Die Bilder, die nach der Entnahme von 33 Stück Rotwild in einem Reduktionsgatter in der Tiroler Gemeinde Kaisers veröffentlicht wurden, haben zu einem Aufschrei in weiten Teilen der Bevölkerung geführt.
„Die Bilder von den toten Tieren und das Blut im Schnee haben viele Menschen verstört. Es ist der Eindruck entstanden, dass hier eine brutale Aktion stattgefunden hätte. Die Vorgangsweise in Kaisers wird jetzt von verschiedenen unabhängigen Stellen überprüft. Ausnahmslos alle Beteiligten sind an einer objektiven Untersuchung interessiert“, will Bauernbundobmann LHStv. Josef Geisler wieder zurück zur Sachlichkeit und zu Fakten kommen.
Tbc-Seuche zurückgegangen
Unverrückbare Tatsache ist, dass Tbc nicht auf die leichte Schulter genommen werden darf. Seit dem Jahr 1999 wurden sowohl beim Rotwild als auch bei Rindern im oberen Lechtal Fälle von Tuberkulose festgestellt. Im Jahr 2006 häuften sich die Tbc-Fälle in der Rinderpopulation. In allen nachgewiesenen Fällen bei Rotwild und Rindern wurde ein identischer Stamm des Bakteriums „Mycobacterium caprae“ identifiziert.
Eine von der Agentur für Gesundheit und Ernährungssicherheit (AGES) beauftragte Studie zeigte, dass im oberen Lechtal im Zeitraum 2008 bis 2011 durchschnittlich 20 Prozent des Rotwildbestands mit Tbc infiziert waren. In einzelnen Gebieten lag die Infektionsrate (Prävalenz) sogar bei über 40 Prozent. Durch intensive Bekämpfungsmaßnahmen ist es in den letzten Jahren auch mit Hilfe der Jägerschaft gelungen, den Rotwildbestand anzupassen und die Infektionsrate in der Mehrzahl der Reviere im oberen Lechtal auf aktuell unter drei Prozent zu reduzieren.
Die Jagdausübungsberechtigten in der Gemeindejagd Kaisers haben sich jedoch über Jahre an keinerlei behördliche Abschussvorschreibungen gehalten und sogar Beschwerde gegen die Vorgaben eingelegt. Das hat dazu geführt, dass das Landesverwaltungsgericht die Behörde dazu verpflichtet hat, weitergehende Maßnahmen, so genannte Ersatzvornahmen, zu ergreifen. Die Erstuntersuchung der 33 im Reduktionsgatter getöteten Tiere brachte eine Infektionsrate von 15 Prozent zutage. Zwei der fünf Tbc-infizierten Stück Rotwild aus Kaisers waren Ausscheider und somit hochansteckend.
Konsequenzen für Bauern
Seit 2008 mussten in Tirol 296 Rinder von 119 Betrieben in Zusammenhang mit Tbc gekeult werden, „Für die betroffenen bäuerlichen Familien ist die Keulung des Tierbestandes oder auch die Sperre des Betriebes eine menschliche und wirtschaftliche Tragödie“, erinnert Geisler an die fatalen Auswirkungen von Tbc. Tirol hat im Viehverkehr den Status der amtlich anerkannten Tbc-Freiheit. Dieser geht verloren, wenn über einen Zeitraum von sechs Jahren in mehr als einem Prozent der Bestände oder bei mehr als jedem tausendsten Rind Tbc festgestellt wird. Damit wäre die Handelsfreiheit nicht mehr gegeben und jedes einzelne Tier müsste etwa für den Export extra untersucht werden. „Das würde den Viehverkehr und den Zuchtviehexport extrem erschweren oder zum Erliegen bringen“, weiß Geisler.
Auf Menschen übertragbar
Doch Tbc stellt nicht nur für die Landwirtschaft eine Gefahr dar. „Tbc zählt zu jenen Krankheiten, die von Tier auf den Menschen direkt oder indirekt über Lebensmittel übertragen werden können“, erklärt Landessanitätsdirektor Franz Katzgraber. Aufgrund der hohen Qualitäts- und Sicherheitsstandards im Veterinärwesen und im Lebensmittelbereich sind etwa Darmtuberkulosen bei Menschen heute weitgehend verschwunden. Das Risiko einer direkten Tbc-Übertragung von Tier zu Mensch ist infolge der Nahebeziehung insbesondere für bäuerliche Familien gegeben. In Vorarlberg gibt es aktuell drei Personen, unter ihnen ein Kind, mit Tbc-Erkrankung.
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