Wir stehen an der Stunde null”, so beschreibt Ernst Karpfinger, Obmann des Rübenbauernbunds für NÖ und Wien sowie der Österreichischen Zuckerrübenverwertungsgenossenschaft (Özvg), die aktuelle Situation der Rübenbauern. Denn mit 30. September 2017 läuft europaweit die bisherige Zuckermarktordnung samt Quotenregelung und Rübenmindestpreis aus. Das heißt, die Rübenabrechnung des Anbaus 2017 erfolgt bereits unter den Bedingungen der neuen EU-Zuckerpolitik.
Preisabsicherung und Lieferrechte fallen weg
Karpfinger: “Mit dem Auslaufen der Zuckerquote fällt auch das Lieferrecht für die Bauern weg, auch der Rübenmindestpreis ist Geschichte, und es gibt unter den künftigen Marktregeln auch nicht mehr die bisher vorgenommene Preisdifferenzierung zwischen Quotenzucker und Industriezucker. Weiters entfällt auch die Verpflichtung der Industrie zur Übernahme der Frachtkosten.”
Elemente der bisherigen Marktordnung, die bestehen bleiben, sind der Außenschutz, der allerdings schon durch bevorzugte Einfuhren aus verschiedenen Ländern geschwächt ist, sowie die Möglichkeit einer Beihilfe zur privaten Lagerhaltung und die Preisberichterstattung. Rübenbauern und Zuckerindustrie können auch weiterhin Branchenvereinbarungen abschließen, in denen sie ihre Lieferbeziehungen und Abrechnungsmodelle regeln. Genau hier haben auch Rübenbauern und Agrana eingehakt.
Karpfinger: “Ein geordnetes und auf Dauer angelegtes Liefer- und Abrechnungsmodell ist in beiderseitigem Interesse.” Die Industrie brauche die Rübe, und die Bauern brauchen einen preislichen Anreiz, damit sie auch ausreichend Rüben anbauen. Dies war der Ausgangspunkt für Verhandlungen, die bereits seit einigen Monaten geführt wurden und die nun fertig paktiert sind. In den kommenden Wochen werden die Rübenbauernbünde das neue Modell in den Sprengelversammlungen vorstellen, damit die Neukontrahierung des Anbaus 2017 im Frühjahr unter bereits bekannten Rahmenbedingungen erfolgen kann.
Bauern und Industrie machen halbe-halbe
Laut Karpfinger lauteten die Verhandlungsziele der Bauern wie folgt:
• Das bisherige System ohne Bruch weiterentwickeln, d. h. Grundlage des Rübenanbaus bleibt auch weiterhin ein mit den bisherigen Lieferanten vertraglich vereinbartes Lieferrecht.
• Zwischen Lieferrechtsrüben und darüber hinaus gehenden Rübenmengen soll es eine preisliche Differenzierung geben. Und
• die Rübenabrechnung soll auf Grundlage einer “fairen Erlösteilung” zwischen Industrie und Bauern im Verhältnis von “in etwa” 50 zu 50 erfolgen. Dazu ist ein geeignetes Preismodell zu entwickeln.
Lieferrecht Österreich wird um 15 % angehoben
Rübenbauern und Industrie haben zu diesen Punkten nun konkret vereinbart, dass die bisher bestehenden Lieferrechte auch die Grundlage für das neue “Lieferrecht Österreich” sind. Weil Österreichs Rübenbauern aber die bisher bestehende Quote von 350.000 Tonnen (t) Weißzucker schon regelmäßig überliefert haben – in jüngerer Vergangenheit wurden meist an die 500.000 t Weißzucker angedient – wird das Lieferrecht um etwa 15 % auf 400.000 t aufgestockt. Diese Menge ist mit Agrana vertraglich festgelegt und soll auch die Grundauslastung der Industrie sichern.
Jeder aktive Rübenbauer erhält eine Einladung zu dieser Aufstockung auf Grundlage seines bisherigen Lieferrechts. Die Aufstockung ist freiwillig, es kann auch eine Aufstockung in größerem Umfang beantragt werden. Vertragspartner der Bauern puncto Lieferrecht ist zunächst die Özvg. Dies bedeutet, dass für die Lieferrechtsaufstockung auch Özvg-Anteile zu zeichnen sind. Dies schlägt mit einem Betrag von 250 Euro pro Tonne zusätzlichem Weißzucker-Lieferrecht zu Buche. Zu beachten ist hierbei, dass die Özvg-Anteile durch die dahinter stehende Beteiligung an Agrana “werthaltig” sind, und dass es auch eine im Vergleich zu anderen Anlageformen attraktive Verzinsung gibt. Weiters bleiben die Lieferrechte auch in Zukunft handelbar. Über das Lieferrecht hinausgehende Mengen (“Mehrmengen”) sind im Prinzip frei kontrahierbar, der mögliche Mengenrahmen hierfür beträgt etwa 100.000 t Weißzucker.
Mehrrübe erzielt um fünf Euro weniger
Allerdings kann diese Mehrrübe nicht den von Agrana gewährten Kostenersatz für die garantierte Lieferrechtsrübe und die Bereitstellung der Rübenplätze erzielen. Dieser Kostenersatz wurde mit fünf Euro pro Tonne festgelegt. Der Preisunterschied zwischen Lieferrechtsrübe und Mehrrübe beträgt somit fünf Euro pro Tonne.
Das zwischen Agrana und Rübenbauern vereinbarte Preismodell zur künftigen Rübenabrechnung sieht einen “variablen Basispreis” vor. Dabei handelt es sich um einen Mindestpreis, in dem Zuckergehalt, Rübenqualität und Schnitzelvergütung berücksichtigt sind. Als Zuschlag gibt es die bereits erwähnten fünf Euro pro Tonne für Anliefergarantie und Rübenplatzbereitstellung “rund um die Uhr” weiterhin gibt es auch einzelbetriebliche Zuschläge für Früh- und Spätlieferung sowie eine Wegstreckenvergütung. Abschläge vom Basispreis gibt es durch den sog. Korrekturwert und die nunmehr unausweichliche Frachtkostenbeteiligung der Rübenbauern. Der Korrekturwert berücksichtigt die Zuckerverluste am Rübenlager; Agrana und Rübenbauern haben hier eine 50 zu 50 Kostenteilung vereinbart, was die Tonne Rübe mit etwa 70 Cent belastet. Mehr ins Gewicht fällt der von den Rübenbauern künftig zu tragende 25 %-Anteil an den Frachtkosten von den Lagerplätzen zu den Zuckerfabriken. Im Durchschnitt beträgt dieser Anteil etwa 1,30 Euro/t Rübe. Da jedoch einzelbetrieblich abgerechnet wird, sind fabriksferne Rübenbauern stärker belastet als fabriksnahe. Bei den Rübenbauernbünden sind in diesem Punkt noch “Härtefallregelungen” in Überlegung, um gravierende Benachteiligungen abzufedern.
Hans Maad
Dass das erzielte Ergebnis herzeigbar ist, belegt die Gegenüberstellung mit den in den Vorjahren tatsächlich erreichten Abschlüssen (siehe Grafik).