Wer die Geschehnisse auf den internationalen Märkten verfolgt, wird es bereits wissen: Die Termingeschäfte mit agrarischen Gütern liefen zuletzt gut. So erlebte Mahlweizen an der Pariser Euronext (vormals Matif) in den vergangenen vier Wochen einen Höhenflug. Konkret stieg der Kontrakt zum Liefertermin September in diesem Zeitraum um rund 50 Euro auf 269 Euro je Tonne, den höchsten Wert seit Februar 2023. Im April wurde derselbe Kontrakt noch für rund 215 Euro gehandelt.

Werner Zumpf, Bereichsleiter für Landwirtschaftliche Erzeugnisse in der Raiffeisen Ware Austria (RWA), erklärt sich das so: „Ausgelöst wurde die Trendwende von den geringeren Ernteschätzungen in Russland, die auf Trockenheit und späten Frost in den wichtigen Weizenanbaugebieten zurückzuführen sind. Zusätzlich wird die Preissituation von Aktivitäten diverser Finanzinstrumente beeinflusst.“

Schlechte Prognosen für russischen Weizen

Tatsächlich musste in den bedeutenden russischen Anbauregionen Woronesch, Lipezk und Tambow Anfang Mai wegen Spätfrösten sogar der Notstand ausgerufen werden, wie agrarheute.com unter Berufung auf Marktanalysten berichtete. Teilweise war gar eine Neuansaat nötig. Zum Monatsende folgte nun Trockenheit mit Temperaturen jenseits der 30-Grad-Marke. Entsprechend trist steht es um die Ernteprognose, wie der Russische Verband der Getreideexporteure am Montag mitteilte. Dieser geht von einer Gesamtmenge von 84,6 Mio. Tonnen Weizen aus, statt der ursprünglich erwarteten 86,6 Mio. Tonnen. Auch der Ukrainische Getreideverband senkte seine Getreideernteprognose dieser Tage um 1,5 Mio. Tonnen auf 74,6 Mio. Tonnen. Zum Vergleich: Im Vorjahr produzierte die Ukraine 82,8 Mio. Tonnen Getreide. In Westeuropa trübten zeitgleich übermäßige Regenfälle die Hoffnung auf Höchsternten.

Lagerstände und Zinsen bremsen Kassamarkt

An der Wiener Börse für landwirtschaftliche Produkte bekam man von den Sprüngen am Terminmarkt vorerst verhältnismäßig wenig mit. Inländischer Mahlweizen (12,5 % Protein, Fallzahl 220) notierte zuletzt am 22. Mai mit 212,50 Euro je Tonne, nach 190 Euro im April. Qualitätsweizen (14,0 % Protein, Fallzahl 250) wurde vergangene Woche durchschnittlich für 264 Euro je Tonne gehandelt. „Der Kassamarkt reagiert grundsätzlich verzögert auf Bewegungen an den Derivatmärkten“, weiß Bereichsleiter Zumpf und ergänzt: „Mittlerweile haben sich jedoch die physischen Preise – speziell jene für die Ernte 2024 – den Börsenkursen angenähert.“ Gebremst würde dies aber durch hohe Lagerstände beim Weizen, insbesondere im benachbarten Ausland, etwa in Ungarn. In Verbindung mit der aktuellen Zinssituation beobachtet der Marktexperte dieser Tage aber „ein höchst seltenes Phänomen“: „Die Preise der kommenden Ernte liegen deutlich über jenen des aktuellen Erntejahres“, so Zumpf.

Risikostreuung als Gebot der Stunde

Ob sich das hohe Preisniveau bis zur Ernte halten lässt, sei vorerst dennoch schwierig abzuschätzen. Einerseits spiele die Witterung der kommenden Wochen noch eine Rolle, andererseits werde „die hohe Einflussnahme spekulativer Finanzdienstleister über das kommende Erntejahr hinaus erhalten bleiben“, urteilt Zumpf. Er erwartet dennoch, dass sich die gestiegenen Preise „gewiss positiv“ auf die Erzeugerpreise auswirken werden. Auch Produzenten können am Terminhandel über Kontraktabschlüsse mit verschiedensten Konditionen partizipieren, bei denen der Handel die Euronext-Notierungen unterschiedlich gewichtet miteinbezieht. Menge, Preis, Qualität und Lieferzeitpunkt sind darin genau festgehalten. „Unsere Empfehlung für die kommende Vermarktungsperiode ist weiterhin die Pool-Vermarktung über die Lagerhaus-Genossenschaften“, rät indes Werner Zumpf. Bei dieser Vermarktungsform wird Bauern ein Durchschnittspreis über die gesamte Vermarktungssaison ausbezahlt, eine Akontozahlung erhält man zeitnah nach der Ernte. „Damit können Landwirte die Risiken abfedern“, heißt es aus der RWA. Höchstpreise lassen sich freilich aber nicht erzielen.

Ausgang ungewiss

„Wie lange das hohe Preisniveau anhält, kann nicht prognostiziert werden, da die Märkte aufgrund der vielen politischen Unsicherheiten nach wie vor sehr volatil bleiben“, teilt der Marktexperte noch mit. Diese Woche zeichnete sich unterdessen eine Konsolidierungsphase beim Matif-Mahlweizen ab, unter anderem zurückzuführen auf den vermehrten Preisdruck von der US-Warenterminbörse Chicago Board of Trade. In den Vereinigten Staaten nimmt nämlich die Weizenernte bereits Fahrt auf. Laut Angaben des US-Agrarministeriums sei gut die Hälfte der Bestände „in gutem bis ausgezeichnetem Zustand“.

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AUTORClemens Wieltsch
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