Wie leicht ist Ihnen die Entscheidung gefallen, von Brüssel nach Graz zu wechseln?
SCHMIEDTBAUER: Diese Entscheidung ist mir absolut nicht leichtgefallen, weil wir eigentlich alles, was den EU-Wahlkampf 2024 beinhaltet hätte, bereits fertig haben. Es fiel mir auch deshalb sehr schwer, weil ich mich dort gut eingelebt und ein Supernetzwerk aufgebaut habe. Nachdem meine Entscheidung bekannt geworden ist, dass ich in die Steiermark wechsle, habe ich Anrufe vom schwedischen Minister und von der finnischen Ministerin bekommen, auch weil wir in Forst-Fragen gut zusammengearbeitet haben. In jedem Fall war es ein sehr emotionaler Abschied, deshalb habe ich ein weinendes und ein lachendes Auge – so sind halt immer diese Wechsel.
Was hätten Sie noch gerne in Brüssel erreichen wollen?
Da hätte es noch viele Themen gegeben, die ich noch gerne hätte erledigen wollen. Ich denke an die neuen Züchtungsmethoden, die Saatgutverordnung, das Gesetz zur Bodengesundheit und natürlich an den Wolf, wo wir am Drücker geblieben wären. Vielleicht wäre auch noch das Thema Tiergesundheit dazugekommen. Weiters nenne ich die verpflichtende EU-weite Herkunftskennzeichnung und natürlich Mercosur. Da gibt es also noch ganz viele Themen, die bis zur EU-weiten Vereinheitlichung des Traktorführerscheins reichen – übrigens ein Thema, das ich ins Rollen gebracht habe.
Sie folgen Hans Seitinger, dem längst dienenden Regierungsmitglied in Österreich. Was wird sich im Agrarressort ändern, welche Schwerpunkte möchten Sie setzen?
Im Büro wird sich nichts verändern, denn ich habe einen gut bestellten Hof von Hans Seitinger übernehmen dürfen. Das Knowhow ist da. Was meine Schwerpunkte betrifft, steht für mich die Lebensmittelstrategie an vorderster Stelle. Lebensmittelversorgungssicherheit ist keine Selbstverständlichkeit. Wir müssen den Menschen vor Augen führen, welche Kostbarkeiten tagtäglich produziert werden. Damit geht für mich auch die Wertschätzung der Arbeit unserer Bäuerinnen und Bauern einher, denn sie versorgen ja die Menschen mit Lebensmitteln.
Sofort nach der Angelobung haben Sie ein Treffen mit Umweltlandesrätin Ursula Lackner gehabt. In deren Zuständigkeitsbereich fallen Themen wie Prädatoren, Regionalprogramm und Raumordnung, die den Bauern und Bäuerinnen oft unter den Nägeln brennen. Wie ist dieses Gespräch gelaufen?
Wir hatten drei Punkte auf der Tagesordnung. Der erste war der Wolf, der zweite das Regionalprogramm, der dritte der Fischotter. Das Gespräch ist sehr gut verlaufen. Landesrätin Lackner ist sich der Situation durchaus bewusst und weiß, dass es Handlungsbedarf gibt. Selbstverständlich wird es weitere Gespräche geben.
In der letzten Woche haben Finanzlandesrat Anton Lang den Budgetentwurf für das Jahr 2024 und Bundesminister Norbert Totschnig Details aus seinem Agrarbudget präsentiert. Wie zufrieden sind Sie als Agrarlandesrätin damit?
Dass Bundesminister Totschnig mehr Geld für die Land- und Forstwirtschaft aufgestellt hat, ist natürlich sehr begrüßenswert. Um die heimischen Bauernfamilien in dieser herausfordernden Zeit zu unterstützen, werden Bund und Länder zusätzlich 360 Millionen Euro als „Impulsprogramm für die Landwirtschaft“ mobilisieren. Dieser Beitrag kommt nicht nur dem Erhalt unserer kleinstrukturierten Familienbetriebe zugute, sondern wirkt auch inflationsdämpfend und sorgt für Wertschöpfung im ländlichen Raum. Gemeinsam mit dem Bund nehmen wir in der Steiermark Geld in die Hand, um in eine starke, resiliente Lebensmittelversorgung zu investieren und dafür zu sorgen, dass saisonale Lebensmittel aus der Region auch ohne Abstriche bei der Qualität leistbar bleiben.
Als Landesrätin sind Sie auch für den Wohnbau zuständig. Wohin soll da der Weg gehen?
Für mich ist es ganz wichtig, die Sanierung vor den Neubau zu stellen und dass wir Jungfamilien unterstützen, dass sie für das Wohnen Eigentum schaffen können. Und immer unterstützen werde ich den Holzbau, dafür schlägt mein Herz. Wenn wir schon eine Ressource haben, die beim Fenster hereinwächst, dann müssen wir sie auch nützen.
In Ihren Zuständigkeitsbereich, der auch die Landwirtschaftsschulen, das Wasser- und Ressourcenmanagement sowie das Veterinärwesen umfasst, fällt – und das neu – der Bereich Familie, Frauen, Jugend und Generationen. Ist das nicht ein ziemlich großes Ressort?
Ja, das ist es unbestritten, wenngleich das Ressort Gesellschaft genau das ist, wofür wir Bäuerinnen und Bauern stehen. Es ist ein Spiegelbild dessen, was wir auch vorleben wollen. Ganz wichtig sind mir dabei die Selbständigkeit und Gleichstellung von Frauen, dass man finanziell unabhängig ist und die Prävention im Bereich Gewalt. Unfassbar, was da an Arbeit auf uns wartet. Vor allem beim letzteren Punkt ist ganz viel Aufklärung vonnöten. Wir dürfen nicht wegschauen, wenn man etwas vermutet, sondern müssen handeln. Wenn man wegschaut, macht man sich zum Mittäter.
Voraussichtlich in einem guten Jahr finden die Landtagswahlen in der Steiermark statt. Schon vorher gibt es die EU-Wahlen und Nationalratswahlen. Was muss die ÖVP tun, um diese Wahlen gut zu schlagen?
Wir müssen weiterhin die Partei der Mitte sein. Wir müssen – wie wir es immer gemacht haben – raus zu den Menschen und sie in unsere Entscheidungen miteinbinden. Wir müssen uns Zeit nehmen und den Menschen zuhören. Ich selbst werde Sprechstunden im Landhaus einführen. Ich will es nicht erleben, dass jemand sagt, er findet bei seiner eigenen Landesrätin kein offenes Ohr.
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- Simone Schmiedtbauer: BB Steiermark