Aufatmen hieß es für die Milchbranche Anfang September. Nachdem der GlobalDairyTrade-Index den niedrigsten Stand seit November erreicht hatte, drehte der Richtwert der neuseeländischen Handelsplattform erstmals wieder auf ein schwaches Plus. 2,7 Prozent Zuwachs wurden bei den durchschnittlichen Notierungen der gehandelten Milchprodukte verzeichnet. Der Index für das Leitprodukt Vollmilchpulver kletterte gar um 5,3 Prozent nach oben, auf umgerechnet 2.519 Euro je Tonne. 

Pessimistischer gestimmt zeigten sich hingegen die Marktexperten des Kieler Instituts für Ernährungswirtschaft (ife). Sie kalkulierten Ende August für „ihren“ auch in Österreich viel beachteten Rohstoffwert einen Verwertungserlös für Milch auf Erzeugerebene von 34,30 Cent pro Kilogramm Milch (bei 4,0 % Fett, 3,4 % Eiweiß, netto, ab Hof), was gegenüber Juli einem erneuten Rückgang von 1 Cent oder minus 2,8 Prozent entspricht. In Kiel geht man für heuer auch von keiner spürbaren Entspannung oder gar Trendwende am Markt aus und begründet dies mit der anhaltend hohen Inflation und dementsprechend verhaltener Konsumentennachfrage.

Vor dem Hintergrund konstant schwindender Erzeugerpreise will die deutsche Bundesregierung nun die Stellung ihrer Milchbauern in der Wertschöpfungskette stärken. 

Deutschland erwägt Marktregulierung

„Ein Puzzleteil“ dabei werde sein, die EU-rechtlichen Möglichkeiten von Artikel 148 der Gemeinsamen Marktorganisation (GMO) zu nutzen, teilte die grüne Staatssekretärin Silvia Bender aus dem Berliner Landwirtschaftsministerium (BMEL) jüngst mit. 

Gemäß Artikel 148 der EU-Verordnung 1308/2013 können Mitgliedstaaten ihre Molkereien und Milchlieferanten nämlich verpflichten, Preise und Liefermengen in einem schriftlichen Vertrag zu fixieren. „Wir setzen uns dafür ein, die Kräfteverhältnisse in der Wertschöpfungskette auszubalancieren und die Stellung der Milcherzeuger zu stärken“, wird seitens des BMEL betont. Zusätzlich wolle man die Markttransparenz in der Bundesrepublik erhöhen.

Aus Molkereibranche hagelt es Kritik

Unter deutschen Branchenkennern stieß die Ankündigung unterdessen nur bedingt auf Verständnis, wie agrarheute.com schreibt. Während der Bund ökologischer Lebensmittelwirtschaft oder auch der Bund deutscher Milchviehhalter bereits vorsichtige Zustimmung signalisierten, um „kostendeckende Preise“ zu erreichen, hagelt es aus der Molkereiwirtschaft Kritik. 

Die Wiederauflage einer solchen Diskussion sei nichts weiter als „neuer Wein in alten Schläuchen“, kommentierte etwa der Vorstandsvorsitzende der Molkerei Hochwald, Detlef Latka, den Vorschlag aus dem Agrarministerium in Berlin. Auch der Milchpräsident des Deutschen Bauernverbandes, Karsten Schmal, warnt vor „nicht zu erfüllenden Erwartungen“ an den GMO-Artikel 148. Und der Agrarsprecher der oppositionellen CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Albert Stegeman, ist überzeugt, „dass dies die Situation der Milchviehhalter kein bisschen verbessern werde“.

Zustimmung erhalten die Kritiker auch aus dem renommierten Thünen-Institut, welches just wenige Tage zuvor eine Marktanalyse vorlegte, wonach Molkereien bei der Preissetzung für den Erzeugermilchpreis nur geringe Spielräume hätten. Die Wissenschaftler kamen zum Schluss, dass eher der Preisdruck im Lebensmittelhandel und der internationale Milchmarkt das Preisniveau bestimmen. 

Ob eine Agrarpolitik nach dem Motto „Alte Besen kehren gut“ die aktuellen Probleme der deutschen Milchviehhaltung lösen werden, bleibt indes abzuwarten. 

Aus Österreich gibt es zu dieser Debatte bisher noch keinerlei öffentliche Äußerungen. Auch wenn der Milchpreis hierzulande noch deutlich über dem ife-Niveau liegt, sind die Herausforderungen für die Bauern ähnliche wie auch in Deutschland. Vermutlich dürfte der Vorstoß der Berliner Ampel-Regierung daher auch auf der dieswöchigen Milchwirtschaftlichen Tagung in Rotholz in Tirol rege diskutiert werden.

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  • Milchbehälter, Milchtanks, Milchproduktion: Inka - Stock.adobe.com
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AUTORClemens Wieltsch
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