Tierwohlpaket: Debatte darüber wird noch einmal verlängert

Die Debatte um das geplante Tierwohlpaket der Bundesregierung zieht sich in die Länge, da sich die Opposition querlegt. Der Druck von Tierschützern, aber auch einigen Medien, dürfte bis zum endgültigen Beschluss im Parlament anhaltend stark bleiben.

Tierwohlpaket beschleunigt Ausstieg aus permanenter Anbindehaltung. Die größten Veränderungen gibt es für die Schweinehalter. Fotos: karepa - stock.adobe.com, agrarfoto.com

Nachdem der Ministerrat bereits Anfang Mai dieses Jahres wesentliche Fortschritte beim Tierwohl beschlossen hat, hätten die geplanten Änderungen bei Schwein, Rind und Geflügel sowie zur sogenannten „Qualzucht“ bei Haustieren Anfang Juni im Parlament beschlossen werden sollen. Jetzt verlängert sich die Debatte. Speziell die SPÖ legt sich quer. Aber auch die beiden Regierungsparteien ÖVP und Grüne sind sich – wenn auch nur in wenigen Punkten – noch uneins.

Zwar liegt Österreich im Ranking der Tierschutzorganisation „World Animal Protection“ unter 50 Staaten weltweit auf Platz eins, dennoch sollen die hohen Standards weiter verbessert werden. Nicht zuletzt war auch das Tierschutzvolksbegehren 2021, welches mehr als 400.000 Unterschriften geschafft hatte, womit die Behandlung des Themas im Nationalrat erzwungen wurde (Mindestanzahl dafür: 100.000 Unterschriften, Anm.), Anstoß für diesen Prozess.

Vorangetrieben wurde die Weiterentwicklung in den vergangenen Monaten in vielen Diskussionsrunden von ÖVP und Grünen mit agrarischen Branchenverbänden, Kammern, Parteien, zahlreichen NGOs und – nicht zu unterschätzen – natürlich auch mit Medienvertretern. Formal werden die Verbesserungen im Tierschutzgesetz, der 1. Tierhaltungsverordnung sowie im Tiertransportgesetz geregelt. Und da sehen die Änderungen für die Bäuerinnen und Bauern aktuell wie folgt aus:

Auflagen für Kälbertransporte
Das Europäische Parlament hat sich mehr als ein Jahr lang in einem Tiertransporte-Ausschuss umfassend mit den Standards und möglichen EU-weiten Regeln für den Transport von Lebendtieren beschäftigt. Daraus wurden Empfehlungen abgeleitet, die nun auf nationaler Ebene umzusetzen sind. Da Österreich ohnehin ein sehr strenges Regulativ hat (und im einschlägigen EU-Ausschuss wiederkehrend als Vorbild genannt wurde), sind die jetzt ausverhandelten Änderungen spürbar, wenn auch nicht einschneidend.
Klar zu unterscheiden ist dabei zwischen Zuchtrinder- und Kälbertransporten. Bei den Kälbertransporten hat man sich auf Regierungsebene darauf verständigt, das Alter der Kälber bei Langstreckentransporten ab 2025 um eine Woche und somit auf drei Wochen zu erhöhen. Es dürfen nur mehr jene Kälber transportiert werden, die körperlich gesund sind.
Überwachen soll dies der Tiergesundheitsdienst (TGD). Ein Argument dafür ist, dass Kälber, die zwischen zweiter und vierter Lebenswoche körperlich sensibel sind und daher nicht transportiert werden sollen. Für Milchviehbetriebe bedeutet dies aber eine längere Verweildauer der Kälber am Betrieb und somit mehr Keimdruck, mehr Futterkosten sowie mehr Arbeitsaufwand.

Kälber-Exporte weiterhin möglich
Weiterhin möglich sind Kälber-Exporte in andere Länder. Um diese jedoch zu reduzieren, werden Absatzwege für Kalbfleisch – Stichwort: Projekt „Kalb rosé Austria“ – im Inland gesucht und das mittlerweile auch durchaus erfolgreich. Im vergangenen Jahr wurden so zusätzlich mehr als 10.000 Kälber im Inland gemästet und verkauft, Tendenz steigend.
Trotz vieler Bemühungen, so sind sich Branchenvertreter einig, werde es aber weiterhin Kälbertransporte etwa nach Spanien geben, da die Nachfrage nach Kalbfleisch im Inland zu gering ist und die Kosten für die Kälbermast hoch sind. Ausnahmen soll es für den innerbetrieblichen Transport oder für Transporte zur Bestandsergänzung geben. Auch soll das nun vereinbarte System im Jahr 2027 evaluiert werden, wie etwa die Veterinärmedizinerin der Rinderzucht Austria (ZAR), Simone Steiner, in einem Gespräch mit der BauernZeitung bestätigt.
Nicht unerwartet kommt auch das Verbot von Schlacht- und Masttiertransporten in Drittstaaten. Auch das Verbringen von Nutztieren zur Schlachtung, die sich offensichtlich im letzten Drittel der Trächtigkeit befinden, soll mit bestimmten Ausnahmen verboten werden.

Zuchtvieh-Exporte nur mehr in ausgewählte Länder
85 Prozent der Zuchtrinder, die für den Export bestimmt sind, kommen von kleinen Betrieben. Der Export ist für diese Betriebe also ein großes Standbein. Ändern wird sich bei den Transporten mit Zuchtrindern die Transportdauer. Zudem werden die Ziel-Destinationen für Rinder-Exporte eingeschränkt. Weiterhin möglich sind Transporte in die EU, die Türkei, die Ukraine oder Weißrussland, ebenso nach Russland, Georgien und Armenien, Aserbaidschan sowie Kasachstan, Usbekistan oder Kirgisistan. Jedoch muss für Zuchtviehausfuhren in diese Drittstaaten nach drei Jahren ein Nachweis erbracht werden, dass der dort gewünschte Herdenaufbau vorhanden und auch erfolgreich ist. Eingeschränkt wurde der Export in andere Drittstaaten, was zum einen die Flexibilität für die heimischen Rinderzüchter einschränkt und zum anderen den Zuchtfortschritt in potenziellen Export-Ländern verunmöglicht. Züchterisch neue Märkte zu erschließen, ist so nicht mehr möglich, kritisieren Vertreter der Rinderzucht. Sie sehen sich im Vergleich zu anderen EU-Ländern benachteiligt.

Die Anbindehaltung bekommt ein Ablaufdatum
Das Rind ist das einzige Nutztier, das im Ausnahmefall noch angebunden sein darf. Das soll sich mit diesem Tierwohlpaket ändern. Denn die Ausnahmeregeln für die permanente Anbindehaltung werden, mit einer Übergangsfrist bis 1. Jänner 2030, fallen. Davon betroffen sind laut Schätzungen der ZAR rund drei Prozent der Milchviehbetriebe und 1,2 Prozent der Rinder auf diesen Betrieben. Gesetzlich geregelt ist der Ausstieg aus der Anbindehaltung seit vielen Jahren. Mit dem Tierwohlpaket werden Rinderhalter aber wohl schneller zum Handeln gezwungen sein. Dem Vernehmen nach noch nicht endgültig geregelt ist der Punkt angebundene Zuchtstiere.

Ausstieg aus herkömmlicher Vollspaltenhaltung
Betroffen davon sind die Ferkelaufzucht und die Schweinemast. In beiden Bereichen gilt ab 1. Jänner 2023, dass bei Neu- und Umbauten dieser Stall- einheiten der „Neue Tierhaltungsstandard“ als gesetzlicher Mindeststandard umzusetzen ist. Mehr Platzangebot, planbefestigter Liegebereich und Beschäftigungsmaterial sind künftig vorgeschrieben. Ersatzinvestitionen und Renovierungsarbeiten sollen nicht unter Umbauten fallen. Ein besfristetes Aus für bestehende Stallungen ist (noch) nicht vorgesehen.
Auch soll es bis Jahresende 2026 ein Projekt zur Evaluierung der Haltungssysteme im Bereich der Buchten und Bodengestaltung bei der Haltung von Schweinen geben. Im „ Grünen Bericht“ des Landwirtschaftsministeriums werden künftig die Weiterentwicklung der Stallbausysteme und der Fördermaßnahmen im Schweinebereich in einem gesonderten Kapitel dokumentiert. Bei der Vollspaltenhaltung von Mastrindern sind vorerst keine Änderungen vorgesehen.

Aus für routinemäßiges Schwanzkupieren
Die Betonung liegt auf routinemäßig. Es kommt für Schweinehalter zu einer verpflichtenden Tierhaltererklärung und Risikoanalyse jener Faktoren, die zu Kannibalismus und Schwanzbeißen führen können, um die Unerlässlichkeit des Schwanzkupierens zu erheben. Das Kupieren selbst sowie die Haltung von kupierten Ferkeln soll weiterhin erlaubt sein. Wie auch in allen anderen großen Produktionsländern der EU.
Kastration nur noch mit Schmerzbehandlung
Das Kupieren ist also künftig nur mehr dann erlaubt, wenn der Eingriff nicht routinemäßig, aber erforderlich ist. Der Eingriff darf weiterhin durch eine sachkundige Person durchgeführt werden – mit wirksamer Schmerzbehandlung, welche auch postoperativ wirkt. Außerdem wurden Maßnahmen zur Reduktion des Schwanzkupierens und deren Dokumentation mit verpflichtender Risikoanalyse beschlossen.

Lebensfähige Küken müssen aufgezogen werden
Die weltweit gängige Praxis des „Schredderns“ der männlichen Geschwister von Legehennen wird in Österreich längst nicht mehr angewendet, soll jetzt aber dennoch gesetzlich verboten werden. Ausgenommen davon: Küken, die nachweislich der Futtergewinnung für Zoos oder auch Greifvogelstationen dienen. Ab 1. Jänner 2022 dürfen keine Kadaver zuvor lebensfähiger Küken mehr an Einrichtungen der Tierkörperverwertung abgegeben werden. Parallel dazu soll die Aufzucht der männlichen Legeküken in den Premium-Programmen der Legehennenhaltung gefördert und die technische Weiterentwicklung und Praxisreife von Methoden der Früherkennung des Geschlechts im Brutei beobachtet werden.

 

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AUTORMartina Rieberer
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