BauernZeitung: Das Jahr 2020 steht ganz im Zeichen von Corona. Hat die Pandemie auch in der Bilanz der OÖ. Versicherung ihre Spuren hinterlassen?
STOCKINGER: Die Pandemiespuren bei Versicherungen, durch Konkurse und Prämienreduzierungen werden sich erst in den nächsten zwei Jahren in der Bilanz niederschlagen. Wir sind gut über Corona gekommen. 2020 wird ein recht stabiles Jahr.
Mit Dezember endet nicht nur das Geschäftsjahr, sondern auch Ihr Vorstandsmandat. Wie fällt Ihre persönliche Bilanz über die zehn Jahre an der Spitze der OÖ. Versicherung aus?
Ich habe vor zehn Jahren die Chance bekommen, nach zwei Jahrzehnten in der Politik, in die Wirtschaft zu wechseln. Mir war es wichtig zu zeigen, dass ein anständiger Politiker auch in der Wirtschaft gute Figur machen kann. Rückblickend betrachtet konnte ich dieses Vorhaben durchaus einlösen. Die Oberösterreichische steht heute gut da – wir sind eigenständiger, wirtschaftlich erfolgreicher und auch von der finanziellen Sicherheit für die Kunden stärker als je zuvor.
Durch die frühzeitige Bekanntgabe Ihrer Entscheidung im Frühjahr wollten Sie eine „perfekte Hofübergabe“ ermöglichen. Ist das gelungen?
Loslassen können ist eine große Tugend, die im Alter genauso wichtig ist wie das Zupacken. Als Bauernsohn habe ich früh gelernt Zuzupacken. Je älter man wird umso mehr muss einem bewusst sein, dass eine geordnete Übergabe – sei es am Hof oder in der Wirtschaft – die wichtigste Aufgabe ist, welche man in den letzten Jahren seiner beruflichen Tätigkeit zu leisten hat. Mit Othmar Nagl und Kathrin Kühtreiber-Leitner übernimmt mein Wunschtandem die Nachfolge und ich kann damit selbstgewählt und zufrieden in die Pension gehen.
Wird die Landwirtschaft auch nach Ihrer Zeit ein Kernbereich der OÖ. Versicherung bleiben?
Die Oberösterreichische ist vor 210 Jahren als ländlicher Feuerversicherer gegründet worden. Daher kommt auch der starke Bezug zum ländlichen Raum und die besondere Beziehung zur Landwirtschaft. Hier sind wir sehr präsent und gut vernetzt. 20 Prozent unseres Geschäfts im Haus sind mit der Landwirtschaft verbunden.
Vor Ihrem Wechsel in die Wirtschaft waren Sie 20 Jahre in der (Agrar)politik aktiv, unter anderem als Bauernbund-Direktor und Agrarlandesrat. Worin unterscheiden sich Politik und Wirtschaft wesentlich?
Der Unterschied liegt darin: In der Wirtschaft bin ich messbar mit Zahlen und Fakten und kann viel mehr selber beeinflussen. In der Politik ist es manchmal so, dass man vollen Einsatz bringt aber irgendwelche Einflüsse von außen die Arbeit zunichte machen. Politik ist psychisch und physisch anstrengender als eine Führungsrolle in der Wirtschaft. Daher habe ich nach wie vor großen Respekt vor der Arbeit eines Politikers, gerade in einer Situation, wie wir sie derzeit haben.
Waren Sie mehr Politiker oder Wirtschaftsboss?
Ich habe in der Politik gelernt, Neues schnell zu analysieren, daraus Schlüsse zu ziehen und zu nutzen. Das ist mir auch in der wirtschaftlichen Funktion sehr zugute gekommen.
Wie hat sich die Landwirtschaft seit Ihrer Zeit als Agrarpolitiker verändert?
Als ich begonnen habe, war „Bauer“ für Teile der Bevölkerung ein Schimpfwort. Das hat sich radikal geändert. Heute weiß man, dass die bäuerliche Landwirtschaft ein großer Innovator ist, vor dem man den Hut ziehen muss. Die Professionalisierung ist noch stärker geworden. Zukunft haben aber nur jene, die das, was sie tun, richtig gut und mit Leidenschaft machen. Wenn man durchs Land fährt, ist es einerseits faszinierend was wächst, aber andererseits beklemmend was hinten bleibt.
„Nur wer sich Veränderungen stellt, wird weiterkommen“ – welche Bedeutung hat dieses Zitat von Ihnen für die Landwirtschaft?
Ein altes Sprichwort lautet: Wer gerade Furchen ziehen will, muss seinen Pflug an einen Stern hängen. Gerade als kleinstrukturierte Landwirtschaft ist es absolut notwendig eine Vision zu haben. Wir müssen uns aus dem Einheitsbrei einer großen EU-weiten, teilweise industriellen Landwirtschaft, positiv abheben. Da sind auch in meiner Zeit, zum Beispiel durch die Forcierung des Biolandbaus, der Gentechnikfreiheit und die Schaffung des Genussland Oberösterreich, einige wichtige Weichen gestellt worden. Qualitätslandwirtschaft hat in Österreich Zukunft. Den bewussten Konsumenten müssen wir die Botschaft mitgeben, dass die heimischen Bäuerinnen und Bauern eine besondere Form der Agrikultur betreiben. Ich freue mich, dass mein Nachfolger Max Hiegelsberger diesen offensiven Weg hier weitergegangen ist.
Welche Bedeutung hat für Sie der OÖ Bauernbund und hat er auch 100 Jahre nach der Gründung genügend Einfluss auf die politische Gestaltung?
Der Bauernbund war immer die einzige politische bäuerliche Organisation, die ein schlüssiges Konzept gehabt hat. Wenn man die Agrargeschichte seit der Nachkriegszeit rückwirkend betrachtet, kann man sagen: Wer das getan hat, was der Bauernbund gesagt hat, ist nie schlecht gefahren. Der Bauernbund hat immer extrem verantwortungsvoll gehandelt und war stets ein treuer und engagierter Begleiter durch alle Wetterlagen, die es in der Agrarpolitik gegeben hat. Diese Botschaft sollen die Bäuerinnen und Bauern nicht vergessen.
Warum ist es auch in der Landwirtschaft so wichtig sich zu vernetzen?
Die Landwirtschaft braucht Verbündete. Es gibt viele intelligente Menschen, die vom Land kommen und weiterhin für den ländlichen Raum ihre Stimme erheben sollen. Der größte Aderlass hier ist es, wenn die Kinder studieren gehen und nicht mehr zurückkommen. Diese Stimmen brauchen wir aber weiterhin als Sprachrohr.
Wofür werden Sie die freiwerdende Zeit in der Pension nutzen?
Meine Frau hat jetzt zuerst einmal das Recht all das einzufordern, was früher nicht möglich war. Zudem bleibe ich als Vizepräsident der Lebenshilfe und Vorsitzender des Landeskulturbeirats weiter ehrenamtlich tätig.
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- DSC 4504: BZ/Mursch-Edlmayr