Brot war in den Anfangsmonaten der Corona-Pandemie begehrter denn je, die Germ- und Mehl-Vitrinen waren zwischendurch sogar ausverkauft. Die Supermärkte hatten damals, im März und April 2020, ordentlich zu tun, den Brothunger der Konsumenten zu stillen. Rund 85 Prozent des Brotes und Gebäcks werden in Österreich in Supermärkten verkauft. Knapp 11 Prozent gehen in den immer weniger werdenden Bäckereien – 2020 gab es in der Alpenrepublik nur mehr 1445 Bäckereien – über den Ladentisch. Den prozentuell bescheidenden Rest von etwa 4 Prozent beziehen Herr und Frau Österreicher beim Bauern – entweder am Bauernmarkt, ab Hof oder in Direktvermarktungsläden. Nichtsdestotrotz erlebt Bauernbrot bei den Konsumenten eine Renaissance. „Die Leute greifen auch deshalb danach, weil in unserem Brot Lebensmittel sind, während man beim industriellen Brot nur mehr von Zutaten spricht“, betont die steirische Brotexpertin Eva Lipp. Dieser Boom soll aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass das Brotbacken als jahrtausendealte Handwerkskunst vom Aussterben bedroht ist. „Die Bäcker und Bäckerlehrlinge werden immer weniger und auch die Brot backenden Bäuerinnen machen das Kraut nicht fett“, schlägt Lipp pessimistische Töne an. Allerdings gibt es da einen Hoffnungsschimmer. „Meine Brotbackkurse sind immer ausgebucht. Auch die Ausbildung zum Brotsommelier ist sehr beliebt“, sagt die Steirerin. Solche Brotsommelier-Ausbildungen dauern 16 Tage und haben jeweils etwa ein Dutzend Teilnehmer. In der Steiermark gab es bisher schon vier solche Kurse, in Oberösterreich zwei, im Burgenland einen. Demnächst starten in vier Bundesländern weitere derartige Lehrgänge.
Die Leute beginnen immer mehr, auf die Qualität großen Wert zu legen.
Was macht das (eigene) Bauernbrot so einzigartig?
„Es hat einen anderen Stellenwert, wenn man es selbst gebacken hat. Man hat zum eigenen Brot einen ganz anderen Bezug und ist stolz darauf“, beginnt die Fachfrau zu erklären. Und weiter: „Die Leute beginnen immer mehr, auf die Qualität großen Wert zu legen. Industrielles Brot hat nämlich nie eine Hand gespürt. Auch was die Inhaltsstoffe betrifft, sind in einem solchen Brot viele Dinge, die man in einem echten Brot nicht braucht. Wir brauchen nämlich nur Mehl, Wasser, Salz und den Natursauerteig. Unser Bauernbrot hat eine Seele, das industriell hergestellte Brot hat das nicht.“ Die Vielfalt an Brot ist bei uns sehr groß. „Österreichweit kennen wir zirka 150 verschiedene Brote“, sagt Eva Lipp. „Das sind Brote, die eine Bezeichnung haben, aber in Wirklichkeit gibt es viel mehr.“ Und sie beginnt die Unterschiede, die stark mit der jeweiligen Region und dem dort herrschenden Klima zu tun haben, herauszuschälen: Weizenbrote in der Südsteiermark, Roggenbrote in der Obersteiermark, Buchweizenbrote von Südkärnten bis Osttirol, Gewürzbrote in Oberösterreich usw. Ihre Erfahrung: „Das Brot, mit dem man aufgewachsen ist, ist das Lieblingsbrot der Menschen.“Ein schönes Bauernbrot muss in ihren Augen eine feine, braune Farbe haben. „Diese bekomme ich aber nur, wenn ich beim Einschießen die richtige Hitze habe“, betont Lipp. „Weiters muss es eine gleichmäßige Form besitzen. Für mich darf es mehlig und auch rissig sein. Wenn ich es anschneide, sehe ich sofort, ob es eine schöne Rinde und Krume hat und das Verhältnis stimmt. Die Lockerheit muss passen. Es muss gut zu kauen sein und natürlich sind für mich auch der Geschmack und der Geruch sehr wichtig.“
Im Grunde ist jedes Bauernbrot einzigartig. „Man kann zwanzig Bäckerinnen dasselbe Hausrezept geben und erhält von jeder ein anderes Brot“, sagt Lipp. „Das hängt von der Teigführung, vom eigenen Gefühl, von der Raumtemperatur und auch davon ab, wie man den Teig mit den eigenen Händen bearbeitet.“ Durch Brotprämierungen, die in mehreren Bundesländern durchgeführt werden – in der Steiermark schon seit 25 Jahren – konnte man die Qualität der Bauernbrote in den letzten Jahrzehnten deutlich anheben. Gestiegen ist auch die Nachfrage nach Holzofenbroten. „Wo zum Beispiel noch ein Holzofen vorhanden ist, wird dieser wieder aktiviert und es werden sogar neue Holzöfen gebaut. Das Holzofenbrot besticht durch seinen vollendeten Geschmack mit einem leichten Anflug an rauchigen und harzigen Duftnoten“, so die Brotexpertin. Was den Preis betrifft, glaubt Lipp, dass hier noch Luft nach oben besteht. Sie sagt: „Ich empfehle unseren Bäuerinnen und Bauern immer wieder, dass sie darauf achten, was Brot am Markt kostet. Das Bauernbrot ist noch immer relativ günstig. Wir brauchen nichts herzuschenken, wir machen beste Qualität!“
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- Bauernbrotpraemierung: LK / Danner