Ost-Bauern klagen über Getreideschwemme aus der Ukraine

Über die sogenannten "Solidaritätskorridore" kommt Getreide aus der Ukraine in großen Mengen zollfrei in die EU.

Getreide aus der Ukraine überschwemmt die Märkte in den östlichen EU-Staaten. Das bringt die Preise unter Druck und die örtlichen Bauern in wirtschaftliche Schwierigkeiten. Aufgrund eines Protestbriefes der betroffenen Ost-Länder stand das Thema auf der Tagesordnung des EU-Agrarministerrats am 30. Jänner. Die Agrarminister fanden allerdings noch keine Lösung des Problems. Die Minister signalisierten eine Fortsetzung der Ukrainehilfe auch über die Solidaritätskorridore.
Eine Möglichkeit, den betroffenen Bauern zu helfen, wäre eine finanzielle Unterstützung aus der Krisenreserve der Gemeinsamen Agrarpolitik. Laut Nachrichtendienst Euractiv erwägt die Kommission auch, die aktuell geltende Aussetzung sämtlicher Zölle auf Agrar- und Lebensmittelimporte aus der Ukraine zu überdenken. Die nächste Möglichkeit zur Diskussion des Problems ist der Ende dieser Woche (3. Februar) angesetzte EU-Ukraine-Gipfel.

Alarmruf in Brüssel

Besonders betroffen von den zollfreien Getreideimporten Aus der Ukraine ist Polen. Gemeinsam mit Ungarn, Bulgarien, Rumänien, Tschechien und der Slowakei hat die polnische Regierung mittels Schreiben an die EU-Partner im Agrarministerrat auf das Problem aufmerksam gemacht. Demnach wären zwischen Jänner und November 2022 alleine nach Polen gut 1,6 Millionen Tonnen Getreide aus der Ukraine eingeführt worden, gegenüber rund 6.000 t im Jahr davor. Auch in den anderen betroffenen Ländern seien die Ukraine-Importe teils um den Faktor 180 gestiegen. Das habe die regionalen Märkte unter Druck gesetzt und Nachfrage sowie vor allem Preise abstürzen lassen. In Polen gab es bereits Demonstrationen aufgebrachter Bauern gegen das Getreidepreisdumping.
Die sechs EU-Staaten betonen in dem Schreiben aber auch, dass sie bereit seien, die Ukraine im Agrarsektor weiter zu unterstützen, wenn dies keine negativen Auswirkungen auf die eigenen Märkte habe. Zudem müssten etwa betroffene heimische Landwirte ihrer Ansicht nach entschädigt werden.

Wojciechowski will GAP-Krisenfonds öffnen

Einen Vorschlag, wie man die Bauern unterstützen könnte, hat EU-Agrarkommissar Janusz Wojciechowski ins Spiel gebracht. Demnach könnte die EU die betroffenen Landwirte mit Hilfen aus der GAP-Krisenreserve unterstützen. Dieser Krisenfonds ist mit rund 450 Millionen Euro ausgestattet und kann zur Finanzierung von Sondermaßnahmen verwendet werden, um Marktstörungen bei der Erzeugung oder Verteilung von Agrarprodukten entgegenzuwirken. Die Aktivierung des Fonds bedarf jedoch der Zustimmung aller EU-Agrarminister. Laut Euractiv sei eine Reihe von Ländern (darunter Finnland, Lettland, Ungarn, Estland und die Tschechische Republik) für die Aktivierung des Fonds. Andere EU-Staaten stellten sich jedoch gegen die Idee, darunter Frankreich, die Niederlande und Dänemark.

Zollfreie „Solidaritätskorridore“

Die Möglichkeit zollfreier Importe aus der Ukraine in die EU wurde bereits im Jahr 2016 eröffnet mit dem vertieften und umfassenden Freihandelsabkommens (DCFTA). Mit dem Abkommen stellte man etwa die Hälfte der agrarischen Ukraine-Exporte in die EU abgabenfrei. Im Zuge des russischen Überfalls auf die Ukraine hat die EU sämtliche Zölle auf ukrainische Agrar- und Lebensmittel ausgesetzt. Die Regelung ist auf ein Jahr befristet und soll im Juni des heurigen Jahres überprüft werden.
Zudem hat die EU im Mai 2022 sogenannte „Solidaritätskorridore“ eröffnet, um den Export landwirtschaftlicher Güter aus der Ukraine über alle möglichen Routen zu unterstützen. Diese Korridore gelten als sehr erfolgreich. Alleine im Dezember sollen nach Angaben der EU-Kommission insgesamt drei Millionen Tonnen Getreide über diese Korridore exportiert worden sein. Der erhebliche Zustom von Getreide in die Nachbarländer führt dort jedoch zu Spannungen.

Terminmärkte haben den Effekt bereits eingepreist

An den internationalen Terminmärkten scheint der Effekt der günstigen Ukraine-Lieferungen bereits „eingepreist“. Laut Vermarktern wird Getreide einschließlich Mais aus der Ukraine aktuell bereits bis an den Oberrhein gehandelt. Zudem blicke man bereits auf die diesjährige Weizenernte, die in der Ukraine um etwa ein Drittel kleiner ausfallen könnte als im Vorjahr. Offen ist noch, welchen Umfang der Maisanbau in der bevorstehenden Saison einnehmen kann. Da in der Ukraine Kapitalgeber aus Europa und auch aus den USA tätig sind, erwartet man kaum Rückgänge beim Frühjahrsanbau.

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AUTORH.M.
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