Auf gemeinsamen Antrag eines Drittels der Mitglieder des Tiroler Landtages (SPÖ, FPÖ, Liste Fritz, Impuls Tirol) hat der Verfassungsgerichtshof die Novelle 2014 des Tiroler Flurverfassungsgesetzes zu den Gemeindegutsagrargemeinschaften auf deren Verfassungsmäßigkeit geprüft. In der Beschwerde des ehemaligen LAbg. RA Dr. Andreas Brugger wurde die Verfassungswidrigkeit des TFLG in folgenden drei Inhalten behauptet:
• Bewirtschaftungsbeitrag (§ 36h)
• Auseinandersetzungsverfahren (§§ 49a ff)
• Vermögensrechtliche Auseinandersetzung für die Vergangenheit – Stichtagsregelung (§ 86d)
Bewirtschaftungsbeitrag verfassungskonform
Die vorgebrachten Bedenken betreff Bewirtschaftungskosten und Beiträge richteten sich gegen die Bestimmung der Höhe des auf die landwirtschaftliche Nutzung entfallenden Teiles des Bewirtschaftungsbeitrages. Das Höchstgericht hat hier keine verfassungsrechtlichen Bedenken: Die Bemessung der Beiträge zur Ausübung der land- und forstwirtschaftlichen Nutzungsrechte auf Basis bestimmter Durchschnittsgrößen stehe dem Landesgesetzgeber jedenfalls offen. Außerdem basiere die Bemessung auf sachlichen Gesichtspunkten, da an die Höhe des für die Weideausübung auf typischem Gemeindegut zu leistenden Zinses angeknüpft werde.
Auseinandersetzungsverfahren – Anfechtungs-vorbringen unzulässig
Der Verfassungsgerichtshof hat die Anfechtung der Bestimmungen zum Auseinandersetzungsverfahren zwischen Gemeinde und Agrargemeinschaft als unzulässig zurückgewiesen. Damit wird also die Möglichkeit bestätigt, im Rahmen eines Auseinandersetzungsverfahrens eine endgültige Trennung zwischen substanzberechtigter Gemeinde und den Nutzungsberechtigten zu normieren.
Stichtagsregelung behoben
Wesentliche Folge hat die Entscheidung des Verfassungsgerichtshofes, die als Stichtagsregelung bekannte Bestimmung betreff der vermögensrechtlichen Auseinandersetzung für die Vergangenheit als verfassungswidrig aufzuheben.
Mit dieser Regelung hat der Landesgesetzgeber die Ansprüche der substanzberechtigten Gemeinde gegenüber den Nutzungsberechtigten zeitlich eingegrenzt auf Zuwendungen, die nach den Stichtagen 10. 10. 2008 bzw. 28. 11. 2013 erfolgten.
Verfassungswidrig ist nach Einschätzung des VfGH die Stichtagsregelung deswegen, da zwischen erbrachten Leistungen der Agrargemeinschaftsmitglieder und vorgenommenen zulässigen Ausschüttungen eine wertmäßige Gegenseitigkeit nur für den Bereich der land- und forstwirtschaftlichen Nutzung zutreffen könne. Eine derartige Wechselbeziehung zwischen Leistungen und Ausschüttungen bestehe aber dann nicht, wenn es sich um Grundbenützungsentgelte wie für Skiliften und Pisten, Golfplätze, Schottergruben oder Handymasten handle.
Darüber hinaus seien auch die gesetzlich normierten Stichtage in deren Abstellen auf Informationsschreiben der Agrarbehörde I. Instanz nicht so gewählt, dass dies verfassungsrechtlich unbedenklich wäre.
Der Verfassungsgerichtshof hat keine verfassungsrechtlichen Bedenken betreff des gesetzlichen Anspruches der Agrargemeinschaften bzw. ihrer Mitglieder auf eine angemessene finanzielle Abgeltung einer besonderen unternehmerischen Leistung.
Der Verfassungsgerichtshof hebt aufgrund der Gesetzessystematik allerdings den gesamten § 86d TFLG mit Wirkung zum 31. 12. 2017 als verfassungswidrig auf. Bis zu diesem Termin gilt diese Bestimmung aber weiter. Das bedeutet, dass bis zu diesem Termin (oder bis zu einer Gesetzesänderung) keine Rückforderungen von getätigten Ausschüttungen verlangt werden können.
Gesetzgeber gefordert
Dem Gesetzgeber wird nun die Aufgabe zukommen, auf Basis dieses Erkenntnisses eine neue, verfassungskonforme Gesetzeslage zu schaffen. Der Verfassungsgerichtshof gibt den Weg dazu in vielen Punkten vor. Im Erkenntnis wird bestätigt, dass
1. im Rahmen einer zulässigen Durchschnittsbetrachtung für die Vergangenheit auf den Bereich der Nutzung des Überlings eine Gegenseitigkeit von erbrachten Leistungen und zulässigen Ausschüttungen vorliegt; d. h. dass Ausschüttungen aus land- und forstwirtschaftlichen Nutzungserträgen aufgrund der Leistungen der Nutzungsberechtigten nicht zurückgefordert werden können.
2. eine Pauschalregelung grundsätzlich geeignet ist, die Basis für eine sachgerechte vermögensrechtliche Auseinandersetzung zu bilden; auch hier gibt der VfGH vor, dass die Erkenntnisse aus 2008 und 2013, aber auch die 10-jährige Aufbewahrungsfrist für Aufzeichnungen und Belege die Grundlage für neue Stichtage sein können.
3. dem Gesetzgeber von Verfassungs wegen nicht verwehrt ist, im Rahmen des geschaffenen Gesamtsystems auch auf sachlich gerechtfertigte Stichtage abzustellen.
Nicht ausreichend empfindet der Verfassungsgerichtshof zusammengefasst sohin die gesetzlichen Möglichkeiten der substanzberechtigten Gemeinde, ihre Ansprüche insbesondere im Hinblick auf Auszählungen aus unmittelbaren Substanznutzungen wie Dienstbarkeitsentschädigungen, Verkaufs- oder Verpachtungserlösen geltend zu machen.
Tatsächliche Ansprüche können aber erst nach Verstreichen der Frist zum 31. 12. 2017 oder aber aufgrund neuer Rechtslage nach einer Novelle des TFLG geltend gemacht werden.