Praktiken im Lebensmittelhandel von BWB geprüft.

Der heute präsentierte Bericht der Bundeswettbewerbsbehörde (BWB) zur Analyse des Lebensmitteleinzelhandels (LEH) bringt gleich mehrere Brennpunkte im Lebensmittelhandel zum Vorschein. “Die Anzahl der eingemeldeten unfairen Praktiken gegenüber Lieferanten ist beunruhigend, gleichzeitig sehen wir Schwächen des Binnenmarktes, und die Situation der Verbraucher:innen im Hinblick auf Preistransparenz sollte gestärkt werden”, erklärt Natalie Harsdorf-Borsch, die neue Leiterin der Bundeswettbewerbsbehörde in ihrem Statement.

Die BWB hat für ihren Bericht insgesamt in zehn Runden Auskunftsverlangen versendet und 700 Handelsunternehmen sowie über 1.500 Lieferanten befragt. Weiters wurden umfangreiche Daten von GfK zugekauft und analysiert. Die OenB hat tägliche Preisdaten, die aus einer Auswahl von Online-Shops des österreichischen Lebensmittelhandels aufgenommen wurden, für die BWB analysiert. Zusätzlich wurde eine Konsumentenbefragung mit rund 1.000 Personen im Alter zwischen 18 und 65 Jahren durchgeführt. Drei zentrale Ergebnisse der umfangreichen Untersuchung der BWB sind vor allem für Lieferanten und Primärproduzenten im Agrarsektor von Bedeutung: 

Marktkonzentration zugunsten der “Big Four” 

Auf das Konto der “Big Four”, so nennen Branchenkenner die vier großen Marktteilnehmer Spar, Rewe, Hofer und Lidl, gehen 91 Prozent der Marktanteile. Diese traditionell sehr hohe Marktkonzentration blieb zuletzt stabil. Sie ist Ausdruck der großen Verhandlungsmacht dieser vier Lebensmitteleinzelhändler gegenüber kleineren oder bäuerlichen Lieferanten. 

Mit einer derart hohen Marktkonzentration seien laut BWB in der Regel strukturelle wettbewerbliche Probleme wie zum Beispiel erhöhte Kollusionsgefahren zwischen Konkurrenten und Markteintrittsbarrieren verbunden. Die Markteintrittsbarrieren für neue Händler seien sehr hoch. Seit 2019 seien daher mehr als 200 Nahversorger aus dem Markt ausgetreten. Die “Big Four” hingegen konnten ihr Filialnetz weiter ausbauen.

Lieferanten von unlauteren Handelspraktiken betroffen

Die BWB wird künftig vermehrtes Augenmerk auf unfaire Handelspraktiken, auch UTPs genannt, legen. Grund dafür ist, dass eine “nicht unbeachtliche Anzahl von Lieferanten” angab, von unlauteren Handelspraktiken betroffen zu sein. Laut Analyse der Wettbewerbshüter waren vier von zehn Lieferanten selbst bereits von unfairen Geschäftspraktiken betroffen. So waren Lieferanten etwa konfrontiert mit

  • einseitigen Vertragsänderungen (14,3 %);
  • Zahlungen ohne eine Verbindung zu Lieferungen (13,6 %);
  • Zahlungen für unverschuldeten Qualitätsverlust (13,4 %).

Laut Vertretern der BWB gab einer von drei Lieferanten an, in den vergangenen fünf Jahren bereits mit einer Auslistung der eigenen Produkte konfrontiert gewesen zu sein. Die BWB hat in einem Fall Ermittlungen aufgenommen und erwartet ein erstes Verfahren vor dem Kartellgericht. 

Die BWB kündigt indes an, im Faire-Wettbewerbsbedingungen-Gesetz, das seit Jänner 2022 in Kraft ist, die Bekämpfung solcher unlauteren Handelspraktiken mit hoher Priorität zu verfolgen. Weiters wird das Gesetz verschärft werden.

„Vier von zehn Lieferanten, die mit unfairen Handelspraktiken konfrontiert werden, ein Drittel, dem mit der Auslistung gedroht wird – diese erschreckenden Zahlen zeigen die Notwendigkeit des Faire-Wettbewerbsbedingungen-Gesetzes. Wir begrüßen die Empfehlungen der BWB, hier dem Handel genauer auf die Finger zu schauen. Mit dem Fairness-Büro steht unseren Bäuerinnen und Bauern jetzt ein starker Partner zur Seite, um unfaire Handelspraktiken aufzuzeigen und die Kräfteverhältnisse am Verhandlungstisch zu ändern“, nimmt Bauernbund-Präsident Georg Strasser dazu Stellung.

Preisanstiege bei Eigenmarken

Die Untersuchung ergab, dass eine Produktgruppe von Preisanstiegen verschont geblieben ist. Insbesondere waren Butter, Margarine und Mischfette betroffen. Verkaufspreise von Eigenmarkenprodukten sind aber vergleichsweise stärker gestiegen als Verkaufspreise von Markenprodukten.

Die heimischen Wettbewerbshüter geben folgende Empfehlungen ab:

  1. Umsetzung der von der BWB im „Fokuspapier Preisvergleichsplattformen” empfohlenen Maßnahmen zur Erhöhung der Preistransparenz für Konsument:innen im LEH
  2. Stärkung des Binnenmarktes und Befassung der Europäischen Kommission hinsichtlich unterschiedlicher Einkaufspreise in den EU-Mitgliedstaaten aufgrund von Länderstrategien von Lebensmittelkonzernen
  3. Verbesserung der Transparenz bei Lebensmitteln
  4. Aufwertung und Stärkung des Verbraucher:innenschutzes
  5. Keine Irreführung bei Preisnachlässen
  6. Marktuntersuchungen aufgrund des FWBG
  7. Rechtssicherheit für Lieferant:innen durch Schriftform
  8. Kein Druck zur Zustimmung zu Praktiken des Anhangs II zum FWBG
  9. Verbesserte gesetzliche Grundlage zur Durchsetzung wettbewerbsrechtlicher Maßnahmen aufgrund von Branchenuntersuchungen

Infolge des Berichtes sieht sich Landwirtschaftsminister Norbert Totschnig in seinen Annahmen bestätigt. “Entlang der Lebensmittelkette herrscht ein Kampf mit ungleichen Waffen. Mehr als 110.000 Bäuerinnen und Bauern und eine Vielzahl von Lieferanten stehen vier großen Handelskonzernen gegenüber, die 91 Prozent des heimischen Marktes kontrollieren. Dieses Ungleichgewicht führt zu harten Preisverhandlungen, drohenden Auslistungen oder aufgezwungenen Vertragsbedingungen. Vier von zehn Lieferanten geben an, von sogenannten ‚schwarzen Praktiken‘ betroffen zu sein – eine hohe Dunkelziffer!”, so Totschnig als Reaktion auf den Bericht der BWB. Um Lieferanten im Kampf gegen unfaire Handelspraktiken zu schützen, habe sein Ministerium das unabhängige Fairnessbüro eröffnet. Dieses “fungiert im stetigen Austausch mit der Bundeswettbewerbsbehörde wie ein Radar und spürt das Ungleichgewicht in der Verhandlungsmacht auf“, unterstreicht Totschnig die Rolle des Fairnessbüros, das vor einem Jahr eingerichtet wurde. 

Johannes Abentung, Leiter des beim Bundesministerium für Landwirtschaft eingerichteten Fairness-Büros, welches Lebensmittel- und Agrarproduzenten kostenlose und vertrauliche Hilfe bei unlauteren Handelspraktiken anbietet, meint zur Branchenuntersuchung: „Die Ergebnisse decken sich mit den anonymen Meldungen bei uns im Fairness-Büro. Viele Lieferanten berichten von der erdrückenden Marktmacht der Handelsunternehmen, ein Beispiel dafür ist, dass ihnen mit Auslistung oder wirtschaftlichen Repressalien gedroht wird, wenn sie nicht die Aktionskosten (1+1 oder -25 %-Wochenenden) übernehmen und deshalb ist es wichtig, dass sich Lieferanten beim Fairness-Büro melden, damit wir gemeinsam gegen diese Marktmacht vorgehen können und das öffentliche Bewusstsein gegen unlautere Handelspraktiken gestärkt wird!“

„Nicht zuletzt die Branchenanalyse der Bundeswettbewerbsbehörde, auch die aktuelle RollAMA-Auswertung zeigt erneut einen Anstieg der Eigenmarken im Lebensmitteleinzelhandel. Das gibt uns zu denken, da anonyme Eigenmarken im Regal leichter austauschbar sind. Bereits heute werden trotz gestiegener Kaufkraft nur noch 12 Prozent des Haushaltseinkommens in Österreich für Lebensmittel ausgegeben. Wir müssen uns die Frage stellen, welchen Wert wir unseren Lebensmitteln geben. Es darf nicht sein, dass unsere Bäuerinnen und Bauern Leidtragende dieser Entwicklung werden“, so Strasser.

Bundeswettbewerbsbehörde

 

- Bildquellen -

  • Supermarktregal: Warakorn/Stock.Adobe.com
- Werbung -
AUTORMartina Kiefer
Vorheriger ArtikelAgrar-Terminmarkt (3. Nov. ’23) / Weizen hält Verkaufsdruck stand
Nächster ArtikelIn geselliger Runde den Herbst genießen