Den aktuellen Krisen müsse mit einer nachhaltigen und wettbewerbsfähigen Landwirtschaft begegnet werden, forderten Landwirtschaftsminister Norbert Totschnig, der Präsident der Landwirtschaftskammer, Josef Moosbrugger, und Bauernbund-Präsident Georg Strasser anlässlich der Grünen Woche in Berlin, die noch bis Sonntag stattfindet.

Quelle: BML / Hemerka
Während auf der Grünen Woche Besucher an allen Ecken mit Kulinarik angelockt werden, nutzten Agrarpolitiker die Messe, Gehör für ihre Anliegen zu finden, darunter 70 Agrarminister aus aller Welt.

„Österreich bekennt sich zu den europäischen Klima- und Umweltzielen“, stellte Totschnig klar. Bei der Umsetzung des Green Deals und des „Fit for 55“-Pakets müsse allerdings die Versorgungssicherheit berücksichtigt werden. „Eine multifunktionale Waldbewirtschaftung, wie wir sie in Österreich praktizieren, und die nachhaltige Nutzung von Holz sind Schlüsselfaktoren für die Versorgung mit erneuerbarer Energie und damit weniger fossile Importe“, betonte der Minister. Umso unverständlicher seien die Pläne auf EU-Ebene, Biomasse nicht mehr als erneuerbar einzustufen.
Moosbrugger warnte davor, dass viele EU-Strategien und Pläne „in eine einseitige, ja geradezu gefährliche Richtung gehen“, was die Preise und Importabhängigkeiten weiter befeuere und letztlich auch dem Klima nicht nützen würde. „Und das in Zeiten enormer Marktsprünge, Inflation und steigendem Welthunger“, so der Kammerpräsident. „Wir brauchen zum Ausbau der Krisenfestigkeit unserer Versorgung europaweit eine bessere Balance zwischen Umwelt, Wirtschaft und Sozialem.“ Zentrale Ansatzpunkte laut Moosbrugger seien die Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit bäuerlicher Familienbetriebe „auch durch einen angemessenen Wertschöpfungsanteil“ und weniger Bürokratie.
Georg Strasser wies darauf hin, dass sich Österreichs Bauernfamilien mit immer höheren gesellschaftlichen Anforderungen konfrontiert sähen. „Wir sind bereit, diese zu erfüllen – dafür braucht es aber eine praxisorientierte Gesetzgebung und wirtschaftlich machbare Vorgaben.“ Dass österreichische Qualität auch international gefragt sei, belege laut Strasser die aktuelle Agrar-Außenhandelsbilanz mit steigenden Absatzzahlen.

Agrarexporte florieren

Diese Agrar-Außenhandelsbilanz Österreichs war am Tag zuvor von der neuen Marketing-Chefin der Agrarmarkt Austria (AMA), Christina Mutenthaler-Sipek, und von Julia Göschlbauer, AMA-Export-Managerin, präsentiert worden. Österreichs Außenhandel mit Agrar- und Lebensmittelprodukten habe auch 2022 gut floriert. Basierend auf den Zahlen bis Ende September prognostiziert die AMA für das Gesamtjahr 2022 hochgerechnet einen Gesamtexportumsatz in Höhe von knapp 16 Mrd. Euro. Gegenüber 2021 wäre dies eine Zunahme um 15,6 Prozent. Zurückzuführen sei dieses Plus laut AMA vorwiegend auf Preissteigerungen. Das Importgeschäft ging voraussichtlich ebenfalls leicht nach oben auf 16,2 Mrd. Euro (+16,4 %). Damit sei die Außenhandelsbilanz mit allen Ländern nach 2020, als sie erstmals positiv war, wie schon 2021 leicht negativ.
Wichtigster Zielmarkt für die rot-weiß-roten Agrar-und Lebensmittelexporte war einmal mehr Deutschland. Vom gesamten agrarischen Außenhandel Österreichs ging damit wertmäßig gut ein Drittel nach Deutschland. Auch die Importe Österreichs legten in ähnlichem Ausmaß zu. Damit fiel die Außenhandelsbilanz mit Deutschland zum dritten Mal in Folge positiv aus, so Mutenthaler-Sipek.
Besonders gefragt bei den Deutschen waren einmal mehr Milchprodukte, Rindfleisch sowie veredeltes Obst und Gemüse aus dem „Land der Berge“, mit denen die AMA derzeit in ausgewählten Supermärkten nicht nur in Berlin wirbt. Im Ranking dahinter folgt Italien. Drittwichtigster Markt sind die USA, zurückzuführen auf ein hohes Preisniveau, mengenmäßig kommen die USA nur auf Platz sechs. Fast 86 Prozent des kompletten österreichischen Agrarexports wurden in den ersten drei Quartalen 2022 wertmäßig in Europa, in Holland, der Schweiz, Ungarn, Tschechien, Frankreich und Polen, abgesetzt. Besser gelaufen als erwartet sei auch das Geschäft mit Russland (Platz 10) und sogar mit der Ukraine, wenn auch letzteres auf im Vergleich niedrigem Niveau von gerade einmal 80 Mio. Euro. Marktstörungen, wie von manchen durch die EU-Vorrangregelung für Agrarprodukte aus der Ukraine befürchtet, verzeichnete man in Österreich indes bislang nicht. Resümee von Mutenthaler-Sipek: „Unsere Agrar- und Lebensmittelerzeugnisse liegen weiter im Aufwärtstrend. Dieser Erfolg ist aber kein Selbstläufer, wir können uns nicht zufrieden zurücklehnen. Es kann schnell anders aussehen.“
Am Samstag verpflichteten sich 70 Agrarminister aus aller Welt bei einer vom Global Forum for Food and Agriculture einberufenen Konferenz unter anderem dazu, „nachhaltige, krisenfeste Ernährungssysteme zu fördern“. Lebensmittel sollen für alle Menschen „verfügbar, erschwinglich und sicher“ zur Verfügung stehen, um das Ziel der Vereinten Nationen (UN) „einer Welt ohne Hunger bis 2030“ zu erreichen. Das erfordere mehr Klimaschutz und die Anpassung der Land- und Ernährungswirtschaft an den Klimawandel. Treib-hausgasemissionen sollen durch nachhaltiges Boden- und Düngemanagement und in der Nutztierhaltung reduziert werden, ebenso der Energieverbrauch in der Landwirtschaft. Zum Erhalt der Biodiversität soll der Einsatz von Dünge- und Pflanzenschutzmitteln effizienter und so die Verschmutzung von Böden und Gewässern reduziert werden. Entwaldung und Wüstenbildung sollen verhindert werden.
Deutschlands Landwirtschaftsminister Cem Özdemir zeigte sich zufrieden mit den Ergebnissen der Konferenz. Er sprach „von einem deutlichen Signal, das von Berlin in die Welt ausgehe“. Russland war nicht zur Agrarministerkonferenz eingeladen. China und Südafrika waren nicht vertreten. Auch Österreichs Minister war bereits abgereist.

Agrarwende-Demo mit Kritik an Özdemir

Zeitgleich zogen auch heuer etwa 10.000 Teilnehmer bei der „Wir haben es satt!“-Demo durch das Berliner Regierungsviertel. Bei der Abschlusskundgebung vor dem Brandenburger Tor riefen sie erneut die rot-gelb-grüne Ampelkoalition dazu auf, eine „sozial gerechte Agrarwende“ zu vollziehen.
Das Bündnis aus mehr als 100 Organisationen der Landwirtschaft, von Umweltschützern und Sozialvertretern hatte zuvor Cem Özdemir einen Sechs-Punkte-Forderungskatalog überreicht. Es gehe ihnen um „faire Erzeugerpreise“ und das Verbot des Handels von Agrarerzeugnissen unter den Produktionskosten. Auch sollten Ackerflächen bevorzugt für die menschliche Ernährung genutzt werden müssen anstatt für die Erzeugung von Futtermitteln und Biokraftstoffen. Generell verboten werden sollen „Lebensmittelspekulationen“ an der Börse. Eine gentechnikfreie Landwirtschaft soll gesichert, „unfaire Handelsabkommen“ sollen gestoppt werden.
Scharfe Kritik („wenig ambitioniert, mutlos, zu langsam“) wurde auch an der bisherigen Bilanz des grün geführten Landwirtschaftsressorts in Deutschland geübt. Cem Özdemir blockiere die notwendige Agrarwende und stelle sich nicht konsequent gegen das Höfesterben, lautete der Vorwurf.

Quelle: Christophe Gateau / dpa / picturedesk.com
Protest rund um das Brandenburger Tor für eine Agrarwende.

Özdemir selbst hat anlässlich der Grünen Woche gefordert, die Steuer für Obst, Gemüse und Hülsenfrüchte abzuschaffen, „als wichtiges Signal für gesundes Essen und als klares Bekenntnis zu einem Wandel der Land- und Ernährungswirtschaft, zum Schutz von Natur und Klima“. Auch bekräftigte er einmal mehr seine Forderung nach einem schrittweisen Aus für Direktzahlungen. Pauschale, flächengebundene Prämien sieht er als „Auslaufmodell“.
Deutschlands Bauernverbandspräsident Joachim Rukwied dagegen argumentierte in Berlin wie die Agrarpolitiker aus Österreich: Auch er ist der Ansicht, dass zahlreiche politische Vorhaben den Potenzialen der Landwirtschaft beim Klima- und Naturschutz sowie der Versorgungssicherung mit Lebensmitteln „nahezu fahrlässig“ entgegenstünden. Rukwied: „Wir stehen zu den Zielen des Green Deals. Der politisch eingeschlagene Weg etwa bei den Plänen zur pauschalen Reduktion des Pflanzenschutzmitteleinsatzes und zur Renaturierung ist jedoch der gänzlich falsche.“ Die aktuellen EU-Pläne seien für zahlreiche Betriebe existenzgefährdend und würden zu einer Verringerung der Agrarproduktion in Europa führen, warnte Rukwied.

Compliance-Hinweis: Die Reisekosten zur Grünen Woche Berlin wurden vom Landwirtschaftsministerium, der LK Österreich und der AMA Marketing bezahlt.

- Bildquellen -

  • Agrarpolitiker: BML / Hemerka
  • Demonstration: Christophe Gateau / dpa / picturedesk.com
  • Messe Berlin II: Messe Berlin
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AUTORBernhard Weber
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