Landwirtschaft 4.0 ist in vielen Industrienationen schon Realität. Die Vorteile, die eine vernetzte, digitalisierte Landwirtschaft den Betrieben bringen kann, sollten wir auch nutzen.” Das betonte Landwirtschaftsminister Andrä Rupprechter bei der vom ÖVP-Klub veranstalteten parlamentarischen Enquete “Land- und Forstwirtschaft 4.0” heute, Dienstag, in Wien. Doch was heißt eigentlich: “Land- und Forstwirtschaft 4.0”?
Daten sind das Öl des21. Jahrhunderts
Im tagtäglichen Leben sind wir grundsätzlich von Technologie abhängig. “Ohne Strom und Computer würde das heutige Leben in vielen Bereichen nicht funktionieren”, betonte der stellvertretende Direktor des LFZ Francisco Josephinums, Heinrich Prankl. Kurz gesagt: “Daten sind das Öl des 21. Jahrhunderts.” Damit sprach Prankl den Kern der Digitalisierung an: Die zur Verfügung stehenden Daten werden immer wertvoller. Es geht nicht mehr um Computer allein, sondern um ein komplexes Netzwerk aus Datenbanken, Clouds und verschiedenen Endgeräten. Und bei Land- und Forstwirtschaft 4.0 geht es eben um die Vernetzung dieser Daten. Wie bedeutsam das ist, habe auch die Monsonta-Übernahme durch Bayer gezeigt. Monsanto sei deshalb für Bayer besonders interessant gewesen, weil der Konzern über viel Know-how im Bereich der Digitalisierung verfüge, so Prankl.
Vom Feld weg den Betrieb überwachen und managen
Um sich die Bedeutung von vernetzten Daten vorstellen zu können, nannte Prankl einige Beispiele. So sei das Ziel im Precision Farming die möglichst genaue Arbeit, etwa beim Ausbringen von Pflanzenschutz, gewesen. Smart Farming geht einen Schritt weiter und soll sämtliche Betriebsdaten verbinden und so eine ganzheitliche Abbildung schaffen. Vernetzt, intelligent und digital soll die Landwirtschaft 4.0 funktionieren. “Ich möchte nicht mehr zu Hause sitzen, um alles überwachen zu können. Ich möchte das auch mobil vom Feld aus machen können”, erklärte Prankl. Dafür gebe es bereits Smartphone-Applikationen, die eine automatisierte Dokumentation der land- und forstwirtschaftlichen Tätigkeiten ermögliche. Allerdings seien diese Technologien, von GPS-Systemen über Nährstoffmanagement bis hin zu Wetter- und Klimadaten, erstens kostspielig und zweitens nicht überall vollständig verfügbar, sprach Prankl auch die Notwendigkeit des Breitbandausbaus im ländlichen Raum an.
Big Data ist bereits tägliches Brot in der Landwirtschaft
Ein weiteres Problem, das die Teilnehmer der Enquete mehrmals nannten, war die Angst vor Datendiebstahl. Dass die verschiedenen Datenflüsse aus dem Betriebsmanagement miteinander vernetzt würden, sei ein Schritt in die richtige Richtung, erklärte Karl Stampfer, Professor an der Universität für Bodenkultur (Boku). “Die Angst, dass jemand mehr über meinen Betrieb weiß als ich selbst, ist aber groß”, machte Stampfer auf dieses Problem aufmerksam. Land&Forst Betriebe-Präsident Felix Montecuccoli forderte in diesem Zusammenhang klarere rechtliche Regeln darüber ein, wer welche Daten verwenden darf.
Auch Thomas Guggenberger, Höhere Bundeslehr- und Forschungsanstalt Raumberg-Gumpenstein, ging in seinem Vortrag darauf ein, dass “Big Data und Sensortechnik bereits unser täglich‘ Brot in der Landwirtschaft” sind. Die Angst davor bestünde darin, diese Datenflut nicht bewältigen zu können, man müsse die Daten aber lediglich steuern, zeigte sich Guggenberger überzeugt. “Wichtig ist, dass neben den technischen Daten auch Managemententscheidungen einbezogen werden”, betonte Guggenberger.
Es geht um sparsamen Einsatz der Mittel
Auch Rupprechter ergänzte: “Wir müssen die Entwicklung hin zu einer vernetzten, digitalisierten Land- und Forstwirtschaft unterstützen. Viele sehen darin die große Gefahr, dass wir uns damit weg von der Ökologisierung bewegen könnten, aber das ist Unsinn. Denn vielfach ist das ein Beitrag zur Nachhaltigkeit.” Schließlich trage der genaue und sparsame Einsatz von Betriebsmitteln und Ressourcen wesentlich zu einer umweltschonenden Landwirtschaft bei. In der Land- und Forstwirtschaft 4.0 gehe es nämlich nicht nur um die Optimierung des Ertrags, sondern um den smarten Einsatz der Mittel, so der Minister.
Digitalisierung bringt auch mehr Sicherheit
Auch Stampfer sieht in der Digitalisierung besondere Chancen, etwa für die digitale Waldinventur, die digitale Erfassung von Forststraßen oder bei der Analyse von Windwürfen. Auch in der Seilrückung und -technik sei Österreich führend und könne mit der Produktivitätssteigerung durch Automatisierung die Effizienz weiter steigern, erklärte Stampfer und wies auch daraufhin, dass mit bestimmten Sensorensystemen – beispielsweise das Ankersicherungssystem mit Sensorrückmeldung – wesentlich zur Arbeitssicherheit beigetragen werden kann. Fest steht jedenfalls: “Die Transparenz der land- und forstwirtschaftlichen Tätigkeit wird steigen”, so Prankl. Das kann durch überbetriebliche Zusammenarbeit vor allem bei der Kleinstrukturiertheit der heimischen Landwirtschaft durchaus einen Vorteil für die Betriebe bringen und Kosten künftig senken, eine hochwertige Ausbildung und anwendungsorientierte Forschung vorausgesetzt. Die berechtigte Frage von Bauernbund-Präsident Jakob Auer, wie es trotz so viel technologischer Möglichkeiten, dennoch zum Almflächen-Debakel kommen konnte, blieb weitestgehend unbeantwortet.
Ausrichtung derzukünftigen Agrarpolitk
Auf österreichischer Ebene traten die LKÖ-Spitzen Präsident Hermann Schultes und Generalsekretär Josef Plank dafür ein, die Ressourcen zu bündeln. Plank erwähnte dabei die Vielzahl an land- und forstwirtschaftlichen Verbänden und Organisationen, die gemeinsam eine Gesamtkompetenz entwickeln könnten. Schultes sprach die Schaffung einer Bundeslandwirtschaftskammer an, wie es im Regierungsprogramm von der Koalition festgehalten ist. “Wir brauchen am Wiener Pflaster eine gemeinsame Bühne”, so Schultes.
Die Entwicklung der Land- und Forstwirtschaft zu einem modernen Wirtschaftszweig brauche zudem eine neue Ausrichtung auf Vermarktung und Vernetzung, erklärte Auer und forderte effizientere Vermarktungsstrategien. “Es muss klar sein, wohin und zu welchen Bedingungen wir unsere Produkte verkaufen können”, setzt der Bauernbund-Präsident daher verstärkt auf Exportinitiativen und regionale Vermarktung wie etwa durch AMA-Gastrosiegel, heimische Qualität in Großküchen und Ausweitung der Vergabekriterien bei der Bundesbeschaffung.
Rupprechter: Wir müssen die GAP verteidigen
Auf europäischer Ebene stünde im Vordergrund, die Gemeinsame Agrarpolitik (GAP) zu verteidigen, betonte Rupprechter. “Die GAP ist eine zutiefst strategische Politik: Es geht um nichts weniger als um die Versorgung unserer Bevölkerung mit qualitativ hochwertigen und auch leistbaren Lebensmitteln. Daher muss die GAP auch weiterhin zu den politischen Prioritäten der EU gehören, mit der entsprechenden Finanzierung”, betonte der Landwirtschaftsminister.
Genauso sieht dies der deutsche Landwirtschaftsminister Christian Schmidt, der heute zu bilateralen Gesprächen in Wien war. Vor den Abgeordneten zum National- und Bundesrat im ÖVP-Agrarklub sagte Schmidt zur GAP nach 2020, dass es für deren Konzeption eigentlich einen “neuen Franz Fischler” bräuchte. Jedenfalls dürfe die Landwirtschaft in der neuen EU-Finanzplanungsperiode ab 2021 “nicht zu einem Randthema der Umwelt werden”, stellte Schmidt klar.
Wirtschaftliche Leistungen der Land- und Forstwirtschaft
• Ein österreichischer Bauer ernährt heute 102 Personen. 1970 waren es zwölf, 1950 vier Personen.
• Mehr als 40 Prozent der Höfe werden von Frauen geführt. • Österreich hat die zweitjüngste Landwirtschaft der EU: Zwölf Prozent der Betriebsführer sind jünger als 35 Jahre.
• Ca. 20 Prozent der österreichischen Betriebe wirtschaften biologisch, davon ca. 50 Prozent der Viehbetriebe und ca. 40 Prozent der Bergbauernbetriebe.
• Tierhaltung: 1,9 Millionen Rinder; 2,8 Millionen Schweine; 15 Mio. Hühner; 600.000 Truthühner; 350.000 Schafe und 70.000 Ziegen.
• Acker/Grünland/Wald: 1,36 Mio. Hektar Ackerland; 1,30 Mio. Hektar Dauergrünland und 3,4 Mio. Hektar Wald.
Quelle: Grüner Bericht; Statistik Austria; Bauernbund