“Die Land- und Forstwirtschaft ist von den Auswirkungen der Corona-Krise massiv betroffen. Infolge der notwendigen Einschränkungen waren es zuerst die Gärtnereien, deren aufgezogene und fertige Frühjahrswaren nicht verkauft werden durften, und die Urlaub am Bauernhof-Betriebe mussten ihre Tätigkeit von einem Tag auf den anderen einstellen. Der Wegfall von Gastronomie und Tourismus als Abnehmer unserer Produkte und die Schließung der Grenzen bedeutet enorme Auswirkungen auf den Milch- und Fleischmarkt.” Dies betonte LK-Präsident Josef Moosbrugger bei der Vollversammlung der Landwirtschaftskammer Vorarlberg am Donnerstag, den 16. April, die aufgrund der aktuellen Situation online durchgeführt wurde.
“Zwar wird ein Teil der Waren nunmehr verstärkt über den Lebensmittelhandel abgesetzt, dennoch führen die Auswirkungen zu massiven Verwerfungen im Schlachttierabsatz und in der Milchproduktion. Überdies ist damit zu rechnen, dass die nunmehr verstärkt mit Milch getränkten Kälber im Frühsommer nur sehr schwer am Markt unterzubringen sein werden. Durch den Konkurs der Firma Vonach in Lauterach fehlt im Ländle ein großer Zerlegebetrieb. Die Auslastung des Schlachthofes ist aufgrund der Absatzschwierigkeiten und der Auswirkungen dieses Konkurses schlecht. Ohne Schlacht- und Zerlegekapazitäten steht der Weiterbestand der Fleischerzeugung und -verarbeitung in Vorarlberg auf dem Spiel”, gab Moosbrugger zu bedenken. Gerade in diesen Zeiten habe sich aber gezeigt, “wie wichtig es ist, dass wir im Land über geeignete Kapazitäten verfügen, damit die bisherigen Partner im Fleischbereich und die Bevölkerung mit Fleisch und Wurstwaren aus der Region versorgt werden können”.
Landwirtschaft ist Krisenvorsorge
“Die Bedeutung der Eigenversorgung sowie der Bäuerinnen und Bauern als Produzenten hochwertiger Lebensmittel hat sich in diesen Wochen mit aller Deutlichkeit gezeigt. Landwirtschaft ist Krisenvorsorge und funktioniert über Generationen. Die Arbeit der bäuerlichen Betriebe ist von hoher Wichtigkeit, und vielen wurde jetzt erst die Bedeutung einer gesicherten Versorgung bewusst”, betonte der LK-Präsident. Es gebe bereits Länder, die ihre Exporte eingeschränkt haben.
“Die geschlossenen Grenzen erschweren es, die für die Ernte bisher eingesetzten Arbeitskräfte zu bekommen, und das nicht nur in Österreich. Initiativen wie ‘dielebensmittelhelfer.at‘ sind wichtige Ansätze, um das Fehlen von Arbeitskräften zumindest zum Teil ausgleichen zu können. Dennoch ist es notwendig, dass zumindest Schlüsselarbeitskräfte wieder auf die Betriebe kommen können. Es braucht in dieser Situation beides – Interessierte und Profis, denn nur dann gelingt es, die Ernte vom Feld zu bringen und die Lebensmittelversorgung sicherzustellen”, so Moosbrugger.
“Neue Ideen geben hier Hoffnung und bieten auch Chancen. Hofläden und Direktvermarkter finden hohen Zuspruch. Initiativen wie ‘Guats vo do‘ werden sehr gut angenommen. Sie bieten die Möglichkeit, dass Landwirtschaft und Konsumenten direkt in Verbindung treten können. Das schafft Beziehung und Vertrauen”, sagte der Präsident. Die LK setze sich dafür ein, dass unter Einhaltung der Sicherheitsbestimmungen Bauernmärkte in Vorarlberg wieder durchgeführt werden können, “denn sie leisten einen wichtigen Beitrag zur Grundversorgung der Bevölkerung mit regionalen Produkten”.
Zukunft der Fleischvermarktung
“In enger Abstimmung mit Agrarlandesrat Christian Gantner und Vertretern der politischen Parteien im Vorarlberger Landtag sowie weiteren Experten ist es uns gelungen, ein Konzept für die künftige Ausrichtung der Fleischverarbeitung zu erstellen. Unser gemeinsames Ziel ist es, auf genossenschaftlicher Basis einen Schlacht- und Zerlegebetrieb zu führen. Dieser hat die Aufgabe, Schlachtung und Fleischzerlegung im Land zu ermöglichen, um damit die Basis für die Inlandsversorgung sicherzustellen. Damit dies gelingt, ist es notwendig, dass sich Partner finden, die bereit sind, ihren Fleischeinkauf in Vorarlberg zu tätigen. Als ersten Schritt wollen wir diese Konzeption am bestehenden Schlachthof als Pilotprojekt starten. Diese Erfahrung soll die Grundlage für die Umsetzung des Schlachthofkonzeptes mit Zerlegung und Vermarktung sein”, berichtete der Präsident.
Die Landwirtschaft sei interessiert an Partnern, die langfristige und tragfähige Beziehungen wollen, dazu habe man einen Aufruf gestartet. “Vertragslandwirtschaft ist für Bäuerinnen und Bauern ein Modell, dem wir offen gegenüberstehen, wenn diese auf Augenhöhe stattfindet. Wir begrüßen es, dass das Land Vorarlberg sich klar zu dieser Strategie bekennt und dort, wo selbst eingekauft wird oder landeseigene Gesellschaften einkaufen, klare Regelungen und Vorgaben getroffen werden, damit diese Zusammenarbeit gestärkt wird”, sagte Moosbrugger.
Milchwirtschaft: Veredelung ist der richtige Weg
“Für die Vorarlberger Milchwirtschaft ist aufgrund der geschlossenen Grenzen der Absatz erschwert. Durch vorgegebene Mengenreduktion soll der Marktdruck verringert werden. Die Käselager, welche im Frühjahr gut geräumt waren, nehmen einen Teil der Waren auf. Es zeigt sich hier wiederum, dass die Veredelung der richtige Weg ist. Würde nur Frischmilch erzeugt, wären die Mengen weder lager- noch absetzbar”, gab der LK-Präsident zu bedenken.
Forstwirtschaft massiv betroffen
Ein besonders betroffener Bereich ist die Forstwirtschaft. “Nach Jahren mit Windwürfen und enormen Preisrückgängen infolge des hohen Schadholzanfalls wegen der Borkenkäferkalamitäten in vielen Regionen Europas, ist die Situation heuer doppelt dramatisch. Die Aufarbeitung des Schadholzes der Stürme Anfang des Jahres muss zwingend und rasch erfolgen, damit die Borkenkäfervermehrung hintangehalten wird. Aufgrund der geschlossenen Grenzen und des Herunterfahrens ganzer Wirtschaftszweige ist der Holzabsatz eingebrochen. Als erste Maßnahme sollen Nasslager errichtet werden. Damit soll die Zeit, bis wieder ein Holzverkauf möglich ist, überbrückt werden”, informierte Moosbrugger.
LK-Beratung mit neuen Schwerpunkten
Die Landwirtschaftskammer gehe mit neuen Bildungsangeboten auf neue Herausforderungen ein. Mit Ansätzen wie der Innovationsberatung und mit Offensiven wie “Guats vo do” und dem “Ländle Alprind” bearbeite man aktiv neue Aktionsfelder. Das LFI Vorarlberg erarbeite zielgerichtete Fort- und Weiterbildungen und bereite die Saat für zukunftsfitte Betriebe. “Mit bewährten und gut nachgefragten Angeboten wird der Bedarf gedeckt, und mit neuen innovativen Bildungsveranstaltungen werden Betriebsleiter für Neues begeistert und fit gemacht”, sagte Moosbrugger.