Tiroler Bauernzeitung: Herr Posch, die Einreise von 122 Schlüsselarbeitskräften aus Rumänien für den Tiroler Gemüsebau hat eine hitzige Dikussion ausgelöst.
POSCH: In Zusammenarbeit mit der Landwirtschaftskammer haben wir uns bemüht, die Gemüsebauern durch die Einreise eines Teils ihres Stammpersonals zu entlasten. Bei den Ernte-helfern handelt es sich um Personal, das schon jahrelang auf den Tiroler Feldern arbeitet, weiß, wie die Arbeit abläuft, und somit gerade in der derzeitigen Situation unbedingt gebraucht wird. Die Saisonniers bleiben mindestens ein halbes Jahr in Tirol und unterstützen hauptsächlich den Gemüsebau, zu einem späteren Zeitpunkt aber eventuell auch den Obstbau, beispielsweise bei der Erdbeerernte. Insgesamt sind nun rund 350 bis 400 Erntehelfer in Tirol. Anfang bis Mitte Mai, wenn der Salat und die Erdbeeren gepflückt werden müssen, wird sich die Situation nochmals zuspitzen. Helfer werden demnach noch immer benötigt, wir hoffen, dass sich die Coronasituation bis dorthin etwas beruhigt hat.
TBZ: Kritik kam vonseiten der FPÖ und SPÖ. Die Opposition meinte, dass in Zeiten hoher Arbeitslosigkeit regionale Arbeitskräfte eingestellt werden sollten.
POSCH: Freiwillige Erntehelfer können unser geschultes Fachpersonal nicht ersetzen. Aus Erfahrung weiß ich, dass ein Betrieb ohne seine Saisonniers nicht wirtschaften kann, wir sind auf die Stammarbeiter angewiesen. Es sind bereits einige Personen im Einsatz, die sich über die Plattform „dielebensmittelhelfer“ gemeldet haben und wir sind froh über jeden einzelnen. Fakt ist aber, dass nur ein geringer Prozentteil Freiwilliger ganztags arbeiten möchte. Die Erwartungen von ein paar Stunden Arbeit am Tag oder nur einem Tag in der Woche lassen sich nicht mit der für den Gemüseanbau nötigen Planbarkeit vereinbaren. Viele der Freiwilligen werden außerdem, sobald es möglich ist, wieder in ihre alten Jobs zurückkehren. Zudem wird die Aufgabe oft unterschätzt: Feldarbeit ist ein Knochenjob. Lange Tage am Acker bei jeder Witterung verlangen den Arbeitern alles ab.
TBZ: Vergleiche zwischen den Mängeln an Erntehelfern und Pflegepersonal sorgen für zusätzliche Konflikte.
POSCH: Ich verstehe, dass unsere schnelle Reaktion auf die Situation eine schiefe Optik auf das Bild wirft. Doch unser erfolgreicher Versuch, das rumänische Stammpersonal einfliegen zu lassen, lief rechtens ab, ohne jegliche Hintertürchen und dergleichen. Dafür, dass in der Pflege Personalmangel herrscht, kann die Landwirtschaft nichts. Den Vergleich zwischen Ernte-helfern und Pflegepersonal finde ich in diesem Fall auch unangemessen.
TBZ: Wie erleben Sie den Wandel des Konsums hin zu regionalen Lebensmitteln?
POSCH: Persönlich merke ich als Zulieferer die enorme Beliebtheit der Tiroler Gemüsekiste. Teilweise mussten wir sogar einen Anfragenstopp einlegen. Ich denke, der Schritt hin zur Regionalität geht schon in die richtige Richtung. Doch auch wenn das Bewusstsein des Kunden für heimische Lebensmittel steigt, die Wertschätzung der Landwirtschaft selbst lässt immer noch zu wünschen übrig. Viele Leute wissen einfach nicht mehr, wie viel Arbeit hinter der Produktion von Lebensmitteln steckt.
TBZ: Welche Auswirkungen hat die Coronakrise auf den Tiroler Gemüsebau?
POSCH: Unsere Betriebe haben es seit der Krise nicht leicht. Der Wegfall von Gastronomie und Hotellerie bedeutet für manche Betriebe einen kompletten Verlust, die Zunahme im Handel trifft bei anderen Betrieben auf mangelnde Ressourcen. Ein Lichtblick ist der Zusammenhalt unter den Berufskollegen, die teilweise Produkte für den Handel abnehmen oder Ähnliches. Die Gemüsebauern machen das Beste aus der Situation. Die Krise weckt den Erfindungsreichtum, vom verstärkten Ab-Hof-Verkauf bis hin zu Lieferungen bis vor die Haustür. Die Trockenheit und der Frost bringen Schäden mit sich, diese sind aber überschaubar. Generell hat sich die Situation durch die Schlüsselarbeitskräfte nun etwas beruhigt, die Betriebe sehen den erntereichen Monaten nun gelassener entgegen.
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