„Vorreiterin“ vereint Wissen, Business und Praxis

Der „Blabacher-Hof“ von Isabella Boitllehner wurde mit einer Hoftafel ausgezeichnet: Er ist der nunmehr 13. zertifizierte Green-Care-Bauernhof in Oberösterreich. Auf dem Hof, der sich in Garsten befindet, gibt es ein besonderes tiergestütztes Angebot, das mit speziell trainierten Nutztieren vor allem Pferden umgesetzt wird. Ergänzt wird dieses durch Bildungsangebote, die sich an psychosoziale Fachkräfte wenden.

Pferde stellen in der tiergestützten Therapie beliebte Partner dar.

Alles, was Isabella Boitllehner anpackt, steht auf wissenschaftlich fundierten, fachlich ausgebildeten und praktisch erprobten Beinen. Auf diesen Schluss kommt man jedenfalls im Gespräch mit der 49-jährigen Garstenerin (siehe dazu auch Portrait „Landsleute“ unten), die sich jüngst über eine Green-Care-Hoftafel für ihren Betrieb, den sie seit 17 Jahren bewirtschaftet, freute. Boitllehner ist studierte Pädagogin, promovierte Wirtschaftswissenschafterin, qualifizierte Bäuerin und Betriebsführerin, integrative Reitwartin, Hochschuldozentin, Unternehmensberaterin und Geschäftsführerin in Personalunion. Bei ihr treffen Wissen, Business und Praxis aufeinander. 

Priminghof und Bildungshof

Für ihren Blabacher-Hof hat sie sich auf ein besonderes tiergestütztes Angebot spezialisiert: Auf das sogenannte „Priming“. „Dabei handelt es sich um einen psychologischen Ansatz, ein bindungsgeleitetes Arbeiten. Priming bedeutet Öffnung. Durch den Kontakt mit den Tieren werden die Menschen geöffnet und gegebenenfalls für spätere therapeutische oder pädagogische Interventionen vorbereitet. Im Anschluss an die tiergestützten Einheiten werden die Erfahrungen bewusst reflektiert“, erklärt Boitllehner. Dieses nur mit Pferden zu machen, sei neu.

Quelle: boitllehner
Pferde stellen in der tiergestützten Therapie beliebte Partner dar.

„Ich habe mich schon in meiner Forschungsarbeit für das Pädagogik-Masterstudium mit der Wirkung von pferdegestützem Priming auf das Verhalten und die Stressachse von Kindern beschäftigt“, so die Expertin. Anders als jegliche Formen des Reitens setze Priming auf die neurobiologischen Reaktionen, die durch das einfach Getragensein ausgelöst werden. Es sei quasi der „Türöffner“ für weitere Therapien. „Ich bin überzeugt davon, dass darin noch viel Potenzial liegt.“

Auf dem Blabacher-Hof tummeln sich daher zwölf Pferde verschiedener Rassen und Größen. Komplettiert wird die Herde durch drei Tiroler Grauvieh-Kühe, die als „Beobachtungstiere“ zertifiziert werden und dadurch das Priming-Angebot erweitern.

Bauernstube wurde zur Seminarstube

Als ihre Zielgruppe definiert Boitllehner sämtliche Altersstufen, die Themenschwerpunkte sind bindungsgeleitete und pädagogische Themen, Stressmanagement, Selbstvertrauen und soziale Kompetenz. Darüber hinaus will sie künftig auch das Bildungsangebot auf ihrem Hof ausbauen. Diese richten sich besonders an psychosoziale Fachkräfte und Pädagogen betreuender Institutionen. „Dafür haben wir aus unserer Bauernstube eine Seminarstube gemacht“, so die Betriebsführerin. Auch die 200 Jahre alte Zirbenstube, und auch sonst am Hof sei reaktiviert worden, was nur möglich war. Ein Jahr lang wurde umgebaut, geschliffen, gegerbt, gezimmert und eingebaut. Der alte Stadl als Badezimmer, die alten Balken als Türstock – vieles fand weiter Verwendung. „Das nachhaltige Arbeiten war mir sehr wichtig“, so die Unternehmerin. Wert legt sie auch auf viele Naturschutzflächen rund um den Hof, zu dem zehn Hektar Grünland und damit großzügige Weideflächen gehören. Reitplatz und Reithalle komplettieren den Blabacher-Hof.

Quelle: Michaela Schöller
Heidi Reisner-Reiwöger (l.), Rosemarie Ferstl und Isabella Boitllehner zwischen ihren Söhnen

Bauernhöfe mit besonderem Potenzial

„Das Angebot von Frau Boitllehner zeigt das besondere Potenzial eines Bauernhofes und seiner Tiere im pädagogischen und therapeutischen Bereich. Die Green-Care-Zertifizierung macht die Qualität der Ange­bote nun für alle sichtbar und stärkt das Vertrauen in den Hof“, so Rosemarie Ferstl, Vizepräsidentin der Landwirtschaftskammer Oberösterreich, die sich über den mittlerweile 13. zertifizierten Green-Care-Betrieb in Oberösterreich freut.

Dem stimmt auch Günther Mayerl, Geschäftsführer der Green Care Entwicklungs- und Beratungsgesellschaft, zu: „Wir entwi­ckeln unser Zertifizierungssystem bestän­dig weiter. Vor Kurzem haben wir es um die ös­terreichweit erste Zertifizierung von Nutztieren für pädagogische und therapeuti­sche Angebote erweitert. Hier stehen vor allem die Sicherheit der Zielgruppen und ein artgerechter Umgang mit den Tieren im Vordergrund.“ Für Isabella Boitllehner ist die Zertifizierung ein wichtiger Baustein in ihrem umfangreichen Portfolio: „Natürlich schaffe ich das nicht alles mit links. Aber ich habe eine Vision und ein Ziel, das treibt mich an.“

Green Care – Wo Menschen aufblühen

Quelle: boitllehner
Der Blabacher-Hof in Garsten

Betriebe als Partner. Der Verein Green Care Österreich bildet gemeinsam mit den Landwirtschaftskammern das Kompetenznetzwerk für die Entwicklung und Umsetzung von innovativen Dienstleistungen auf aktiven bäuerlichen Familienbetrieben, die damit zu Partnern aus dem Agrar-, Bildungs-, Gesundheits-, Sozial- und Wirtschaftsbereich werden. Im Mittelpunkt der verschiedenen Angebote steht die Interaktion zwischen Mensch, Tier und Natur. Green Care soll eine Brücke bilden zwischen der Land- und Forstwirtschaft und der Bevölkerung. Das soll auch den Zusam-menhalt im ländlichen Raum festigen. Das Vorhaben wird durch das Programm für die ländliche Entwicklung gefördert.

Landsleute

im Portrait: Isabella Boitllehner
Wenn Tiere nicht nur Arbeit bedeuten, sondern vor allem Stress senken

Quelle: markus wenzelBauernhöfe als Ressource dafür bekannt zu machen, um Stress von Menschen zu nehmen: Das ist vereinfacht gesagt eines der Ziele, die Isabella Boitllehner aus Garsten antreiben. Sie hat den eigenen Hof als Quelle zum Kraftschöpfen geöffnet. Dieser wurde nun als zertifizierter „Green-Care-Bauernhof“ ausgezeichnet.

Boitllehner hat sich auf das „Priming“ spezialisiert, ein tiergestütztes psychosoziales Angebot, das sie vorrangig mit Pferden umsetzt. Pferde begleiten die innovative Bäuerin schon von Kindheit an. „Schon mein Opa hatte ein besonderes Händchen für Pferde“, erinnert sich die 49-Jährige. Dabei wies ihr Lebensweg vorerst in eine andere Richtung. Boitllehner war als promovierte Wirtschaftswissenschafterin international tätig und hatte eine Fachhochschul-Professur inne. Ein Masterstudium in bindungsgeleiteter Pädagogik unterstreicht ihren Anspruch nach einer wissenschaftlich fundierten Grundlage. Dass die Mutter von zwei Söhnen längst auch die Ausbildung zur landwirtschaftlichen Facharbeiterin und zur integrativen Reitwartin in der Tasche hat, erklärt sich schon von selbst. Aktuell ist sie zudem als Geschäftsführerin eines sozialökonomischen Betriebs tätig, der sich um Langzeitarbeitslose und Jugendliche in verlängerter Lehre kümmert.

Woher sie selbst ihre Energie nimmt? „Die viele Arbeit ist manchmal wirklich mühsam. Trotzdem geben mir der Hof und die Pferde so viel Kraft zurück“, sagt Boitllehner. Das senke die Stressachse. Aber nicht nur bei ihr: „Bauern, die gerne und gut mit ihren Tieren arbeiten, schaffen deshalb so viel, weil sie daraus – oft ganz unbewusst – Kraft beziehen“, weiß Boitllehner.

 

- Bildquellen -

  • D43DC902 B3CE 458A 9E74 0A0B1E517BA1: boitllehner
  • Gruppe Hoftafelüberreichung Bearbeitet (c) Mag. Michaela Schöller: Michaela Schöller
  • IMG 0279: boitllehner
  • Isabella Boitllehner: markus wenzel
  • Isabella Boitllehner: markus wenzel
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