Kommentar von Martin Kugler,
Agrar- und Wissenschaftsjournalist
Der Bauernstand war immer schon widerständig: Eingeklemmt in prekäre Lebensverhältnisse, taten Landwirte immer wieder ihren Unmut kund – sei es lautstark in großen Bauernaufständen, etwa Anfang des 16. Jahrhunderts, sei es wesentlich subtiler, wie etwa beim Widerstand gegen Requirierungen im Zuge von Kriegen.
Heute ist die Welt freilich eine andere: Repräsentierte der Bauernstand einst die große Mehrheit der Bevölkerung, so stellt er heute eine Minderheit dar. Auch die dominierenden Themen haben sich verändert: Wurde vor Jahrhunderten gegen Leibeigenschaft und Ausbeutung gekämpft, so stehen heute ökonomische Themen im Vordergrund. Und auch die Methoden haben sich gewandelt: Das frühere Motto „Mistgabeln gegen Kanonen“ ist einem Kampf um Aufmerksamkeit gewichen, wie mit Traktoren und Gülle im öffentlichen Raum.
Eines ist freilich gleich geblieben: Ein stolzer Berufsstand pocht auf einen fairen Anteil am Wohlstand und vor allem auf politische Teilhabe. Man sieht bei den derzeitigen Bauernprotesten in vielen europäischen Ländern deutlicher denn je: Je schwächer diese Teilhabe ausfällt, umso größer ist der Unmut, der dann lautstark hervorbricht – wenn etwa in Deutschland legitime Forderungen der Landwirtschaft ignoriert werden oder wenn in Italien Agrarvertreter völlig marginalisiert sind.
Gewiss, auch in Österreich ist die Situation alles andere als einfach. Doch wir sollten unsere Kultur des Dialogs bewahren. Eine Auseinandersetzung am Verhandlungstisch ist allemal besser als eine auf der Straße.