Weinbau ist in der Europäischen Union nicht nur Teil der kulturellen DNA. Laut Angaben der EU-Kommission schafft die Wertschöpfungskette Wein auch drei Millionen Arbeitsplätze und trägt rund 130 Mrd. Euro zum Bruttoinlandsprodukt der EU bei. Gut 60 Prozent der weltweiten Weinerzeugung passieren in der EU, ebenso hoch ist der Anteil der EU-Mitgliedstaaten am globalen Exportwert.
Doch Klimawandel, steigende Kosten, Inflation und verändertes Konsumverhalten trüben seit geraumer Zeit die Stimmung unter Europas Winzern. Auch auf den traditionellen Exportmärkten, etwa in Großbritannien, USA, Kanada und Fernost, laufen die Geschäfte durch rückläufigen Verbrauch schleppend. Beim einstigen Großabnehmer Russland geriet der Absatz aus politischen Gründen ins Stocken.
EU-Weinernte 10 Prozent unter dem fünfjährigen Schnitt
Wenig verwunderlich, dass die diesjährige EU-Weinproduktion laut jüngsten Zahlen der EU-Dachverbände der Bauern und Ländlichen Genossenschaften (Copa-Cogeca) mit 144 Mio. Hektoliter gut zehn Prozent unter dem fünfjährigen Schnitt zu liegen kommt. „Dieser Rückgang spiegelt die anhaltenden Herausforderungen wider, mit denen der Sektor konfrontiert ist“, hielt man fest. Um auf höchster politischer Ebene Lösungsansätze für die multiplen Krisen der Branche zu erarbeiten, hat der scheidende EU-Agrarkommissar Janusz Wojciechowski schon im Mai der Einrichtung einer Expertengruppe, einer sogenannten High-Level-Gruppe, zugestimmt. Im September tagte das Gremium aus Spitzenbeamten der Mitgliedstaaten und Vertretern der Weinbaudachverbände zum ersten Mal. Die Branchenvertreter schilderten ihre – teils sehr unterschiedliche – Sicht der Dinge und nannten mögliche kurz- und langfristige Maßnahmen.
Erster Entwurf liegt vor
Wie die Nachrichtenplattform Euractiv vergangene Woche berichtete, soll in Brüssel mittlerweile ein erster Entwurf für ein Maßnahmenpapier der High- Level-Gruppe vorliegen. Auch darin werde eingangs über den sinkenden Konsum, das „strukturelle Überangebot“, ungünstige klimatische Bedingungen und sich wandelnde Verbraucherpräferenzen moniert. Um „die große Bedeutung für den Wohlstand ländlicher Gebiete“ zu erhalten, brauche es Lösungen.
Dem Expertenpapier zufolge könnte dem Überangebot mit nationalen Rodungsprogrammen gegengesteuert werden. Zugleich brauche es eine enge Abstimmung mit den nationalen Auspflanzrechten sowie mehr Flexibilität für die einzelnen Mitgliedstaaten. In puncto Klimawandel soll es künftig Klimaanpassungspläne für sämtliche Weinbauregionen geben, die alle notwendigen Maßnahmen bündeln. Um dem geänderten Konsumverhalten Rechnung zu tragen, sollen laut Euractiv im Schreiben außerdem Erleichterungen und Förderungen für „vollständig oder teilweise entalkoholisierte Weine“ gefordert werden. Die genannten Vorschläge werden nun noch von allen Beteiligten der High-Level- Gruppe diskutiert und abgesegnet. Eine finale Version des Dokuments soll Mitte Dezember vorliegen.
Franzosen roden 27.500 Hektar
Umgesetzt werden Rodungsprogramme derzeit schon in Frankreich. Dort wurde heuer laut Copa-Zahlen um ein Fünftel weniger Wein produziert. Die Grande Nation rutschte damit auf den dritten Platz der größten Weinerzeuger der EU. Die Regierung in Paris hat im kommenden Jahr außerdem 110 Mio. Euro für Stilllegungsprämien reserviert. Wie Agra-Europe unter Berufung auf französische Behörden mitteilt, wurden diese von gut 5.000 Winzern beantragt. Damit soll beim wertmäßigen Weltmarktführer die Rebfläche schon bis zum kommenden Sommer um 3,5 Prozent oder 27.500 Hektar sinken.
- Bildquellen -
- Rebenrodung: BILL ERNEST - STOCK.ADOBE.COM