„Der tägliche Apfel muss wieder stärker ins Bewusstsein rücken“

Den „Tag des Apfels“ am 12. November nutzt Regina Norz, Obfrau von TirolObst, dem Verband der Tiroler Erwerbsobstbauern, um das Bewusstsein für die Bedeutung der heimischen Obstversorgung zu stärken.

„Tag des Apfels“: TirolObst-Obfrau Regina Norz, Obstbauberater Klemens Böck (rechts) und TirolObst-Vorstandsmitglied Georg Pfurtscheller (links) besuchten Bundesratspräsident Direktor Dr. Peter Raggl im Tiroler Bauernbund.

Frau Norz, wie fiel das heurige Jahr für den Obstbau aus?

NORZ: Jedes Jahr hat witterungsmäßig seine besonderen Herausforderungen. In den letzten Jahren sind diese verstärkt aufgetreten. Mit ihrer Werkstatt unter freiem Himmel ist die Landwirtschaft extrem vom Klimawandel betroffen, insbesondere der Obstbau. Bei uns gilt oft das Alles-oder-Nichts-Prinzip, wenn der Vegetationsbeginn nicht gut läuft, kann die ganze Ernte dahin sein. Natürlich versuchen wir uns bestmöglich vor solchen Wetterereignissen zu schützen, ein Risiko bleibt aber immer. Heuer im Frühjahr gab es wieder einige Frostnächte sowie einen kühlen Mai und damit eine verzögerte Blüte. Aufgrund der kühlen und feuchten Witterung war die Bestäubung im Mai eine besondere Herausforderung. Auch der Sommer war durchwachsen, der Herbst dafür aber sehr schön. Mengenmäßig war es mit regionalen Unterschieden ein durchschnittliches bis leicht unterdurchschnittliches Jahr. Doch die Qualität lässt keine Wünsche offen, die Fruchtausfärbung ist heuer äußerst schön und auch die Aromatik der Früchte ist sehr gut.

Die Direktvermarktung wird in der Landwirtschaft immer beliebter. Betrifft das auch den Obstbau?

NORZ: Die professionelle Direktvermarktung im Obstbau steigt spürbar mit der verstärkten Nachfrage nach regionaler Ware. Wir sehen das als positiven Trend. Es gab bereits zuvor Obstbaubetriebe, die stark auf die Direktvermarktung ihrer Produkte gesetzt haben. Nun möchten auch andere Betriebe neu einsteigen. Doch natürlich braucht es die Partner im Lebensmittelhandel nach wie vor. Der Obstbau hat sich mit den Anforderungen der Konsumenten weiterentwickelt: Man versucht den Markt möglichst breit zu bedienen. Das Sortiment ist weitläufiger geworden und das Angebot saisonaler Früchte ist auf einen längeren Zeitraum ausgedehnt worden. Obst ist mit Ausnahme des lagerfähigen Apfels immer ein saisonales Produkt. Durch Maßnahmen wie die entsprechende Anpassung der Sortenwahl oder einen geschützten Anbau konnten die Ernteperioden aber verlängert werden.

Dennoch wird Obst oft aus dem Ausland importiert.

NORZ: Die Konsumentinnen und Konsumenten schätzen die regionale Eigenversorgung mit Lebensmittel inzwischen mehr als in der Zeit vor der Coronapandemie. Es gibt aber noch viel Spielraum. Österreichweit gesehen liegen wir bei der Eigenversorgung von Obst unter 50 Prozent. Nur bei den Äpfeln liegen wir bei rund 100 Prozent theoretischer Eigenversorgung, dennoch werden in Österreich mehr als 100.000 Tonnen Kernobst wie Äpfel und Birnen importiert und gleichzeitig österreichische Äpfel exportiert. In Tirol kommen alle heimischen Äpfel auf den regionalen Markt. Importfrüchte wie Zitrusfüchte oder Exoten wie Ananas oder auch gut haltbare Heidelbeeren werden teilweise über den halben Globus geflogen, nur um bei uns ganzjährig verfügbar zu sein. Die weitgereiste Banane ist nach dem Apfel sogar das am zweithäufigsten konsumierte Obst der Österreicher. Wenn wir alle mehr zu österreichischem Obst greifen, könnte man diesen Umstand ändern. Der Apfelkonsum hat sich in den letzten Jahrzehnten beinahe halbiert und liegt derzeit bei rund 17 Kilogramm pro Kopf und Jahr. Der tägliche Apfel muss wieder mehr ins Bewusstsein rücken. Das würde nicht nur dem heimischen Obstanbau helfen und die regionale Versorgungssicherheit mit Lebensmitteln stärken, sondern wäre auch gut für die Gesundheit. Früher wurde Obst viel öfters in der privaten Küche selbst verarbeitet. Heute werden meist vorgefertigte industrielle Produkte gekauft, bei denen die Herkunft der Rohstoffe unbekannt ist. Der Apfel im industriell gefertigten Apfelstrudel kommt nicht automatisch aus Österreich. Dasselbe gilt auch für Apfelsaftkonzentrate und so weiter. Zum Glück bieten auch die Tiroler Obstbaubetriebe ein großes Sortiment an veredelten Eigenprodukten an: von Säften, Edelbränden und Marmeladen bis hin zum Trockenfrüchten.

Wie lautet Ihr Appell an die Konsumenten?

NORZ: Das heimische Obst kann man mit ruhigem Gewissen genießen. Die heimischen Obstbäuerinnen und -bauern bemühen sich, ihre Betriebe immer weiter zu ökologisieren. Obstgärten nützen der Artenvielfalt erheblich. Außerdem bedeutet jeder gepflanzte Baum einen Beitrag zum Klimaschutz. Wichtig ist es, auf die Herkunft zu schauen und weit gereistes Obst zu vermeiden. Auch das Wegfallen langer Transportwege schützt das Klima.

Vielen Dank für das Gespräch!

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AUTORHannah Pixner
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