Herr Direktor, was beschäftigt den Tiroler Bauernbund derzeit?
RAGGL: Wir sind die politische Interessenvertretung unserer Bauernfamilien und damit ihre Anliegen das entsprechende Gehör finden und auch in die Praxis umgesetzt werden, braucht es uns auf allen Ebenen – sei es in den Gemeinden oder im Land. Jedoch brauchen wir unser Netzwerk auch auf Bundes- und EU-Ebene. Denn eines muss uns klar sein: Außerhalb der bäuerlichen und ländlichen Bevölkerung selbst wird sich keiner für unsere Interessen stark machen.
Was sind das für Themen auf EU- und Bundesebene?
RAGGL: Ein sehr wichtiges Thema für das Jahr 2019 ist die Ausgestaltung der Gemeinsamen EU-Agrarpolitik über 2020 hinaus. Hier sollten heuer wichtige Entscheidungen sowohl über den Finanzrahmen als auch über die Inhalte fallen. Wir haben österreichweit im Bauernbund klare Vorstellungen, beispielsweise dass die ersten Hektar, also bis zu 20 Hektar, mehr gefördert werden sollen und durch fördertechnische Lenkungsmaßnahmen die Bewirtschaftung unserer Almen einen besonderen Stellenwert haben muss. Weiters fordern wir ganz klar eine Differenzierung zwischen viehhaltenden und nicht viehhaltenden Betrieben. Nur so werden die Berglandwirtschaft und die bäuerlichen Familienbetriebe ein Fortbestehen neben Agrar-Großkonzernen haben.
Was beschäftigt die Tiroler Landwirtschaft darüber hinaus?
RAGGL: Im Dezember-Landtag wurden wertvolle Impulse in Richtung Landwirtschaft gesetzt und wichtige Weichenstellungen betreffend Vermarktung heimischer Produkte, Investitionsförderung etc. geschnürt und beschlossen. Federführend haben das Bauernbundobmann LHStv. Josef Geisler und LH Günther Platter ausverhandelt, was für die Tiroler Landwirtschaft gerade in Zeiten schwieriger Produktpreise und zunehmender Umwelteinflüsse sehr wichtig ist. Auch gilt es, wertvolle landwirtschaftliche Flächen zu schützen. Damit spreche ich zum einen von Versiegelung, zum anderen jedoch auch von zunehmenden Nutzungskonflikten, z. B. durch die Freizeitwirtschaft. Wichtig ist es uns auch, Junglandwirte bestmöglich zu unterstützen. So setzen wir uns massiv dafür ein, dass die sogenannte Niederlassungsprämie wiederum an die Eigentumsübertragung vor Vollendung des 40. Lebensjahres geknüpft wird, um eine möglichst junge Landwirtschaft zu erhalten.
Das vergangene Jahr hat sehr spannend begonnen. Die Landtagswahl hat ein klares Vertrauensvotum für die VP Tirol gebracht und der Tiroler Bauernbund ist in Landtag, Nationalrat und Bundesrat gut vertreten.
RAGGL: Gleich vorab: Es ist nicht so, dass uns diese Ergebnisse zugefallen wären. Es ist vielmehr das Resultat harter Arbeit. Unsere Abgeordneten und unsere Funktionäre auf allen Ebenen haben hart gearbeitet, damit unsere Bauernfamilien und die Bewohner des gesamten ländlichen Raumes eine gute politische Vertretung haben. Für mich sind diese Wahlergebnisse Beweis dafür, dass sich im Tiroler Bauernbund vorwiegend Menschen politisch beheimatet fühlen, die anpacken können, fleißig sind und unser Land mitgestalten wollen. Deswegen sehe ich es als eine unserer wichtigsten Aufgaben, unsere Funktionäre zu stärken und unsere Mitglieder umfassend zu servicieren.
Tirols Bauern zählen bundesweit zu den Vorreitern, wenn es darum geht, Einblick in ihr Leben und Wirtschaften zu geben. Gibt es dazu auch heuer Schwerpunktsetzungen?
RAGGL: Da immer weniger Menschen direkten Kontakt zur Landwirtschaft haben, fehlt oft das Fachwissen darüber, wie moderne Landwirtschaft funktioniert und wie Arbeitsabläufe aussehen. Leider gibt es in der öffentlichen Diskussion rund um die Landwirtschaft viele Akteure, die mehr Interesse an Konflikten und Panikmache haben als an der wirklichen Lösung dieser Herausforderungen. Das Thema Image der Landwirtschaft und derzeit auch das Thema Tierwohl mit all seinen Facetten bewegt einen Großteil der Bevölkerung. Es darf nicht sein, dass unsere Bauernfamilien einerseits zum Marketinginstrument des Handels verkommen und ihnen andererseits von selbsternannten Experten, fernab von jeder Realität, gesagt wird, wie sie ihre Höfe bewirtschaften sollen. Wir werden vermehrt auf Öffentlichkeitsarbeit und Bewusstseinsbildung für das Image unserer Berglandwirtschaft setzen, denn nur wenn wir ein realistisches Bild von Landwirtschaft zeichnen, machen wir uns unabhängig von bewussten Dramatisierungen seitens der NGOs und umsatzgetriebenen Wunschbildern seitens der Werbung.
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