Auf die „Ohne Gentechnik“-Kennzeichnung legt die Branche größten Wert. Entsprechend wird auch beim NGT-Verfahren auf Transparenz gepocht.

Die Kritik an den Plänen der EU-Kommission, die Pflanzenzüchtung mittels Genschere (CRISPR/Cas9) unter dem Überbegriff NGT zu erlauben und sie nicht im Bereich der klassischen Gentechnik (GMO) zu verorten, wächst. Bekanntlich hatte die Kommission im Juli 2023 einen Entwurf zur Novellierung des Gentechnikrechts vorgelegt. Vergangene Woche haben 376 Unternehmen der Lebensmittelbranche aus 16 EU-Mitgliedstaaten (61 davon aus Österreich) dem derzeitigen Vorsitzenden des EU-Agrarministerrats, dem ungarischen Minister István Nagy, ein Papier übergeben. Unter dem Titel „Lebensmittelwirtschaft für Wahlfreiheit“ fordern die Unternehmen die Landwirtschaftsminister auf, sich für eine Kennzeichnungspflicht der mittels NGT hergestellten Produkte einzusetzen.

Die Unterschriftenliste liest sich dabei wie das „Who‘s Who“ der EU-Lebensmittelindustrie. Die Rewe-Group als drittgrößter Lebensmittelhändler der EU ist genauso darunter wie Österreichs Branchenprimus im Handel, Spar, und Europas größte Drogeriekette, dm. Auch die heimischen Molkereien sind etwa mit NÖM, Ennstal Milch und Gmundner Milch mit von der Partie. Sogar der Premium-Chocolatier Zotter hat unterzeichnet.

Verursacherprinzip als Muss

Konkret sehen sich die Händler und Hersteller in ihrer unternehmerischen Freiheit bedroht. Wie Spar-Österreich-Vorstand Markus Kaser per Aussendung mitteilt: „Ohne verpflichtende Kennzeichnung von jeglicher Gentechnik in Lebensmitteln gibt es keine Transparenz und damit keine Wahlfreiheit am Supermarktregal.“

Kaser: „Ohne verpflichtende Kennzeichnung von Gentechnik gibt es keine Transparenz am Supermarktregal.“

Es gehe den Unternehmern dabei nicht darum, „den technischen Fortschritt per se“ zu verhindern, sondern um die Wahrung eines weiterhin fairen Wettbewerbs für die „Ohne Gentechnik“-Hersteller. Deshalb werden neben der Pflicht zur Kennzeichnung und Rückverfolgbarkeit auch valide Nachweismethoden und EU-weit verbindliche und regional angepasste Koexistenz-Maßnahmen eingefordert. Auch wird auf das sogenannte Verursacherprinzip gepocht. Entsprechende Haftungsregeln und einen Entschädigungsfonds für unvermeidbare Kontaminationen müsse es aus Sicht der Lebensmittelindustrie ebenfalls geben.

Zeitpunkt „günstig“

Den Zeitpunkt der Übergabe scheint man wohl bewusst gewählt zu haben. Die ARGE Gentechnik-frei bezeichnet ihn in einer Aussendung selbst als „günstig“. Denn anders als das Europaparlament, das sich bereits für eine Kennzeichnungspflicht bei Saatgut und Produkten ausgesprochen hat, gab es im Agrarrat noch keinen Konsens. Ein im Juli von der ungarischen Ratspräsidentschaft angestrebter Vermittlungsversuch blieb ergebnislos. Agrarratsvorsitzender Nagy sicherte der Branche bei der Übergabe jedenfalls seine Unterstützung zu und zeigte Verständnis für die Bedenken. Auch Österreichs Landwirtschaftsminister Norbert Totschnig zählte schon im Frühling gemeinsam mit Berufskollegen aus Polen, Rumänien, Bulgarien, Luxemburg, Kroatien, Slowenien und der Slowakei zu den Kritikern der NGT-Pläne

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  • Butter unter der Lupe: ARGE GENTECHNIK-FREI
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AUTORClemens Wieltsch
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