Eine 16jährige zieht mit ihrem Aufruf, zum Schutz von Klima und Umwelt in allen Bereichen des Lebens umzudenken, immer mehr Menschen in ihren Bann. Jetzt war Greta Thunberg auch in Wien bei der großen R20-Klimakonferenz.
Unter den prominenten Referenten der großen internationalen Konferenz von Arnold Schwarzeneggers Klimaschutzinitiative R20 in der Wiener Hofburg war auch Dr. Kurt Weinberger, Vorstandsvorsitzender der Österreichischen Hagelversicherung. Er ist dort auch mit Greta Thunberg zusammengetroffen.
BauernZeitung: Herr Dr. Weinberger, wie war Ihr Eindruck von der jungen Klimaschutz-Aktivistin?
Weinberger: Man muss annehmen, dass der Trubel rund um sie eine immense Belastung darstellt. Schließlich ist sie innerhalb weniger Monate zu einem der bekanntesten Gesichter der Welt geworden. Das„Time“-Magazin zählt sie zu den hundert einflussreichsten Personen weltweit! Als ich mit ihr sprechen konnte und auch später, als sie das Podium vor mehr als 1.200 Teilnehmer betrat, war klar: Greta ist konzentriert, eloquent und selbstbewusst, sie nimmt sich kein Blatt vor den Mund und weiß was sie sagt, und das mit Überzeugung! Auf mich wirkt ihre Kommunikation authentisch. Genau das ist der Punkt: Wir dürfen nicht Wasser predigen und Wein trinken. Es ist unglaubwürdig, wenn die steigenden CO2-Emissionen durch den Verkehr verteufelt werden und im Anschluss fährt man mit dem Auto nach Hause. Das betrifft vielfach Kurzstrecken, die auch mit der Bahn erreichbar sind. Greta Thunberg ist 30 Stunden mit der Bahn von Schweden nach Wien angereist.
Warum wird das Mädchen aus Schweden sehr oft auch angefeindet?
Weil sie die Wahrheit sagt und weil sie dafür immensen Zuspruch findet, wenn sie sagt, „die meisten Entscheidungsträger aus aller Welt haben versagt, wenn es um den Klimaschutz geht“. Wir müssen daher die Art und Weise ändern, wie wir mit der Klimakrise umgehen und wie wir über sie reden. Die „Young Generation“ ist hier zu Recht besonders sensibilisiert, geht es doch um deren Zukunft. Und ich meine, für unsere Kinder und Kindeskinder lohnt es sich zu kämpfen. Daher müssen alle Staaten bei den Treibhausgasemissionen eine Trendwende einleiten. Aber nicht erst morgen, sondern heute noch. Greta Thunberg hat Bewegung in die Diskussion gebracht. Wenn die Medien über sie berichten, müssen sie auch über die Klimakrise schreiben und die Botschaft verbreitet sich. Das gilt es jetzt zu nutzen.
Sie selbst sind ebenfalls seit langem als mahnende Stimme in Sachen Klimaschutz bekannt. Gerade die Landwirtschaft ist ja besonders vom Klimawandel betroffen. Geht es Ihnen manchmal wie Greta?
(lacht) Zwischen mir und Greta Thunberg liegen rund 40 Jahre… Wenn man sich die internationalen Abkommen Toronto, Kyoto, Paris anschaut – was hat sich geändert? Die globale Durchschnittstemperatur ist höher als je zuvor. Die CO2-Konzentration in der Atmosphäre ist höher als je zuvor. Dabei wären all diese Abkommen ein effizientes Tool, sie müssen aber auch von allen respektiert werden. Solange sie aber der Freiwilligkeit unterliegen, keine Rechtsverbindlichkeit darstellen und bei Nichterfüllung keine spürbaren, harten Konsequenzen drohen, sind sie in gewisser Weise zahnlos. Wir brauchen aber einen Wandel – global, kontinental und national. Als Risiko- und Finanzmanager eines Unternehmens, das Naturkatastrophen in Österreich und in fünf Auslandsmärkten versichert, habe ich auch eine gesellschaftspolitische Verantwortung. Letztendlich verlangt es aber auch meine kaufmännische Sorgfaltspflicht, in Sachen Klimaschutz aktiv zu werden und auch das Thema Bodenverbrauch anzuprangern. Aber ja, man macht sich dabei nicht nur Freunde. Damit kann ich aber gut leben, denn es geht hier um die Zukunft unseres Planeten. Ich verstehe daher nicht, dass man für diesen Einsatz von einigen Wenigen auch noch kritisiert wird. Die Mehrheit gibt mir aber höchst positives Feedback.
Wo muss auch Österreichs (Land-)Wirtschaft umdenken?
Die Klimakrise beeinträchtigt die Sicherheit, den Wohlstand und letztlich ist auch den Weltfrieden. Wir müssen aber davon überzeugt sein, dass es möglich ist, Wirtschaft und Umwelt miteinander zu verknüpfen. So wie es Arnold Schwarzenegger gesagt hat: „Wir können die Wirtschaft und die Umwelt zur selben Zeit fördern. Wenn irgendjemand etwas anderes sagt, dann sagen Sie ihm, dass das Blödsinn ist“. Es braucht daher dringend einen gesellschafts- bzw. wirtschaftspolitischen Wandel und ein Umdenken jedes Einzelnen. Wir müssen deutlich bewusst machen: Ökonomie und Ökologie sind keine Gegensätze, sondern – vernünftig eingesetzt – ergänzen sie sich gegenseitig. Genau darauf setzen heute intelligente Volkswirtschaften und kluge Unternehmen.
Ihre Kinder sind längst dem Schulalter entwachsen. Dennoch die Frage: Hätten Sie – wie es Greta propagiert – deren Streiks während der Schulzeit unterstützt?
Was wäre die Alternative? Am Nachmittag oder am Wochenende? Die Medien hätten darüber nicht berichtet. Daher bedarf es unerlaubter Mittel, also Streik während der Arbeitszeit, in dem Fall Schulzeit. Natürlich hätte ich eingangs gesagt, du riskierst deine Bildung. Aber: einer riskiert, hunderttausende junge Leute folgen und 2050 und darüber hinaus werden es Milliarden Menschen danken. Andernfalls werden Gletscher schmelzen, der Meeresspiegel steigen, Wetterextreme zunehmen, viele Erdteile unbewohnbar werden, Menschen emigrieren. Wir müssen uns vor Augen halten: Die Klimakrise ist die größte Bedrohung der Menschheitsgeschichte. Daher: Ja, ich hätte unsere Kinder voll und ganz unterstützt. Weil sie haben es sich auch verdient, eine lebenswerte Umgebung vorzufinden und können schließlich nichts dafür, dass die Generationen zuvor kläglich versagt haben.
Interview: BERNHARD WEBER
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