Die Frage habe ich einst auch Minister Rupprechter gestellt: Wieviel PS hat im Durchschnitt ein neuer Traktor in Österreich?
Ich schätze etwas mehr als 100 PS.
Es sind mittlerweile 120 PS…
Bei uns daheim standen die PS des Traktors oder neue Geräte nie im Vordergrund. Mein Vater hat früh die Zusammenarbeit über den Maschinenring gesucht.
Interview: Bernhard Weber