In Umfragen kann Christian Kern noch von seinem Ruf zehren – 42 Prozent in der Kanzlerfrage, wie jüngst von Market erhoben, sind ein Spitzenwert. In den Niederungen der Tagespolitik kommt der Bundeskanzler mit diesem Bonus allerdings nicht viel weiter. Da äuöerte er in der Budgetdebatte “ein solides Budget ist nicht genug”. Wer würde ihm da nicht beipflichten? Nur: Wie man seine Ziele – Konsolidierung weiter vorantreiben, gleichzeitig aber auch für Wirtschaftswachstum und Konjunkturbelebung sorgen – unter einen Hut bringen kann, das hat Kern nicht verraten. Es wäre allerdings die Aufgabe eines politischen Leaders, die Linie vorzugeben. Und zwar so, dass ihm alle in der Regierung folgen können. Dabei bringt Kern es aber nicht einmal fertig, in der eigenen Partei die Linie vorzugeben: Erst hat er seine Genossen aufgestachelt, sich gegen das Freihandelsabkommen Ceta auszusprechen. Das haben sie getan, weil ja Österreicher gern einmal Nein zu all den Dingen sagen, von denen sie nichts verstehen. Dann hat Kern sich auf das Notwendige und Richtige besonnen und Ceta doch zugestimmt – was in der von ihm selbst unnötig aufgeheizten Stimmung nicht nur von Sozialdemokraten, sondern auch von allen möglichen Akteuren der sogenannten Zivilgesellschaft und schlieölich auch von vielen Journalisten als Umfaller interpretiert worden ist. Besser wäre Kern weggekommen, wenn er sich darauf verlegt hätte, das Notwendige populär zu machen, statt dem Populären eine Stimme zu geben. Der Koalition, aber auch seinem eigenen Image tut er damit nichts Gutes.
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